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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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gen Abfall. Sie empfanden ihn früher,
als er in das Bewußtsein der Welt trat.
Das Wesenlose, formeller Huldigung mußte
die Scheu, vor dem feinern und gewand-
term weiblichen Mitwirken in die Welthän-
del weichen. Die Jntrigue ging unmittel-
bar ber Politik zur Seite. Die geistige Herr-
schaft gewann von dieser Seite wieder, was
sie mit der untergegangenen Poesie der Ro-
mantik verloren hatte.

Jn den kleinen, weiblichen Händen la-
gen oft die Fäden gemischt, welche das
System der Weltherrschaft lenkten. Der be-
hende Scharfsinn eines zart organisirten Ge-
schlechtes, ersetzte was diesem an Sachkennt-
niß und technischer Einsicht fehlte, Gabe,
das Aechte im ersten Jmpuls des Jnnern
zu erfassen, bewahrte den modernen Sybillen
noch lange die Stellung der Schicksalsgöt-
tinnen. Allein, der Geist der von ihnen aus-
ging glich nur zu sehr dem der unheilbrin-
genden Schwestern; und wenn sie auch Kro-
nen zu ihren Füßen sahen, so waren sie
doch längst von dem Azurnen Thron herab-

gen Abfall. Sie empfanden ihn fruͤher,
als er in das Bewußtſein der Welt trat.
Das Weſenloſe, formeller Huldigung mußte
die Scheu, vor dem feinern und gewand-
term weiblichen Mitwirken in die Welthaͤn-
del weichen. Die Jntrigue ging unmittel-
bar ber Politik zur Seite. Die geiſtige Herr-
ſchaft gewann von dieſer Seite wieder, was
ſie mit der untergegangenen Poeſie der Ro-
mantik verloren hatte.

Jn den kleinen, weiblichen Haͤnden la-
gen oft die Faͤden gemiſcht, welche das
Syſtem der Weltherrſchaft lenkten. Der be-
hende Scharfſinn eines zart organiſirten Ge-
ſchlechtes, erſetzte was dieſem an Sachkennt-
niß und techniſcher Einſicht fehlte, Gabe,
das Aechte im erſten Jmpuls des Jnnern
zu erfaſſen, bewahrte den modernen Sybillen
noch lange die Stellung der Schickſalsgoͤt-
tinnen. Allein, der Geiſt der von ihnen aus-
ging glich nur zu ſehr dem der unheilbrin-
genden Schweſtern; und wenn ſie auch Kro-
nen zu ihren Fuͤßen ſahen, ſo waren ſie
doch laͤngſt von dem Azurnen Thron herab-

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[171/0175] gen Abfall. Sie empfanden ihn fruͤher, als er in das Bewußtſein der Welt trat. Das Weſenloſe, formeller Huldigung mußte die Scheu, vor dem feinern und gewand- term weiblichen Mitwirken in die Welthaͤn- del weichen. Die Jntrigue ging unmittel- bar ber Politik zur Seite. Die geiſtige Herr- ſchaft gewann von dieſer Seite wieder, was ſie mit der untergegangenen Poeſie der Ro- mantik verloren hatte. Jn den kleinen, weiblichen Haͤnden la- gen oft die Faͤden gemiſcht, welche das Syſtem der Weltherrſchaft lenkten. Der be- hende Scharfſinn eines zart organiſirten Ge- ſchlechtes, erſetzte was dieſem an Sachkennt- niß und techniſcher Einſicht fehlte, Gabe, das Aechte im erſten Jmpuls des Jnnern zu erfaſſen, bewahrte den modernen Sybillen noch lange die Stellung der Schickſalsgoͤt- tinnen. Allein, der Geiſt der von ihnen aus- ging glich nur zu ſehr dem der unheilbrin- genden Schweſtern; und wenn ſie auch Kro- nen zu ihren Fuͤßen ſahen, ſo waren ſie doch laͤngſt von dem Azurnen Thron herab-

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/175>, abgerufen am 22.11.2024.