Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.in den Gang brachten. Ein flüchtiger Blick zeigte Fernando die Wolken auf Julius Stirn und Luisens trübe, gesenkte Augen. Er neigte sich daher zu Emilien und redete auf's neue angelegentlich mit ihr. Werner trat zu Stein, der in einem alten Buche, das er in jenem Schreine fand, verblichene, kaum noch kenntliche, Holzschnitte betrachtete. Die Worte darunter schienen häufig gelesen, denn zwischen den feinen Blättern lagen mehrere Zeichen, Goldfäden, auch Stückchen farbiger Stoffe, die wohl eine längst vertrocknete Hand da hinein gelegt hatte. O lassen Sie sehn! rief er, als Reinhold eben ein Blatt umschlagen wollte und er die Worte in kunstreich gezirkelten Buchstaben las: Von getreuer und sittsamer Minne. Die Andren näherten sich nach und nach auch. Man ward begierig, die Bedeutung der Bilder zu wissen. Eine innre Ehrfurcht vor den alten, ehrenwerthen Gestalten, ja vor dem Buche selbst, das wie ein edler, fremder Geist mitten unter ihre neue Ansichten und Gefühle trat, verscheuchte jede Spötterei. Man drang in Stein, die kleine Geschichte vorzutragen, und er, ohne sich lange bitten zu lassen, fing sogleich an: Von getreuer und sittsamer Minne. "Ein sehr edler und schöner Ritter hatte sich in die Tochter des Königs verliebt, die unter allen in den Gang brachten. Ein flüchtiger Blick zeigte Fernando die Wolken auf Julius Stirn und Luisens trübe, gesenkte Augen. Er neigte sich daher zu Emilien und redete auf’s neue angelegentlich mit ihr. Werner trat zu Stein, der in einem alten Buche, das er in jenem Schreine fand, verblichene, kaum noch kenntliche, Holzschnitte betrachtete. Die Worte darunter schienen häufig gelesen, denn zwischen den feinen Blättern lagen mehrere Zeichen, Goldfäden, auch Stückchen farbiger Stoffe, die wohl eine längst vertrocknete Hand da hinein gelegt hatte. O lassen Sie sehn! rief er, als Reinhold eben ein Blatt umschlagen wollte und er die Worte in kunstreich gezirkelten Buchstaben las: Von getreuer und sittsamer Minne. Die Andren näherten sich nach und nach auch. Man ward begierig, die Bedeutung der Bilder zu wissen. Eine innre Ehrfurcht vor den alten, ehrenwerthen Gestalten, ja vor dem Buche selbst, das wie ein edler, fremder Geist mitten unter ihre neue Ansichten und Gefühle trat, verscheuchte jede Spötterei. Man drang in Stein, die kleine Geschichte vorzutragen, und er, ohne sich lange bitten zu lassen, fing sogleich an: Von getreuer und sittsamer Minne. »Ein sehr edler und schöner Ritter hatte sich in die Tochter des Königs verliebt, die unter allen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0145" n="137"/> in den Gang brachten. Ein flüchtiger Blick zeigte Fernando die Wolken auf Julius Stirn und Luisens trübe, gesenkte Augen. Er neigte sich daher zu Emilien und redete auf’s neue angelegentlich mit ihr. Werner trat zu Stein, der in einem alten Buche, das er in jenem Schreine fand, verblichene, kaum noch kenntliche, Holzschnitte betrachtete. Die Worte darunter schienen häufig gelesen, denn zwischen den feinen Blättern lagen mehrere Zeichen, Goldfäden, auch Stückchen farbiger Stoffe, die wohl eine längst vertrocknete Hand da hinein gelegt hatte. O lassen Sie sehn! rief er, als Reinhold eben ein Blatt umschlagen wollte und er die Worte in kunstreich gezirkelten Buchstaben las: <hi rendition="#g">Von getreuer und sittsamer Minne</hi>. Die Andren näherten sich nach und nach auch. Man ward begierig, die Bedeutung der Bilder zu wissen. Eine innre Ehrfurcht vor den alten, ehrenwerthen Gestalten, ja vor dem Buche selbst, das wie ein edler, fremder Geist mitten unter ihre neue Ansichten und Gefühle trat, verscheuchte jede Spötterei. Man drang in Stein, die kleine Geschichte vorzutragen, und er, ohne sich lange bitten zu lassen, fing sogleich an:</p><lb/> </div> <div n="1"> <head>Von getreuer und sittsamer Minne.</head><lb/> <p>»Ein sehr edler und schöner Ritter hatte sich in die Tochter des Königs verliebt, die unter allen </p> </div> </body> </text> </TEI> [137/0145]
in den Gang brachten. Ein flüchtiger Blick zeigte Fernando die Wolken auf Julius Stirn und Luisens trübe, gesenkte Augen. Er neigte sich daher zu Emilien und redete auf’s neue angelegentlich mit ihr. Werner trat zu Stein, der in einem alten Buche, das er in jenem Schreine fand, verblichene, kaum noch kenntliche, Holzschnitte betrachtete. Die Worte darunter schienen häufig gelesen, denn zwischen den feinen Blättern lagen mehrere Zeichen, Goldfäden, auch Stückchen farbiger Stoffe, die wohl eine längst vertrocknete Hand da hinein gelegt hatte. O lassen Sie sehn! rief er, als Reinhold eben ein Blatt umschlagen wollte und er die Worte in kunstreich gezirkelten Buchstaben las: Von getreuer und sittsamer Minne. Die Andren näherten sich nach und nach auch. Man ward begierig, die Bedeutung der Bilder zu wissen. Eine innre Ehrfurcht vor den alten, ehrenwerthen Gestalten, ja vor dem Buche selbst, das wie ein edler, fremder Geist mitten unter ihre neue Ansichten und Gefühle trat, verscheuchte jede Spötterei. Man drang in Stein, die kleine Geschichte vorzutragen, und er, ohne sich lange bitten zu lassen, fing sogleich an:
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/145>, abgerufen am 16.02.2025. |