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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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davon, Gesänge variiren nur den einen
Ton, jede Zunge sucht nach Worten das
Unaussprechliche zu nennen, jede Brust hallt
wieder in Echoklängen der Begeisterung, und
doch ist der Glaube an das eigentliche Ge-
heimniß der Liebe verloren. Es sind nur
noch Momente, in denen die Ahndung da-
von das Gefühl widerwillen überrascht; und
wie sonst die Natur von ihr Gebote empfing,
so leihet jene nun der ehemaligen Herrsche-
rin fast gütig die Hand, um ihr den Zutritt
zum Leben zu verschaffen. Nur was ein
leibliches Erdenband verbindet, was den re-
alen Ursprung nachweist, seine Wurzeln in
die sichtbare Heimath einschlägt, und das
Recht auf Wahrheit durch körperliche Exi-
stenz behauptet, nur die motivirte Annei-
gung der Gefühle, darf sich, ohne Scheu ver-
höhnt zu werden, das Prädicat der Liebe zu-
eignen. Eltern, Kinder, Gatten können nie
genug von ihren Empfindungen reden, alles
was hierauf Bezug nimmt, findet Antwort,
rührt, interessirt. Je beschlossener, beschränk-
ter eines Menschen Wollen und Wirken in

davon, Geſaͤnge variiren nur den einen
Ton, jede Zunge ſucht nach Worten das
Unausſprechliche zu nennen, jede Bruſt hallt
wieder in Echoklaͤngen der Begeiſterung, und
doch iſt der Glaube an das eigentliche Ge-
heimniß der Liebe verloren. Es ſind nur
noch Momente, in denen die Ahndung da-
von das Gefuͤhl widerwillen uͤberraſcht; und
wie ſonſt die Natur von ihr Gebote empfing,
ſo leihet jene nun der ehemaligen Herrſche-
rin faſt guͤtig die Hand, um ihr den Zutritt
zum Leben zu verſchaffen. Nur was ein
leibliches Erdenband verbindet, was den re-
alen Urſprung nachweiſt, ſeine Wurzeln in
die ſichtbare Heimath einſchlaͤgt, und das
Recht auf Wahrheit durch koͤrperliche Exi-
ſtenz behauptet, nur die motivirte Annei-
gung der Gefuͤhle, darf ſich, ohne Scheu ver-
hoͤhnt zu werden, das Praͤdicat der Liebe zu-
eignen. Eltern, Kinder, Gatten koͤnnen nie
genug von ihren Empfindungen reden, alles
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[202/0206] davon, Geſaͤnge variiren nur den einen Ton, jede Zunge ſucht nach Worten das Unausſprechliche zu nennen, jede Bruſt hallt wieder in Echoklaͤngen der Begeiſterung, und doch iſt der Glaube an das eigentliche Ge- heimniß der Liebe verloren. Es ſind nur noch Momente, in denen die Ahndung da- von das Gefuͤhl widerwillen uͤberraſcht; und wie ſonſt die Natur von ihr Gebote empfing, ſo leihet jene nun der ehemaligen Herrſche- rin faſt guͤtig die Hand, um ihr den Zutritt zum Leben zu verſchaffen. Nur was ein leibliches Erdenband verbindet, was den re- alen Urſprung nachweiſt, ſeine Wurzeln in die ſichtbare Heimath einſchlaͤgt, und das Recht auf Wahrheit durch koͤrperliche Exi- ſtenz behauptet, nur die motivirte Annei- gung der Gefuͤhle, darf ſich, ohne Scheu ver- hoͤhnt zu werden, das Praͤdicat der Liebe zu- eignen. Eltern, Kinder, Gatten koͤnnen nie genug von ihren Empfindungen reden, alles was hierauf Bezug nimmt, findet Antwort, ruͤhrt, intereſſirt. Je beſchloſſener, beſchraͤnk- ter eines Menſchen Wollen und Wirken in

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/206>, abgerufen am 05.05.2024.