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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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haben Worte einen Klang, Mienen Aus-
druck, das Benehmen, Character, und alles
das durch Gesetze äußerer Uebereinstimmung
bedingt, ohne individuelle Naturnothwen-
digkeit.

Das Herz eines Jünglings kann völ-
lig schweigen und doch müssen seine Lippen
sich gewissermaaßen schmeicheld bewegen, will
er nicht überflüssig oder störend in dem Krei-
se da stehen, in welchem ihm sein Platz an-
gewiesen ist. Er muß loben und tadeln,
wünschen und erwarten, Witz und Thorheit
laut werden lassen, kurz jung und froh sein
dürfen, wenn die Jugend gesellig und die
Geselligkeit jugendlich bleiben will.

Wie aber mag er vermeiden, daß aus
dem einverstandenem Spiele nicht dennoch
Mißverstehen erwachse? -- Die Selbstliebe
nimmt in der Regel alles zu begränzt, zu
wirklich. Das Phantastische jener Gesell-
schaftspoesie, die nur bunte Schatten auf
der Oberfläche hingleiten läßt, will sich nicht
mit den Anfoderungen an real gestaltete
Verhältnisse vereinen. Es entsteht überall

haben Worte einen Klang, Mienen Aus-
druck, das Benehmen, Character, und alles
das durch Geſetze aͤußerer Uebereinſtimmung
bedingt, ohne individuelle Naturnothwen-
digkeit.

Das Herz eines Juͤnglings kann voͤl-
lig ſchweigen und doch muͤſſen ſeine Lippen
ſich gewiſſermaaßen ſchmeicheld bewegen, will
er nicht uͤberfluͤſſig oder ſtoͤrend in dem Krei-
ſe da ſtehen, in welchem ihm ſein Platz an-
gewieſen iſt. Er muß loben und tadeln,
wuͤnſchen und erwarten, Witz und Thorheit
laut werden laſſen, kurz jung und froh ſein
duͤrfen, wenn die Jugend geſellig und die
Geſelligkeit jugendlich bleiben will.

Wie aber mag er vermeiden, daß aus
dem einverſtandenem Spiele nicht dennoch
Mißverſtehen erwachſe? — Die Selbſtliebe
nimmt in der Regel alles zu begraͤnzt, zu
wirklich. Das Phantaſtiſche jener Geſell-
ſchaftspoeſie, die nur bunte Schatten auf
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[158/0162] haben Worte einen Klang, Mienen Aus- druck, das Benehmen, Character, und alles das durch Geſetze aͤußerer Uebereinſtimmung bedingt, ohne individuelle Naturnothwen- digkeit. Das Herz eines Juͤnglings kann voͤl- lig ſchweigen und doch muͤſſen ſeine Lippen ſich gewiſſermaaßen ſchmeicheld bewegen, will er nicht uͤberfluͤſſig oder ſtoͤrend in dem Krei- ſe da ſtehen, in welchem ihm ſein Platz an- gewieſen iſt. Er muß loben und tadeln, wuͤnſchen und erwarten, Witz und Thorheit laut werden laſſen, kurz jung und froh ſein duͤrfen, wenn die Jugend geſellig und die Geſelligkeit jugendlich bleiben will. Wie aber mag er vermeiden, daß aus dem einverſtandenem Spiele nicht dennoch Mißverſtehen erwachſe? — Die Selbſtliebe nimmt in der Regel alles zu begraͤnzt, zu wirklich. Das Phantaſtiſche jener Geſell- ſchaftspoeſie, die nur bunte Schatten auf der Oberflaͤche hingleiten laͤßt, will ſich nicht mit den Anfoderungen an real geſtaltete Verhaͤltniſſe vereinen. Es entſteht uͤberall

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/162>, abgerufen am 24.11.2024.