Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.Als Stein geendet hatte, legte er das Buch schweigend aus der Hand. Niemand redete. Manchem hatte die Erzählung Langeweile gemacht, Andren riefen jene einfache Töne alter fester Zeit wehmüthige Vergleiche mit der zerfallnen, zerstückelten, Gegenwart herauf. Luise allein lebte ganz in den vorübergeführten Begebenheiten. Diese stille Sicherheit, im schwersten Kampf zwischen Neigung und Pflicht, dies reine Wollen und Vollbringen, ja die ganze prunklose Tugend altdeutscher Sitte, der ungetrübte Spiegel einer jungfräulichen Seele, warf einen so klaren Schein zurück, daß sie scheu in sich zurückbebte. Ich will fliehen, dachte sie, weit weg von hier, zu dem Grabe meiner Mutter. Ach meine Mutter! sie schlug die schönen Augen gen Himmel, rufe mich zu dir, sagte sie leise, wo keine Sünde ist, und kein Verbrechen dein schwaches Kind irre leitet! Wollen wir noch einen Gang im Freien machen? sagte die Baronin aufstehend. Die Luft wird Allen nach dem gestrigen Tanze wohlthun. Sie hatte nicht viel auf die Vorlesung geachtet, ihr lagen andre Dinge im Sinne, daher sie auch, sobald sie einige Schritte mit Luisen vorausgerückt war, anhub: Wir verlassen Sie diesen Nachmittag, liebes Kind, es ist Zeit, glauben Sie mir, auch für Emilien! -- Fürchten Sie, fiel Luise ein, daß Als Stein geendet hatte, legte er das Buch schweigend aus der Hand. Niemand redete. Manchem hatte die Erzählung Langeweile gemacht, Andren riefen jene einfache Töne alter fester Zeit wehmüthige Vergleiche mit der zerfallnen, zerstückelten, Gegenwart herauf. Luise allein lebte ganz in den vorübergeführten Begebenheiten. Diese stille Sicherheit, im schwersten Kampf zwischen Neigung und Pflicht, dies reine Wollen und Vollbringen, ja die ganze prunklose Tugend altdeutscher Sitte, der ungetrübte Spiegel einer jungfräulichen Seele, warf einen so klaren Schein zurück, daß sie scheu in sich zurückbebte. Ich will fliehen, dachte sie, weit weg von hier, zu dem Grabe meiner Mutter. Ach meine Mutter! sie schlug die schönen Augen gen Himmel, rufe mich zu dir, sagte sie leise, wo keine Sünde ist, und kein Verbrechen dein schwaches Kind irre leitet! Wollen wir noch einen Gang im Freien machen? sagte die Baronin aufstehend. Die Luft wird Allen nach dem gestrigen Tanze wohlthun. Sie hatte nicht viel auf die Vorlesung geachtet, ihr lagen andre Dinge im Sinne, daher sie auch, sobald sie einige Schritte mit Luisen vorausgerückt war, anhub: Wir verlassen Sie diesen Nachmittag, liebes Kind, es ist Zeit, glauben Sie mir, auch für Emilien! — Fürchten Sie, fiel Luise ein, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0166" n="158"/> <p> Als Stein geendet hatte, legte er das Buch schweigend aus der Hand. Niemand redete. Manchem hatte die Erzählung Langeweile gemacht, Andren riefen jene einfache Töne alter fester Zeit wehmüthige Vergleiche mit der zerfallnen, zerstückelten, Gegenwart herauf. Luise allein lebte ganz in den vorübergeführten Begebenheiten. Diese stille Sicherheit, im schwersten Kampf zwischen Neigung und Pflicht, dies reine Wollen und Vollbringen, ja die ganze prunklose Tugend altdeutscher Sitte, der ungetrübte Spiegel einer jungfräulichen Seele, warf einen so klaren Schein zurück, daß sie scheu in sich zurückbebte. Ich will fliehen, dachte sie, weit weg von hier, zu dem Grabe meiner Mutter. Ach meine Mutter! sie schlug die schönen Augen gen Himmel, rufe mich zu dir, sagte sie leise, wo keine Sünde ist, und kein Verbrechen dein schwaches Kind irre leitet!</p> <p>Wollen wir noch einen Gang im Freien machen? sagte die Baronin aufstehend. Die Luft wird Allen nach dem gestrigen Tanze wohlthun. Sie hatte nicht viel auf die Vorlesung geachtet, ihr lagen andre Dinge im Sinne, daher sie auch, sobald sie einige Schritte mit Luisen vorausgerückt war, anhub: Wir verlassen Sie diesen Nachmittag, liebes Kind, es ist Zeit, glauben Sie mir, auch für Emilien! — Fürchten Sie, fiel Luise ein, daß </p> </div> </body> </text> </TEI> [158/0166]
Als Stein geendet hatte, legte er das Buch schweigend aus der Hand. Niemand redete. Manchem hatte die Erzählung Langeweile gemacht, Andren riefen jene einfache Töne alter fester Zeit wehmüthige Vergleiche mit der zerfallnen, zerstückelten, Gegenwart herauf. Luise allein lebte ganz in den vorübergeführten Begebenheiten. Diese stille Sicherheit, im schwersten Kampf zwischen Neigung und Pflicht, dies reine Wollen und Vollbringen, ja die ganze prunklose Tugend altdeutscher Sitte, der ungetrübte Spiegel einer jungfräulichen Seele, warf einen so klaren Schein zurück, daß sie scheu in sich zurückbebte. Ich will fliehen, dachte sie, weit weg von hier, zu dem Grabe meiner Mutter. Ach meine Mutter! sie schlug die schönen Augen gen Himmel, rufe mich zu dir, sagte sie leise, wo keine Sünde ist, und kein Verbrechen dein schwaches Kind irre leitet!
Wollen wir noch einen Gang im Freien machen? sagte die Baronin aufstehend. Die Luft wird Allen nach dem gestrigen Tanze wohlthun. Sie hatte nicht viel auf die Vorlesung geachtet, ihr lagen andre Dinge im Sinne, daher sie auch, sobald sie einige Schritte mit Luisen vorausgerückt war, anhub: Wir verlassen Sie diesen Nachmittag, liebes Kind, es ist Zeit, glauben Sie mir, auch für Emilien! — Fürchten Sie, fiel Luise ein, daß
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/166>, abgerufen am 16.07.2024. |