Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

nach und nach den frischen jugendlichen
Trieb des Herzens durch absichtliche Rich-
tungen verkrüppeln, und schalen Selbstge-
nuß an die Stelle froh getheilter Heiterkeit
schieben.

Es hat wirklich das Ansehen, als könn-
ten wir die Blüten, welche die Natur müt-
terlich durch die Steppen des Lebens säete,
nur gepreßt und getrocknet zu wissenschaftli-
chem Gebrauche benutzen. Alles, auch das
blühende Talent, gestaltet sich zu einem Ge-
genstand der Kritik und anatomischer Zerle-
gung. Absichtlich, bewußt und selb-
stisch
wird gegeben, was Andre mit kal-
ter Spannung, befangen und kunst-
richterlich aufnehmen.

Dürfen wir das bloße Zusammensein
Gesellschaft nennen, wenn sich die Neigun-
gen nicht gesellig einen? Aller Verkehr ein
Richten und Gerichtetwerden ist? Die Hei-
terkeit entflieht, und Langeweile und Kri-
tik auf ihren verlassenen Sitzen Platz neh-
men? --

Auf diese Weise gibt es keine andere

nach und nach den friſchen jugendlichen
Trieb des Herzens durch abſichtliche Rich-
tungen verkruͤppeln, und ſchalen Selbſtge-
nuß an die Stelle froh getheilter Heiterkeit
ſchieben.

Es hat wirklich das Anſehen, als koͤnn-
ten wir die Bluͤten, welche die Natur muͤt-
terlich durch die Steppen des Lebens ſaͤete,
nur gepreßt und getrocknet zu wiſſenſchaftli-
chem Gebrauche benutzen. Alles, auch das
bluͤhende Talent, geſtaltet ſich zu einem Ge-
genſtand der Kritik und anatomiſcher Zerle-
gung. Abſichtlich, bewußt und ſelb-
ſtiſch
wird gegeben, was Andre mit kal-
ter Spannung, befangen und kunſt-
richterlich aufnehmen.

Duͤrfen wir das bloße Zuſammenſein
Geſellſchaft nennen, wenn ſich die Neigun-
gen nicht geſellig einen? Aller Verkehr ein
Richten und Gerichtetwerden iſt? Die Hei-
terkeit entflieht, und Langeweile und Kri-
tik auf ihren verlaſſenen Sitzen Platz neh-
men? —

Auf dieſe Weiſe gibt es keine andere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0092" n="88"/>
nach und nach den fri&#x017F;chen jugendlichen<lb/>
Trieb des Herzens durch ab&#x017F;ichtliche Rich-<lb/>
tungen verkru&#x0364;ppeln, und &#x017F;chalen Selb&#x017F;tge-<lb/>
nuß an die Stelle froh getheilter Heiterkeit<lb/>
&#x017F;chieben.</p><lb/>
          <p>Es hat wirklich das An&#x017F;ehen, als ko&#x0364;nn-<lb/>
ten wir die Blu&#x0364;ten, welche die Natur mu&#x0364;t-<lb/>
terlich durch die Steppen des Lebens &#x017F;a&#x0364;ete,<lb/>
nur gepreßt und getrocknet zu wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftli-<lb/>
chem Gebrauche benutzen. Alles, auch das<lb/>
blu&#x0364;hende Talent, ge&#x017F;taltet &#x017F;ich zu einem Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand der Kritik und anatomi&#x017F;cher Zerle-<lb/>
gung. <hi rendition="#g">Ab&#x017F;ichtlich, bewußt</hi> und <hi rendition="#g">&#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;ch</hi> wird <hi rendition="#g">gegeben</hi>, was Andre mit <hi rendition="#g">kal-<lb/>
ter Spannung, befangen und kun&#x017F;t-<lb/>
richterlich aufnehmen.</hi></p><lb/>
          <p>Du&#x0364;rfen wir das bloße Zu&#x017F;ammen&#x017F;ein<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft nennen, wenn &#x017F;ich die Neigun-<lb/>
gen nicht ge&#x017F;ellig einen? Aller Verkehr ein<lb/>
Richten und Gerichtetwerden i&#x017F;t? Die Hei-<lb/>
terkeit entflieht, und Langeweile und Kri-<lb/>
tik auf ihren verla&#x017F;&#x017F;enen Sitzen Platz neh-<lb/>
men? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e gibt es keine andere<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0092] nach und nach den friſchen jugendlichen Trieb des Herzens durch abſichtliche Rich- tungen verkruͤppeln, und ſchalen Selbſtge- nuß an die Stelle froh getheilter Heiterkeit ſchieben. Es hat wirklich das Anſehen, als koͤnn- ten wir die Bluͤten, welche die Natur muͤt- terlich durch die Steppen des Lebens ſaͤete, nur gepreßt und getrocknet zu wiſſenſchaftli- chem Gebrauche benutzen. Alles, auch das bluͤhende Talent, geſtaltet ſich zu einem Ge- genſtand der Kritik und anatomiſcher Zerle- gung. Abſichtlich, bewußt und ſelb- ſtiſch wird gegeben, was Andre mit kal- ter Spannung, befangen und kunſt- richterlich aufnehmen. Duͤrfen wir das bloße Zuſammenſein Geſellſchaft nennen, wenn ſich die Neigun- gen nicht geſellig einen? Aller Verkehr ein Richten und Gerichtetwerden iſt? Die Hei- terkeit entflieht, und Langeweile und Kri- tik auf ihren verlaſſenen Sitzen Platz neh- men? — Auf dieſe Weiſe gibt es keine andere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/92
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/92>, abgerufen am 07.05.2024.