Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.die große Ehrfurcht vor dem äußren Anstand, vor Ihrer ganzen Lage und Ihren Verhältnissen, nur in mindesten schwächen könnte? Bewahren Sie doch um Alles das ruhige Gleichgewicht Ihres Seyns und Wirkens, ohne welches Sie die strenge vorgezeichnete Bahn leicht übertreten könnten. Ich sollte vielleicht schweigen, und Sie ruhig neben dem Abgrund fortgehen lassen. Vielleicht sicherte Sie eigne angeborne Kraft, vielleicht sähen Sie selbst noch klarer die Gefahr. Ich würde es darauf ankommen lassen, wenn Ihre freundliche Einladung und das Drängen meiner Hausgenossen, sie anzunehmen, mich nicht zu reden zwänge. Sie wissen, wen ich Ihnen zuführe. Sein Sie auf Ihrer Hut. Morgen Abend umarme ich Sie, und hoffe im voraus Verzeihung für meinen treuherzig mütterlichen Rath, den meine Liebe und Theilnahme allein entschuldigen können." -- Luise ward unangenehm durch den Inhalt dieser Zeilen ergriffen, so als wenn man unversehens eine wunde Stelle berührt und den ungeahndeten Schmerz hervorruft. Was ist denn geschehen, fragte sie sich selbst, das diese ernste, eindringliche Worte veranlaßt. Schicklichkeit -- äußrer Anstand! nein, nein, das nicht! Dein heiliger Wille, mein Gott, der ist es, den ich nicht verletzen darf, und der zum Glück noch laut und vernehmlich genug die große Ehrfurcht vor dem äußren Anstand, vor Ihrer ganzen Lage und Ihren Verhältnissen, nur in mindesten schwächen könnte? Bewahren Sie doch um Alles das ruhige Gleichgewicht Ihres Seyns und Wirkens, ohne welches Sie die strenge vorgezeichnete Bahn leicht übertreten könnten. Ich sollte vielleicht schweigen, und Sie ruhig neben dem Abgrund fortgehen lassen. Vielleicht sicherte Sie eigne angeborne Kraft, vielleicht sähen Sie selbst noch klarer die Gefahr. Ich würde es darauf ankommen lassen, wenn Ihre freundliche Einladung und das Drängen meiner Hausgenossen, sie anzunehmen, mich nicht zu reden zwänge. Sie wissen, wen ich Ihnen zuführe. Sein Sie auf Ihrer Hut. Morgen Abend umarme ich Sie, und hoffe im voraus Verzeihung für meinen treuherzig mütterlichen Rath, den meine Liebe und Theilnahme allein entschuldigen können.« — Luise ward unangenehm durch den Inhalt dieser Zeilen ergriffen, so als wenn man unversehens eine wunde Stelle berührt und den ungeahndeten Schmerz hervorruft. Was ist denn geschehen, fragte sie sich selbst, das diese ernste, eindringliche Worte veranlaßt. Schicklichkeit — äußrer Anstand! nein, nein, das nicht! Dein heiliger Wille, mein Gott, der ist es, den ich nicht verletzen darf, und der zum Glück noch laut und vernehmlich genug <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0118" n="110"/> die große Ehrfurcht vor dem äußren Anstand, vor Ihrer ganzen Lage und Ihren Verhältnissen, nur in mindesten schwächen könnte? Bewahren Sie doch um Alles das ruhige Gleichgewicht Ihres Seyns und Wirkens, ohne welches Sie die strenge vorgezeichnete Bahn leicht übertreten könnten. Ich sollte vielleicht schweigen, und Sie ruhig neben dem Abgrund fortgehen lassen. Vielleicht sicherte Sie eigne angeborne Kraft, vielleicht sähen Sie selbst noch klarer die Gefahr. Ich würde es darauf ankommen lassen, wenn Ihre freundliche Einladung und das Drängen meiner Hausgenossen, sie anzunehmen, mich nicht zu reden zwänge. Sie wissen, wen ich Ihnen zuführe. Sein Sie auf Ihrer Hut. Morgen Abend umarme ich Sie, und hoffe im voraus Verzeihung für meinen treuherzig mütterlichen Rath, den meine Liebe und Theilnahme allein entschuldigen können.« —</p> <p>Luise ward unangenehm durch den Inhalt dieser Zeilen ergriffen, so als wenn man unversehens eine wunde Stelle berührt und den ungeahndeten Schmerz hervorruft. Was ist denn geschehen, fragte sie sich selbst, das diese ernste, eindringliche Worte veranlaßt. Schicklichkeit — äußrer Anstand! nein, nein, das nicht! Dein heiliger Wille, mein Gott, der ist es, den ich nicht verletzen darf, und der zum Glück noch laut und vernehmlich genug </p> </div> </body> </text> </TEI> [110/0118]
die große Ehrfurcht vor dem äußren Anstand, vor Ihrer ganzen Lage und Ihren Verhältnissen, nur in mindesten schwächen könnte? Bewahren Sie doch um Alles das ruhige Gleichgewicht Ihres Seyns und Wirkens, ohne welches Sie die strenge vorgezeichnete Bahn leicht übertreten könnten. Ich sollte vielleicht schweigen, und Sie ruhig neben dem Abgrund fortgehen lassen. Vielleicht sicherte Sie eigne angeborne Kraft, vielleicht sähen Sie selbst noch klarer die Gefahr. Ich würde es darauf ankommen lassen, wenn Ihre freundliche Einladung und das Drängen meiner Hausgenossen, sie anzunehmen, mich nicht zu reden zwänge. Sie wissen, wen ich Ihnen zuführe. Sein Sie auf Ihrer Hut. Morgen Abend umarme ich Sie, und hoffe im voraus Verzeihung für meinen treuherzig mütterlichen Rath, den meine Liebe und Theilnahme allein entschuldigen können.« —
Luise ward unangenehm durch den Inhalt dieser Zeilen ergriffen, so als wenn man unversehens eine wunde Stelle berührt und den ungeahndeten Schmerz hervorruft. Was ist denn geschehen, fragte sie sich selbst, das diese ernste, eindringliche Worte veranlaßt. Schicklichkeit — äußrer Anstand! nein, nein, das nicht! Dein heiliger Wille, mein Gott, der ist es, den ich nicht verletzen darf, und der zum Glück noch laut und vernehmlich genug
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/118>, abgerufen am 19.07.2024. |