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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

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und könnte Dich verwirren, wenn ich nicht dreist fortgriffe, um den reinen Akkord wieder aufzusuchen. Aber laß uns hinunter an den See gehn, die Sonne neigt sich so groß und herrlich in die Fluth! Sieh wie der Harz in seiner bläulichen Hülle feierlich dasteht, als wolle er ihr ein langes Lebewohl sagen. Es ist wohl schön, daß sich so oft am Abend die aufgeregte Natur sänftigt! alles wird stiller, die Luftzüge wehen wie lange, heilige Seufzer, und ganz zuletzt reißen die Nebel und glänzen in tausend wehmüthigen Thränen auf der Erde! Sie setzten sich an das Ufer; den Blick nach dem Harz gewandt, fuhr Mathilde fort: das dunkle Gebürge, das dort wie eine Wolke vor uns aufsteigt, scheint mir in diesem Augenblick die ganze Welt zu umfassen, wie es denn auch wirklich alle Bilder meines Lebens umfängt, die allesammt wie ein Punkt in der hereinbrechenden Nacht verschwinden. Es fließt schon so manches ineinander, was ich nicht mehr deutlich erkenne; nur der frische Duft einer ungetrübten Jugend durchdringt mich jetzt wie ehemals und läßt mich mit Wehmuth auf die spätere Störungen blicken.

Ich erzählte Dir wohl früher von einem geliebten Bruder, den die Lust an den Waffen in fremde Dienste, fernhin nach Italien zog. Es war wenige Tage nachdem ich mich Deinem Vater verlobte,

und könnte Dich verwirren, wenn ich nicht dreist fortgriffe, um den reinen Akkord wieder aufzusuchen. Aber laß uns hinunter an den See gehn, die Sonne neigt sich so groß und herrlich in die Fluth! Sieh wie der Harz in seiner bläulichen Hülle feierlich dasteht, als wolle er ihr ein langes Lebewohl sagen. Es ist wohl schön, daß sich so oft am Abend die aufgeregte Natur sänftigt! alles wird stiller, die Luftzüge wehen wie lange, heilige Seufzer, und ganz zuletzt reißen die Nebel und glänzen in tausend wehmüthigen Thränen auf der Erde! Sie setzten sich an das Ufer; den Blick nach dem Harz gewandt, fuhr Mathilde fort: das dunkle Gebürge, das dort wie eine Wolke vor uns aufsteigt, scheint mir in diesem Augenblick die ganze Welt zu umfassen, wie es denn auch wirklich alle Bilder meines Lebens umfängt, die allesammt wie ein Punkt in der hereinbrechenden Nacht verschwinden. Es fließt schon so manches ineinander, was ich nicht mehr deutlich erkenne; nur der frische Duft einer ungetrübten Jugend durchdringt mich jetzt wie ehemals und läßt mich mit Wehmuth auf die spätere Störungen blicken.

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[10/0018] und könnte Dich verwirren, wenn ich nicht dreist fortgriffe, um den reinen Akkord wieder aufzusuchen. Aber laß uns hinunter an den See gehn, die Sonne neigt sich so groß und herrlich in die Fluth! Sieh wie der Harz in seiner bläulichen Hülle feierlich dasteht, als wolle er ihr ein langes Lebewohl sagen. Es ist wohl schön, daß sich so oft am Abend die aufgeregte Natur sänftigt! alles wird stiller, die Luftzüge wehen wie lange, heilige Seufzer, und ganz zuletzt reißen die Nebel und glänzen in tausend wehmüthigen Thränen auf der Erde! Sie setzten sich an das Ufer; den Blick nach dem Harz gewandt, fuhr Mathilde fort: das dunkle Gebürge, das dort wie eine Wolke vor uns aufsteigt, scheint mir in diesem Augenblick die ganze Welt zu umfassen, wie es denn auch wirklich alle Bilder meines Lebens umfängt, die allesammt wie ein Punkt in der hereinbrechenden Nacht verschwinden. Es fließt schon so manches ineinander, was ich nicht mehr deutlich erkenne; nur der frische Duft einer ungetrübten Jugend durchdringt mich jetzt wie ehemals und läßt mich mit Wehmuth auf die spätere Störungen blicken. Ich erzählte Dir wohl früher von einem geliebten Bruder, den die Lust an den Waffen in fremde Dienste, fernhin nach Italien zog. Es war wenige Tage nachdem ich mich Deinem Vater verlobte,

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/18>, abgerufen am 28.03.2024.