Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.So kurze Zeit, und diese Verändrung. Ich kam mir selber steinalt vor. Meine ganze Jugend sah ich mit ihm zu Grabe gehn. Du weißst doch, fuhr er fort, und die Welt weiß es wohl auch schon, was ich gefunden und verloren habe. Wollte Gott, rief ich, Du hättest nichts gefunden, so hättest Du auch nichts verloren! Das mag ich nicht denken, sagte er, immer gleich sanft und ergeben, Gott wollte sicher alles ganz anders, aber ein jeder von uns bat, wie es so oft im Leben geschieht, den eignen Wünschen gefolgt, und nun kreuzt sich's so bunt durcheinander. Du gutes, treues Herz! rief ich unaussprechlich gerührt, was hast Du denn dabei verschuldet? So manche Ahndung, sagte er ernst, flog warnend an mir vorüber, ich habe sie überhört, und selbst das Netz geschürzt, worin ich nun gefangen liege. Ich fragte ihn, wie er das meine; allein er schüttelte schweigend den Kopf, und sah vor sich hin, ohne weiter auf mich zu merken. Mir schossen die Thränen in die Augen, so oft ich ihn ansah. Deshalb ging ich hinunter in den Garten. Aber da war es nun vollends erst recht traurig. Das Laub ist in den wenigen Tagen ganz gelb geworden, vieles liegt vertrocknet auf dem Boden, dort in den langen Alleen rauschte es unter meinen Füßen, oder zitterte knisternd an den Zweigen. Ich ging rasch an dem Rasensitz vorüber, So kurze Zeit, und diese Verändrung. Ich kam mir selber steinalt vor. Meine ganze Jugend sah ich mit ihm zu Grabe gehn. Du weißst doch, fuhr er fort, und die Welt weiß es wohl auch schon, was ich gefunden und verloren habe. Wollte Gott, rief ich, Du hättest nichts gefunden, so hättest Du auch nichts verloren! Das mag ich nicht denken, sagte er, immer gleich sanft und ergeben, Gott wollte sicher alles ganz anders, aber ein jeder von uns bat, wie es so oft im Leben geschieht, den eignen Wünschen gefolgt, und nun kreuzt sich’s so bunt durcheinander. Du gutes, treues Herz! rief ich unaussprechlich gerührt, was hast Du denn dabei verschuldet? So manche Ahndung, sagte er ernst, flog warnend an mir vorüber, ich habe sie überhört, und selbst das Netz geschürzt, worin ich nun gefangen liege. Ich fragte ihn, wie er das meine; allein er schüttelte schweigend den Kopf, und sah vor sich hin, ohne weiter auf mich zu merken. Mir schossen die Thränen in die Augen, so oft ich ihn ansah. Deshalb ging ich hinunter in den Garten. Aber da war es nun vollends erst recht traurig. Das Laub ist in den wenigen Tagen ganz gelb geworden, vieles liegt vertrocknet auf dem Boden, dort in den langen Alleen rauschte es unter meinen Füßen, oder zitterte knisternd an den Zweigen. Ich ging rasch an dem Rasensitz vorüber, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="18"/> So kurze Zeit, und diese Verändrung. Ich kam mir selber steinalt vor. Meine ganze Jugend sah ich mit ihm zu Grabe gehn. Du weißst doch, fuhr er fort, und die Welt weiß es wohl auch schon, was ich gefunden und verloren habe. Wollte Gott, rief ich, Du hättest nichts gefunden, so hättest Du auch nichts verloren! Das mag ich nicht denken, sagte er, immer gleich sanft und ergeben, Gott wollte sicher alles ganz anders, aber ein jeder von uns bat, wie es so oft im Leben geschieht, den eignen Wünschen gefolgt, und nun kreuzt sich’s so bunt durcheinander. Du gutes, treues Herz! rief ich unaussprechlich gerührt, was hast Du denn dabei verschuldet? So manche Ahndung, sagte er ernst, flog warnend an mir vorüber, ich habe sie überhört, und selbst das Netz geschürzt, worin ich nun gefangen liege. Ich fragte ihn, wie er das meine; allein er schüttelte schweigend den Kopf, und sah vor sich hin, ohne weiter auf mich zu merken. Mir schossen die Thränen in die Augen, so oft ich ihn ansah. Deshalb ging ich hinunter in den Garten. Aber da war es nun vollends erst recht traurig. Das Laub ist in den wenigen Tagen ganz gelb geworden, vieles liegt vertrocknet auf dem Boden, dort in den langen Alleen rauschte es unter meinen Füßen, oder zitterte knisternd an den Zweigen. Ich ging rasch an dem Rasensitz vorüber, </p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0020]
So kurze Zeit, und diese Verändrung. Ich kam mir selber steinalt vor. Meine ganze Jugend sah ich mit ihm zu Grabe gehn. Du weißst doch, fuhr er fort, und die Welt weiß es wohl auch schon, was ich gefunden und verloren habe. Wollte Gott, rief ich, Du hättest nichts gefunden, so hättest Du auch nichts verloren! Das mag ich nicht denken, sagte er, immer gleich sanft und ergeben, Gott wollte sicher alles ganz anders, aber ein jeder von uns bat, wie es so oft im Leben geschieht, den eignen Wünschen gefolgt, und nun kreuzt sich’s so bunt durcheinander. Du gutes, treues Herz! rief ich unaussprechlich gerührt, was hast Du denn dabei verschuldet? So manche Ahndung, sagte er ernst, flog warnend an mir vorüber, ich habe sie überhört, und selbst das Netz geschürzt, worin ich nun gefangen liege. Ich fragte ihn, wie er das meine; allein er schüttelte schweigend den Kopf, und sah vor sich hin, ohne weiter auf mich zu merken. Mir schossen die Thränen in die Augen, so oft ich ihn ansah. Deshalb ging ich hinunter in den Garten. Aber da war es nun vollends erst recht traurig. Das Laub ist in den wenigen Tagen ganz gelb geworden, vieles liegt vertrocknet auf dem Boden, dort in den langen Alleen rauschte es unter meinen Füßen, oder zitterte knisternd an den Zweigen. Ich ging rasch an dem Rasensitz vorüber,
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/20>, abgerufen am 16.07.2024. |