Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

und war sowohl wegen seines strengen, enthaltsamen, Wandels berühmt, als wegen der erschütternden Reden, die er öfters dem Volke auf den Straßen hielt. Er redete in wahrhafter Verzückung mit einem Feuer und in so phantastischen Bildern, daß man unwillkührlich hingerissen ward, weshalb er denn auch in den vornehmsten Häusern Zutritt fand. Ich tröstete die bekümmerte Frau, der er wohl oft das Herz mochte erweicht haben, mit der allgemeinen Achtung, die Antonio genoß, und versprach ihr, mich noch persönlich wegen seiner Freilassung zu verwenden. Der Gang des Rechts ist indeß langsam, die Anhäufung der Klagen und Fürbitten war so groß, die ganze Verhandlung so dunkel, daß es mir erst nach vierzehn Tagen gelang, Antonio zu befreien. Seine Anhänger erwarteten ihn mit stürmischer Freude an den Thüren des Gefängnisses. Er trat mit ernster Ruhe unter sie, und duldete es nicht, als man ihn im Triumph nach Hause führen wollte; indeß geschahen mehrere Tage hindurch förmliche Wallfahrten nach seiner dunklen, öden Wohnung, in der er sich eingeschlossen hielt. Man nahm allgemeinen Antheil an dieser kleinen Begebenheit, und ward eben so sehr allgemein bestürzt, als es verlauten wollte, daß der Verdacht gegen den Schuster aufs neue erwache, da während der ganzen Zeit seiner

und war sowohl wegen seines strengen, enthaltsamen, Wandels berühmt, als wegen der erschütternden Reden, die er öfters dem Volke auf den Straßen hielt. Er redete in wahrhafter Verzückung mit einem Feuer und in so phantastischen Bildern, daß man unwillkührlich hingerissen ward, weshalb er denn auch in den vornehmsten Häusern Zutritt fand. Ich tröstete die bekümmerte Frau, der er wohl oft das Herz mochte erweicht haben, mit der allgemeinen Achtung, die Antonio genoß, und versprach ihr, mich noch persönlich wegen seiner Freilassung zu verwenden. Der Gang des Rechts ist indeß langsam, die Anhäufung der Klagen und Fürbitten war so groß, die ganze Verhandlung so dunkel, daß es mir erst nach vierzehn Tagen gelang, Antonio zu befreien. Seine Anhänger erwarteten ihn mit stürmischer Freude an den Thüren des Gefängnisses. Er trat mit ernster Ruhe unter sie, und duldete es nicht, als man ihn im Triumph nach Hause führen wollte; indeß geschahen mehrere Tage hindurch förmliche Wallfahrten nach seiner dunklen, öden Wohnung, in der er sich eingeschlossen hielt. Man nahm allgemeinen Antheil an dieser kleinen Begebenheit, und ward eben so sehr allgemein bestürzt, als es verlauten wollte, daß der Verdacht gegen den Schuster aufs neue erwache, da während der ganzen Zeit seiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="104"/>
und war sowohl wegen seines strengen, enthaltsamen, Wandels berühmt, als wegen der erschütternden Reden, die er öfters dem Volke auf den Straßen hielt. Er redete in wahrhafter Verzückung mit einem Feuer und in so phantastischen Bildern, daß man unwillkührlich hingerissen ward, weshalb er denn auch in den vornehmsten Häusern Zutritt fand. Ich tröstete die bekümmerte Frau, der er wohl oft das Herz mochte erweicht haben, mit der allgemeinen Achtung, die Antonio genoß, und versprach ihr, mich noch persönlich wegen seiner Freilassung zu verwenden. Der Gang des Rechts ist indeß langsam, die Anhäufung der Klagen und Fürbitten war so groß, die ganze Verhandlung so dunkel, daß es mir erst nach vierzehn Tagen gelang, Antonio zu befreien. Seine Anhänger erwarteten ihn mit stürmischer Freude an den Thüren des Gefängnisses. Er trat mit ernster Ruhe unter sie, und duldete es nicht, als man ihn im Triumph nach Hause führen wollte; indeß geschahen mehrere Tage hindurch förmliche Wallfahrten nach seiner dunklen, öden Wohnung, in der er sich eingeschlossen hielt. Man nahm allgemeinen Antheil an dieser kleinen Begebenheit, und ward eben so sehr allgemein bestürzt, als es verlauten wollte, daß der Verdacht gegen den Schuster aufs neue erwache, da während der ganzen Zeit seiner
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0112] und war sowohl wegen seines strengen, enthaltsamen, Wandels berühmt, als wegen der erschütternden Reden, die er öfters dem Volke auf den Straßen hielt. Er redete in wahrhafter Verzückung mit einem Feuer und in so phantastischen Bildern, daß man unwillkührlich hingerissen ward, weshalb er denn auch in den vornehmsten Häusern Zutritt fand. Ich tröstete die bekümmerte Frau, der er wohl oft das Herz mochte erweicht haben, mit der allgemeinen Achtung, die Antonio genoß, und versprach ihr, mich noch persönlich wegen seiner Freilassung zu verwenden. Der Gang des Rechts ist indeß langsam, die Anhäufung der Klagen und Fürbitten war so groß, die ganze Verhandlung so dunkel, daß es mir erst nach vierzehn Tagen gelang, Antonio zu befreien. Seine Anhänger erwarteten ihn mit stürmischer Freude an den Thüren des Gefängnisses. Er trat mit ernster Ruhe unter sie, und duldete es nicht, als man ihn im Triumph nach Hause führen wollte; indeß geschahen mehrere Tage hindurch förmliche Wallfahrten nach seiner dunklen, öden Wohnung, in der er sich eingeschlossen hielt. Man nahm allgemeinen Antheil an dieser kleinen Begebenheit, und ward eben so sehr allgemein bestürzt, als es verlauten wollte, daß der Verdacht gegen den Schuster aufs neue erwache, da während der ganzen Zeit seiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI von TextGrid (2013-03-15T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus TextGrid entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-15T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-15T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/112
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/112>, abgerufen am 01.05.2024.