Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.nicht redeten, sondern von da an, ein jedes nur mit eigenen Einrichtungen beschäftigt blieben. Frau von Seckingen allein war durch nichts zur Theilnahme an dem Feste zu bewegen. Sie scheue, sagte sie, die freigegebene, ungebundene Fröhlichkeit. Wo alle Rücksichten schwänden, träte die unbewachte Individualität oft abstoßend hervor, und das sei gefährlich für diejenigen, die nur ein bestimmtes, lang gehegtes und gepflegtes Bild festhalten möchten. Es sei nicht das erstemal, fuhr sie fort, daß dergleichen Festlichkeiten Entdeckungen veranlaßten, welche ein ruhiges Verhältniß aufgelöst und Menschen getrennt hätten, welche durch diese Trennung um nichts besser geworden wären. Ihr sei es nothwendig, nur das für wahr zu halten was nach höhern Gesetzen wahr sein müßte, und sich so wenig als möglich darum zu bekümmern, was unter äußren Bedingungen sich als bestehend erweise, und für die Welt allein Wirklichkeit habe. Luise verstand sie wohl, und drang nicht weiter in sie, ohnerachtet sie solche ängstigende Sicherstellung als den wahren Tod und den eigentlichen Gegensatz aller Liebe ansahe. Am Vorabend des Balles trat der Obrist ungewöhnlich spät in Luisens Zimmer. Sie saß am Stickrahmen, und war noch mit einer Arbeit für den folgenden Tag beschäftigt, als er sich zu ihr setzte, nicht redeten, sondern von da an, ein jedes nur mit eigenen Einrichtungen beschäftigt blieben. Frau von Seckingen allein war durch nichts zur Theilnahme an dem Feste zu bewegen. Sie scheue, sagte sie, die freigegebene, ungebundene Fröhlichkeit. Wo alle Rücksichten schwänden, träte die unbewachte Individualität oft abstoßend hervor, und das sei gefährlich für diejenigen, die nur ein bestimmtes, lang gehegtes und gepflegtes Bild festhalten möchten. Es sei nicht das erstemal, fuhr sie fort, daß dergleichen Festlichkeiten Entdeckungen veranlaßten, welche ein ruhiges Verhältniß aufgelöst und Menschen getrennt hätten, welche durch diese Trennung um nichts besser geworden wären. Ihr sei es nothwendig, nur das für wahr zu halten was nach höhern Gesetzen wahr sein müßte, und sich so wenig als möglich darum zu bekümmern, was unter äußren Bedingungen sich als bestehend erweise, und für die Welt allein Wirklichkeit habe. Luise verstand sie wohl, und drang nicht weiter in sie, ohnerachtet sie solche ängstigende Sicherstellung als den wahren Tod und den eigentlichen Gegensatz aller Liebe ansahe. Am Vorabend des Balles trat der Obrist ungewöhnlich spät in Luisens Zimmer. Sie saß am Stickrahmen, und war noch mit einer Arbeit für den folgenden Tag beschäftigt, als er sich zu ihr setzte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0141" n="139"/> nicht redeten, sondern von da an, ein jedes nur mit eigenen Einrichtungen beschäftigt blieben. Frau von Seckingen allein war durch nichts zur Theilnahme an dem Feste zu bewegen. Sie scheue, sagte sie, die freigegebene, ungebundene Fröhlichkeit. Wo alle Rücksichten schwänden, träte die unbewachte Individualität oft abstoßend hervor, und das sei gefährlich für diejenigen, die nur ein bestimmtes, lang gehegtes und gepflegtes Bild festhalten möchten. Es sei nicht das erstemal, fuhr sie fort, daß dergleichen Festlichkeiten Entdeckungen veranlaßten, welche ein ruhiges Verhältniß aufgelöst und Menschen getrennt hätten, welche durch diese Trennung um nichts besser geworden wären. Ihr sei es nothwendig, nur das für wahr zu halten was nach höhern Gesetzen wahr sein müßte, und sich so wenig als möglich darum zu bekümmern, was unter äußren Bedingungen sich als bestehend erweise, und für die Welt allein Wirklichkeit habe. Luise verstand sie wohl, und drang nicht weiter in sie, ohnerachtet sie solche ängstigende Sicherstellung als den wahren Tod und den eigentlichen Gegensatz aller Liebe ansahe.</p> <p>Am Vorabend des Balles trat der Obrist ungewöhnlich spät in Luisens Zimmer. Sie saß am Stickrahmen, und war noch mit einer Arbeit für den folgenden Tag beschäftigt, als er sich zu ihr setzte, </p> </div> </body> </text> </TEI> [139/0141]
nicht redeten, sondern von da an, ein jedes nur mit eigenen Einrichtungen beschäftigt blieben. Frau von Seckingen allein war durch nichts zur Theilnahme an dem Feste zu bewegen. Sie scheue, sagte sie, die freigegebene, ungebundene Fröhlichkeit. Wo alle Rücksichten schwänden, träte die unbewachte Individualität oft abstoßend hervor, und das sei gefährlich für diejenigen, die nur ein bestimmtes, lang gehegtes und gepflegtes Bild festhalten möchten. Es sei nicht das erstemal, fuhr sie fort, daß dergleichen Festlichkeiten Entdeckungen veranlaßten, welche ein ruhiges Verhältniß aufgelöst und Menschen getrennt hätten, welche durch diese Trennung um nichts besser geworden wären. Ihr sei es nothwendig, nur das für wahr zu halten was nach höhern Gesetzen wahr sein müßte, und sich so wenig als möglich darum zu bekümmern, was unter äußren Bedingungen sich als bestehend erweise, und für die Welt allein Wirklichkeit habe. Luise verstand sie wohl, und drang nicht weiter in sie, ohnerachtet sie solche ängstigende Sicherstellung als den wahren Tod und den eigentlichen Gegensatz aller Liebe ansahe.
Am Vorabend des Balles trat der Obrist ungewöhnlich spät in Luisens Zimmer. Sie saß am Stickrahmen, und war noch mit einer Arbeit für den folgenden Tag beschäftigt, als er sich zu ihr setzte,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI von TextGrid
(2013-03-15T15:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus TextGrid entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-15T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-15T15:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |