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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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Andre. Man kann eben so gut sagen: das
Leben giebt nur Leben, als fromm sein und
lieben können, sei Eins. Es ist mit der
Fähigkeit des Liebens eben so wenig etwas
Allgemeines, als mit der Frömmigkeit. Die
bloße Natur giebt sie nicht. Diese kann nur
Mittel und Werkzeug werden, durch indi-
viduelle Beziehungen den Funken anzuschla-
gen und in's Leben zu rufen. Natürliche
Gefühle sind unmittelbarer Ausfluß und
Wiederschein der Liebe, doch nicht ihr We-
sen selbst. Der Strahl, welcher so oder so
fällt, und sich in dem äußern Gegenstande
abspiegelt, kann gebrochen und geschwächt
werden, der Glanz in seiner vollen Reinheit
gedacht, ist vollständig und immer derselbe.

Leidenschaftliche oder zärtliche Gemüther
sind darum noch nicht liebend. Die gött-
liche Freundlichkeit der Seele
, die
alles erhellet und beschwichtiget, was sie,
berührt, jener Hauch duldender und verzei-
hender Güte, die sanfte Freude und der un-
widerstehliche Schmerz stiller Ergebung, das,
was jeder empfindet und keiner nennt, das

Andre. Man kann eben ſo gut ſagen: das
Leben giebt nur Leben, als fromm ſein und
lieben koͤnnen, ſei Eins. Es iſt mit der
Faͤhigkeit des Liebens eben ſo wenig etwas
Allgemeines, als mit der Froͤmmigkeit. Die
bloße Natur giebt ſie nicht. Dieſe kann nur
Mittel und Werkzeug werden, durch indi-
viduelle Beziehungen den Funken anzuſchla-
gen und in’s Leben zu rufen. Natuͤrliche
Gefuͤhle ſind unmittelbarer Ausfluß und
Wiederſchein der Liebe, doch nicht ihr We-
ſen ſelbſt. Der Strahl, welcher ſo oder ſo
faͤllt, und ſich in dem aͤußern Gegenſtande
abſpiegelt, kann gebrochen und geſchwaͤcht
werden, der Glanz in ſeiner vollen Reinheit
gedacht, iſt vollſtaͤndig und immer derſelbe.

Leidenſchaftliche oder zaͤrtliche Gemuͤther
ſind darum noch nicht liebend. Die goͤtt-
liche Freundlichkeit der Seele
, die
alles erhellet und beſchwichtiget, was ſie,
beruͤhrt, jener Hauch duldender und verzei-
hender Guͤte, die ſanfte Freude und der un-
widerſtehliche Schmerz ſtiller Ergebung, das,
was jeder empfindet und keiner nennt, das

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[264/0268] Andre. Man kann eben ſo gut ſagen: das Leben giebt nur Leben, als fromm ſein und lieben koͤnnen, ſei Eins. Es iſt mit der Faͤhigkeit des Liebens eben ſo wenig etwas Allgemeines, als mit der Froͤmmigkeit. Die bloße Natur giebt ſie nicht. Dieſe kann nur Mittel und Werkzeug werden, durch indi- viduelle Beziehungen den Funken anzuſchla- gen und in’s Leben zu rufen. Natuͤrliche Gefuͤhle ſind unmittelbarer Ausfluß und Wiederſchein der Liebe, doch nicht ihr We- ſen ſelbſt. Der Strahl, welcher ſo oder ſo faͤllt, und ſich in dem aͤußern Gegenſtande abſpiegelt, kann gebrochen und geſchwaͤcht werden, der Glanz in ſeiner vollen Reinheit gedacht, iſt vollſtaͤndig und immer derſelbe. Leidenſchaftliche oder zaͤrtliche Gemuͤther ſind darum noch nicht liebend. Die goͤtt- liche Freundlichkeit der Seele, die alles erhellet und beſchwichtiget, was ſie, beruͤhrt, jener Hauch duldender und verzei- hender Guͤte, die ſanfte Freude und der un- widerſtehliche Schmerz ſtiller Ergebung, das, was jeder empfindet und keiner nennt, das

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/268>, abgerufen am 24.11.2024.