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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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diesem Kreise allgemein begriffener Natür-
lichkeit ist, je achtungswerther, pflichtvoller
steht er in der Meinung da. Es scheint,
die Begriffe des Heiligen und Ewigen haben
sich hieher einzig geflüchtet, um, wie in frü-
hester Kindlichkeit, patriarchialische Erinne-
rungen zurückzurufen.

Allein diese Zeitperiode mit der unsri-
gen verglichen, verhält sich wie der Keim
des Saamenkornes zu der Schwere überrei-
fer Frucht. Jener strebt, in zusammenge-
drängter Kraft, von den zartesten Lebensban-
den geheimnißvoll gehalten, dem Lichte ent-
gegen, das ihm liebkosend in seiner Wiege
schmeichelt. Noch fließen hier Himmel und
Erde zusammen. Das junge Leben gehört
beiden, und liebt Einen in dem Andern. --
Später, wenn Wachsthum und Reife die
Entwickelung vollendet haben, das beschlos-
sene Dasein nicht mehr außer sich hinaus
kann, senkt die in Ueberspannung welkende
Frucht sich dem stillen Schooße, dem sie ent-
sprang, entgegen.

Es ist nicht der frische Ruf hellen Er-

dieſem Kreiſe allgemein begriffener Natuͤr-
lichkeit iſt, je achtungswerther, pflichtvoller
ſteht er in der Meinung da. Es ſcheint,
die Begriffe des Heiligen und Ewigen haben
ſich hieher einzig gefluͤchtet, um, wie in fruͤ-
heſter Kindlichkeit, patriarchialiſche Erinne-
rungen zuruͤckzurufen.

Allein dieſe Zeitperiode mit der unſri-
gen verglichen, verhaͤlt ſich wie der Keim
des Saamenkornes zu der Schwere uͤberrei-
fer Frucht. Jener ſtrebt, in zuſammenge-
draͤngter Kraft, von den zarteſten Lebensban-
den geheimnißvoll gehalten, dem Lichte ent-
gegen, das ihm liebkoſend in ſeiner Wiege
ſchmeichelt. Noch fließen hier Himmel und
Erde zuſammen. Das junge Leben gehoͤrt
beiden, und liebt Einen in dem Andern. —
Spaͤter, wenn Wachsthum und Reife die
Entwickelung vollendet haben, das beſchloſ-
ſene Daſein nicht mehr außer ſich hinaus
kann, ſenkt die in Ueberſpannung welkende
Frucht ſich dem ſtillen Schooße, dem ſie ent-
ſprang, entgegen.

Es iſt nicht der friſche Ruf hellen Er-

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[203/0207] dieſem Kreiſe allgemein begriffener Natuͤr- lichkeit iſt, je achtungswerther, pflichtvoller ſteht er in der Meinung da. Es ſcheint, die Begriffe des Heiligen und Ewigen haben ſich hieher einzig gefluͤchtet, um, wie in fruͤ- heſter Kindlichkeit, patriarchialiſche Erinne- rungen zuruͤckzurufen. Allein dieſe Zeitperiode mit der unſri- gen verglichen, verhaͤlt ſich wie der Keim des Saamenkornes zu der Schwere uͤberrei- fer Frucht. Jener ſtrebt, in zuſammenge- draͤngter Kraft, von den zarteſten Lebensban- den geheimnißvoll gehalten, dem Lichte ent- gegen, das ihm liebkoſend in ſeiner Wiege ſchmeichelt. Noch fließen hier Himmel und Erde zuſammen. Das junge Leben gehoͤrt beiden, und liebt Einen in dem Andern. — Spaͤter, wenn Wachsthum und Reife die Entwickelung vollendet haben, das beſchloſ- ſene Daſein nicht mehr außer ſich hinaus kann, ſenkt die in Ueberſpannung welkende Frucht ſich dem ſtillen Schooße, dem ſie ent- ſprang, entgegen. Es iſt nicht der friſche Ruf hellen Er-

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/207>, abgerufen am 05.05.2024.