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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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als ungereimt zu denken, daß ganze Klassen
und Geschlechter von der Vorsehung gerade
durch dasjenige, zu dem sie Geburt und
Stand berief, dem Verderben geweiht wären.

Wenn der Enthusiasmus vor einem
Jahrzehent viele unter uns überredete, Gott
müsse ein ganzes Volk vernichten, um da-
durch den Quell allgemeinen Verderbens zu
verstopfen, so war das der Enthusiasmus,
der stets dem Momente angehört, und dem
solch' unruhiges Wetterleuchten der Jdeen
zu verzeihen ist, allein wenn sich ein Vorur-
theil seit Jahrhunderten einnistete, das nicht
nur zu den schreiendsten Ungerechtigkeiten
Anlaß giebt, sondern flacher Nachsicht und
lässigem Gleichmuth einer Seits, und von
der andern schwülstigem Dünkel erst recht
Thür und Thor öffnet, so ist es wohl er-
laubt, hierüber ein und das andere Wort
zu sagen.

Jst es denn denkbar, daß es einen Be-
ruf, eine Wirksamkeit, eine Stellung auf
der Erde gebe, welche durch ihre Natur das
Gute, wenn auch nicht absolut, ausschlösse,

als ungereimt zu denken, daß ganze Klaſſen
und Geſchlechter von der Vorſehung gerade
durch dasjenige, zu dem ſie Geburt und
Stand berief, dem Verderben geweiht waͤren.

Wenn der Enthuſiasmus vor einem
Jahrzehent viele unter uns uͤberredete, Gott
muͤſſe ein ganzes Volk vernichten, um da-
durch den Quell allgemeinen Verderbens zu
verſtopfen, ſo war das der Enthuſiasmus,
der ſtets dem Momente angehoͤrt, und dem
ſolch’ unruhiges Wetterleuchten der Jdeen
zu verzeihen iſt, allein wenn ſich ein Vorur-
theil ſeit Jahrhunderten einniſtete, das nicht
nur zu den ſchreiendſten Ungerechtigkeiten
Anlaß giebt, ſondern flacher Nachſicht und
laͤſſigem Gleichmuth einer Seits, und von
der andern ſchwuͤlſtigem Duͤnkel erſt recht
Thuͤr und Thor oͤffnet, ſo iſt es wohl er-
laubt, hieruͤber ein und das andere Wort
zu ſagen.

Jſt es denn denkbar, daß es einen Be-
ruf, eine Wirkſamkeit, eine Stellung auf
der Erde gebe, welche durch ihre Natur das
Gute, wenn auch nicht abſolut, ausſchloͤſſe,

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[13/0017] als ungereimt zu denken, daß ganze Klaſſen und Geſchlechter von der Vorſehung gerade durch dasjenige, zu dem ſie Geburt und Stand berief, dem Verderben geweiht waͤren. Wenn der Enthuſiasmus vor einem Jahrzehent viele unter uns uͤberredete, Gott muͤſſe ein ganzes Volk vernichten, um da- durch den Quell allgemeinen Verderbens zu verſtopfen, ſo war das der Enthuſiasmus, der ſtets dem Momente angehoͤrt, und dem ſolch’ unruhiges Wetterleuchten der Jdeen zu verzeihen iſt, allein wenn ſich ein Vorur- theil ſeit Jahrhunderten einniſtete, das nicht nur zu den ſchreiendſten Ungerechtigkeiten Anlaß giebt, ſondern flacher Nachſicht und laͤſſigem Gleichmuth einer Seits, und von der andern ſchwuͤlſtigem Duͤnkel erſt recht Thuͤr und Thor oͤffnet, ſo iſt es wohl er- laubt, hieruͤber ein und das andere Wort zu ſagen. Jſt es denn denkbar, daß es einen Be- ruf, eine Wirkſamkeit, eine Stellung auf der Erde gebe, welche durch ihre Natur das Gute, wenn auch nicht abſolut, ausſchloͤſſe,

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/17>, abgerufen am 24.04.2024.