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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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Wer sollte nicht bitten wollen? -- Und
doch kann es nicht ein jeder, zu jeder Zeit.
Viele müssen erst dazu gezwungen werden.
Der Frost wechselnder Tages- und Jahres-
zeiten legt seine kalte Rinde über den Strom
der Empfindungen. Diese stocken und ste-
hen, bis der Schreck plötzlicher Gewitter-
schauer die Decke sprengt, und ängstigende
Stürme die zitternde Fluth hin und her
treiben. Wie verlangt da das erschütterte
Jnnere die Sonne des Friedens im klaren
Spiegel aufnehmen zu können! Wie berührt
ihr erster, warmer Strahl die bebende Welle!
Was regt sich nicht alles in dem Aufruhr
des Entsetzens! Muß aber die sanfte Güte das
widerspenstige Herz durch Schmerzensbande
an sich ziehen? -- Und erwirbt man nur
durch Opfer den Himmel der Seeligkeit? --

Es giebt stillere, unsichtbare Opfer, die auch
dahin führen. Das tägliche Leben fordert sie. Sie
wollen freudig gebracht sein. Frauen erwerben
das Bleibende nur durch Uebung jener geräusch-
losen Aufopferung, zu derem Vollbringen ih-
nen Engel, auf ihr Gebet, gesandt werden.

Wer ſollte nicht bitten wollen? — Und
doch kann es nicht ein jeder, zu jeder Zeit.
Viele muͤſſen erſt dazu gezwungen werden.
Der Froſt wechſelnder Tages- und Jahres-
zeiten legt ſeine kalte Rinde uͤber den Strom
der Empfindungen. Dieſe ſtocken und ſte-
hen, bis der Schreck ploͤtzlicher Gewitter-
ſchauer die Decke ſprengt, und aͤngſtigende
Stuͤrme die zitternde Fluth hin und her
treiben. Wie verlangt da das erſchuͤtterte
Jnnere die Sonne des Friedens im klaren
Spiegel aufnehmen zu koͤnnen! Wie beruͤhrt
ihr erſter, warmer Strahl die bebende Welle!
Was regt ſich nicht alles in dem Aufruhr
des Entſetzens! Muß aber die ſanfte Guͤte das
widerſpenſtige Herz durch Schmerzensbande
an ſich ziehen? — Und erwirbt man nur
durch Opfer den Himmel der Seeligkeit? —

Es giebt ſtillere, unſichtbare Opfer, die auch
dahin fuͤhren. Das taͤgliche Leben fordert ſie. Sie
wollen freudig gebracht ſein. Frauen erwerben
das Bleibende nur durch Uebung jener geraͤuſch-
loſen Aufopferung, zu derem Vollbringen ih-
nen Engel, auf ihr Gebet, geſandt werden.

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[270/0274] Wer ſollte nicht bitten wollen? — Und doch kann es nicht ein jeder, zu jeder Zeit. Viele muͤſſen erſt dazu gezwungen werden. Der Froſt wechſelnder Tages- und Jahres- zeiten legt ſeine kalte Rinde uͤber den Strom der Empfindungen. Dieſe ſtocken und ſte- hen, bis der Schreck ploͤtzlicher Gewitter- ſchauer die Decke ſprengt, und aͤngſtigende Stuͤrme die zitternde Fluth hin und her treiben. Wie verlangt da das erſchuͤtterte Jnnere die Sonne des Friedens im klaren Spiegel aufnehmen zu koͤnnen! Wie beruͤhrt ihr erſter, warmer Strahl die bebende Welle! Was regt ſich nicht alles in dem Aufruhr des Entſetzens! Muß aber die ſanfte Guͤte das widerſpenſtige Herz durch Schmerzensbande an ſich ziehen? — Und erwirbt man nur durch Opfer den Himmel der Seeligkeit? — Es giebt ſtillere, unſichtbare Opfer, die auch dahin fuͤhren. Das taͤgliche Leben fordert ſie. Sie wollen freudig gebracht ſein. Frauen erwerben das Bleibende nur durch Uebung jener geraͤuſch- loſen Aufopferung, zu derem Vollbringen ih- nen Engel, auf ihr Gebet, geſandt werden.

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/274>, abgerufen am 03.05.2024.