Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

und nachdem er eine Zeitlang die Sauberkeit und den Fleiß des kleinen Kunstwerks bewundert und schweigend beobachtet hatte, wie lange die geschäftigen Finger den Faden hin und wieder lenken müssen, ehe nur der hundertste Theil des Ganzen kenntlich hervortrete, rief er fast ungeduldig: Welch mühseliges Vorbereiten zu dem flüchtigen Genuß! Aber, fuhr er fort, das scheint wohl auch nur so. Für Sie ist es wirklich nicht mühevoll. Sie haben bei jedem Stich das Ganze vor Augen, und leben so den Augenblick tausendfältig, den Sie sich erst schaffen wollen. Warum ist das nicht im Großen wie im Kleinen. Wie leicht vergessen wir bei einem sauern Gange das Ziel, wohin er führt! Und ist nicht am Ende das ganze Leben ein solcher Gang, den wir uns recht eigentlich erschweren, da wir gewöhnlich nur auf die nächsten Schritte vor uns sehen?

Was macht Sie denn heut so ungewöhnlich ernst? fragte Luise. Ich verstehe Sie nicht, lieber Freund! Die lustige Spielerei will kein so trübes Gesicht.

Er beugte sich schweigend auf ihre Hand, die nachlässig mit den goldnen Fädchen der Stickerei spielte. Wie denn? sagte sie ernster, ist das nicht bloß Zufall? lieber, lieber Freund, ist Ihnen etwas begegnet? haben Sie Kummer?

und nachdem er eine Zeitlang die Sauberkeit und den Fleiß des kleinen Kunstwerks bewundert und schweigend beobachtet hatte, wie lange die geschäftigen Finger den Faden hin und wieder lenken müssen, ehe nur der hundertste Theil des Ganzen kenntlich hervortrete, rief er fast ungeduldig: Welch mühseliges Vorbereiten zu dem flüchtigen Genuß! Aber, fuhr er fort, das scheint wohl auch nur so. Für Sie ist es wirklich nicht mühevoll. Sie haben bei jedem Stich das Ganze vor Augen, und leben so den Augenblick tausendfältig, den Sie sich erst schaffen wollen. Warum ist das nicht im Großen wie im Kleinen. Wie leicht vergessen wir bei einem sauern Gange das Ziel, wohin er führt! Und ist nicht am Ende das ganze Leben ein solcher Gang, den wir uns recht eigentlich erschweren, da wir gewöhnlich nur auf die nächsten Schritte vor uns sehen?

Was macht Sie denn heut so ungewöhnlich ernst? fragte Luise. Ich verstehe Sie nicht, lieber Freund! Die lustige Spielerei will kein so trübes Gesicht.

Er beugte sich schweigend auf ihre Hand, die nachlässig mit den goldnen Fädchen der Stickerei spielte. Wie denn? sagte sie ernster, ist das nicht bloß Zufall? lieber, lieber Freund, ist Ihnen etwas begegnet? haben Sie Kummer?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="140"/>
und nachdem er eine Zeitlang die Sauberkeit und den Fleiß des kleinen Kunstwerks bewundert und schweigend beobachtet hatte, wie lange die geschäftigen Finger den Faden hin und wieder lenken müssen, ehe nur der hundertste Theil des Ganzen kenntlich hervortrete, rief er fast ungeduldig: Welch mühseliges Vorbereiten zu dem flüchtigen Genuß! Aber, fuhr er fort, das scheint wohl auch nur so. Für Sie ist es wirklich nicht mühevoll. Sie haben bei jedem Stich das Ganze vor Augen, und leben so den Augenblick tausendfältig, den Sie sich erst schaffen wollen. Warum ist das nicht im Großen wie im Kleinen. Wie leicht vergessen wir bei einem sauern Gange das Ziel, wohin er führt! Und ist nicht am Ende das ganze Leben ein solcher Gang, den wir uns recht eigentlich erschweren, da wir gewöhnlich nur auf die nächsten Schritte vor uns sehen?</p>
        <p>Was macht Sie denn heut so ungewöhnlich ernst? fragte Luise. Ich verstehe Sie nicht, lieber Freund! Die lustige Spielerei will kein so trübes Gesicht.</p>
        <p>Er beugte sich schweigend auf ihre Hand, die nachlässig mit den goldnen Fädchen der Stickerei spielte. Wie denn? sagte sie ernster, ist das nicht bloß Zufall? lieber, lieber Freund, ist Ihnen etwas begegnet? haben Sie Kummer?</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0142] und nachdem er eine Zeitlang die Sauberkeit und den Fleiß des kleinen Kunstwerks bewundert und schweigend beobachtet hatte, wie lange die geschäftigen Finger den Faden hin und wieder lenken müssen, ehe nur der hundertste Theil des Ganzen kenntlich hervortrete, rief er fast ungeduldig: Welch mühseliges Vorbereiten zu dem flüchtigen Genuß! Aber, fuhr er fort, das scheint wohl auch nur so. Für Sie ist es wirklich nicht mühevoll. Sie haben bei jedem Stich das Ganze vor Augen, und leben so den Augenblick tausendfältig, den Sie sich erst schaffen wollen. Warum ist das nicht im Großen wie im Kleinen. Wie leicht vergessen wir bei einem sauern Gange das Ziel, wohin er führt! Und ist nicht am Ende das ganze Leben ein solcher Gang, den wir uns recht eigentlich erschweren, da wir gewöhnlich nur auf die nächsten Schritte vor uns sehen? Was macht Sie denn heut so ungewöhnlich ernst? fragte Luise. Ich verstehe Sie nicht, lieber Freund! Die lustige Spielerei will kein so trübes Gesicht. Er beugte sich schweigend auf ihre Hand, die nachlässig mit den goldnen Fädchen der Stickerei spielte. Wie denn? sagte sie ernster, ist das nicht bloß Zufall? lieber, lieber Freund, ist Ihnen etwas begegnet? haben Sie Kummer?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI von TextGrid (2013-03-15T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus TextGrid entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-15T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-15T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/142
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/142>, abgerufen am 09.11.2024.