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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.

O-Retti ist das wahre Ebenbild eines lebhaften, frohen, edelmüthigen1774.
May.

Greises, und seines grauen Kopfes ohnerachtet noch so gesund und frisch, als die
alten Leute auf Tahiti gemeiniglich zu seyn pflegen. Er erzählte, daß er man-
cher Schlacht beygewohnt, und mehr denn eine Wunde aufzuweisen habe; vor-
nemlich war von einem Steinwurf, der ihn in den Schlaf getroffen hatte noch
eine tiefe Narbe zu sehen. Er hatte auch damals auf Tutahahs Seite ge-
fochten, als dieser das Leben verloren.

Am folgenden Morgen gieng Doctor Sparrmann mit mir ins That
Matavai herauf, welches von den Einwohnern Tua-uru genannt wird. Seit
unserm Hierseyn hatte ich mich, meiner Schwäche wegen, so weit noch nicht
gewagt; der Anblick des Pflanzenreichs kam mir daher als ein neues Schauspiel
vor, das desto prächtiger war, weil der Frühling alles verjüngt, und Flur und
Wald neu bekleidet hatte. Ueber die großen Verbesserungen, die man in dem
ganzen District bemerkte, gerieth ich in Erstaunen. Allenthalben waren neue
und weitläuftige Plantagen angelegt, welche in der vortreflichsten Ordnung standen.
Die Zahl der neu erbauten Häuser war beträchtlich und an vielen Orten fand
man Canots auf dem Stapel. Alles dies bewies, daß der Krieg, der ehemals
zwischen den beyden Halb-Inseln obgewaltet hatte, vornemlich diesem Theile
der größern, sehr hart gefallen seyn mußte. Allein, so verwüstet derselbe auch
bey unserm ersten Hierseyn noch ausgesehen hatte; so war doch jetzt nirgends
mehr eine Spur davon zu entdecken. Das ganze Land schien eine reichlich ange-
füllte Vorrathskammer zu seyn; bey jedem Hause fanden wir Schweine im
Grase, die niemand vor uns zu verbergen suchte, wie wohl ehemals geschehen
war. Auch bemerkte ich mit Vergnügen, daß der jetzige Wohlstand der Ein-
wohner eine vortheilhafte Aenderung in ihrem Betragen hervorgebracht hatte.
Jetzt fiel uns niemand mehr mit Betteleyen um Corallen und Nägel beschwerlich,
und, anstatt daß sie sonst die Lebensmittel an sich zuhalten pflegten, beeiferten
sie sich nun vielmehr es an Gastfreyheit und Freygebigkeit einander zuvor zu thun.

giebt ihr das Zeugniß, sie habe sich, sowohl vor als nach ihrer Entdeckung, überall untade-
lich aufgeführt, und sey damals 27 Jahr alt gewesen. So viel zu Befriedigung derer
Leser, die des französischen Seefahrers Reisebeschreibung nicht zur Hand haben. A. d. H.
Forster's Reise u. d. W. zweyter Th. J
in den Jahren 1772 bis 1775.

O-Retti iſt das wahre Ebenbild eines lebhaften, frohen, edelmuͤthigen1774.
May.

Greiſes, und ſeines grauen Kopfes ohnerachtet noch ſo geſund und friſch, als die
alten Leute auf Tahiti gemeiniglich zu ſeyn pflegen. Er erzaͤhlte, daß er man-
cher Schlacht beygewohnt, und mehr denn eine Wunde aufzuweiſen habe; vor-
nemlich war von einem Steinwurf, der ihn in den Schlaf getroffen hatte noch
eine tiefe Narbe zu ſehen. Er hatte auch damals auf Tutahahs Seite ge-
fochten, als dieſer das Leben verloren.

Am folgenden Morgen gieng Doctor Sparrmann mit mir ins That
Matavai herauf, welches von den Einwohnern Tua-uru genannt wird. Seit
unſerm Hierſeyn hatte ich mich, meiner Schwaͤche wegen, ſo weit noch nicht
gewagt; der Anblick des Pflanzenreichs kam mir daher als ein neues Schauſpiel
vor, das deſto praͤchtiger war, weil der Fruͤhling alles verjuͤngt, und Flur und
Wald neu bekleidet hatte. Ueber die großen Verbeſſerungen, die man in dem
ganzen Diſtrict bemerkte, gerieth ich in Erſtaunen. Allenthalben waren neue
und weitlaͤuftige Plantagen angelegt, welche in der vortreflichſten Ordnung ſtanden.
Die Zahl der neu erbauten Haͤuſer war betraͤchtlich und an vielen Orten fand
man Canots auf dem Stapel. Alles dies bewies, daß der Krieg, der ehemals
zwiſchen den beyden Halb-Inſeln obgewaltet hatte, vornemlich dieſem Theile
der groͤßern, ſehr hart gefallen ſeyn mußte. Allein, ſo verwuͤſtet derſelbe auch
bey unſerm erſten Hierſeyn noch ausgeſehen hatte; ſo war doch jetzt nirgends
mehr eine Spur davon zu entdecken. Das ganze Land ſchien eine reichlich ange-
fuͤllte Vorrathskammer zu ſeyn; bey jedem Hauſe fanden wir Schweine im
Graſe, die niemand vor uns zu verbergen ſuchte, wie wohl ehemals geſchehen
war. Auch bemerkte ich mit Vergnuͤgen, daß der jetzige Wohlſtand der Ein-
wohner eine vortheilhafte Aenderung in ihrem Betragen hervorgebracht hatte.
Jetzt fiel uns niemand mehr mit Betteleyen um Corallen und Naͤgel beſchwerlich,
und, anſtatt daß ſie ſonſt die Lebensmittel an ſich zuhalten pflegten, beeiferten
ſie ſich nun vielmehr es an Gaſtfreyheit und Freygebigkeit einander zuvor zu thun.

giebt ihr das Zeugniß, ſie habe ſich, ſowohl vor als nach ihrer Entdeckung, uͤberall untade-
lich aufgefuͤhrt, und ſey damals 27 Jahr alt geweſen. So viel zu Befriedigung derer
Leſer, die des franzoͤſiſchen Seefahrers Reiſebeſchreibung nicht zur Hand haben. A. d. H.
Forſter’s Reiſe u. d. W. zweyter Th. J
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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/77>, abgerufen am 24.11.2024.