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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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gern nicht anvertrauen dürfe. Von dem,
was die Seele wund riß, schweigt die kluge
Vorsicht ganz. Hier soll der Schaden allein
belehren. Warum das? Was hat man denn
am Ende davon, wenn sich das Gefühl in
willkührlichen Täuschungen zersplittert,
die Fähigkeit des Fühlens nie in ihrer gan-
zen Fülle hervortritt, sie in tauben Blüthen
vertrocknet, und zuletzt auch der Glaube
daran verloren geht? --

Jch sage absichtlich: willkührliche
Täuschungen
. Denn es ist nicht jugend-
liche Wärme, die unbewacht hinströmt, an
sich zieht, es geschehen läßt, daß sich
Herzen finden. Es ist ein künstliches Bedürfniß
für künstliche Zustände was Freundschaften
der Art knüpft. Sich selbst herausheben,
von sich reden, interessant erscheinen, Einge-
bildetes noch fester einbilden, es durch einen
fremden Mund bestätigen lassen, das will
man! Daher jenes häufige Erkalten gegen
die nächsten und befreundesten Menschen, ge-
gen Geschwister und liebe Verwandte. Aus
ihrer einfachen Zärtlichkeit läßt sich nichts

*

gern nicht anvertrauen duͤrfe. Von dem,
was die Seele wund riß, ſchweigt die kluge
Vorſicht ganz. Hier ſoll der Schaden allein
belehren. Warum das? Was hat man denn
am Ende davon, wenn ſich das Gefuͤhl in
willkuͤhrlichen Taͤuſchungen zerſplittert,
die Faͤhigkeit des Fuͤhlens nie in ihrer gan-
zen Fuͤlle hervortritt, ſie in tauben Bluͤthen
vertrocknet, und zuletzt auch der Glaube
daran verloren geht? —

Jch ſage abſichtlich: willkuͤhrliche
Taͤuſchungen
. Denn es iſt nicht jugend-
liche Waͤrme, die unbewacht hinſtroͤmt, an
ſich zieht, es geſchehen laͤßt, daß ſich
Herzen finden. Es iſt ein kuͤnſtliches Beduͤrfniß
fuͤr kuͤnſtliche Zuſtaͤnde was Freundſchaften
der Art knuͤpft. Sich ſelbſt herausheben,
von ſich reden, intereſſant erſcheinen, Einge-
bildetes noch feſter einbilden, es durch einen
fremden Mund beſtaͤtigen laſſen, das will
man! Daher jenes haͤufige Erkalten gegen
die naͤchſten und befreundeſten Menſchen, ge-
gen Geſchwiſter und liebe Verwandte. Aus
ihrer einfachen Zaͤrtlichkeit laͤßt ſich nichts

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[147/0151] gern nicht anvertrauen duͤrfe. Von dem, was die Seele wund riß, ſchweigt die kluge Vorſicht ganz. Hier ſoll der Schaden allein belehren. Warum das? Was hat man denn am Ende davon, wenn ſich das Gefuͤhl in willkuͤhrlichen Taͤuſchungen zerſplittert, die Faͤhigkeit des Fuͤhlens nie in ihrer gan- zen Fuͤlle hervortritt, ſie in tauben Bluͤthen vertrocknet, und zuletzt auch der Glaube daran verloren geht? — Jch ſage abſichtlich: willkuͤhrliche Taͤuſchungen. Denn es iſt nicht jugend- liche Waͤrme, die unbewacht hinſtroͤmt, an ſich zieht, es geſchehen laͤßt, daß ſich Herzen finden. Es iſt ein kuͤnſtliches Beduͤrfniß fuͤr kuͤnſtliche Zuſtaͤnde was Freundſchaften der Art knuͤpft. Sich ſelbſt herausheben, von ſich reden, intereſſant erſcheinen, Einge- bildetes noch feſter einbilden, es durch einen fremden Mund beſtaͤtigen laſſen, das will man! Daher jenes haͤufige Erkalten gegen die naͤchſten und befreundeſten Menſchen, ge- gen Geſchwiſter und liebe Verwandte. Aus ihrer einfachen Zaͤrtlichkeit laͤßt ſich nichts *

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/151>, abgerufen am 02.05.2024.