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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
Gewohnheit entstanden sey, können wir nicht ergründen. Indessen kommt1774.
April.

mir's vor, als gehe die ganze Absicht bloß dahin, Schrecken zu erregen.
Die fantastische Tracht ist wenigstens der fürchterlichen Gestalt, welche unsre
Rocken-Philosophie den Gespenstern und Nachtgeistern beylegt, so ähnlich, daß
ich fast geneigt wäre, zu glauben, es sey ein thörigter Aberglaube darunter
verborgen. Vielleicht soll der vermummte Trauermann den Geist des Verstorb-
nen vorstellen, der von seinen zurückgelaßnen Verwandten, Wehklagen und Thrä-
nen fordert, und sie desfalls mit den Hayfisch-Zähnen verwundet. Bey einem
noch so wenig aufgeklärten Volke, als die Tahitier, kann eine solche Vorstel-
lung wohl Eingang gefunden haben, so ungereimt sie an und für sich auch
seyn mag. Doch will ich deshalb nicht behaupten, daß ich mit dieser Muth-
maßung die wahre Absicht jenes Gebrauchs getroffen, weil wir, aller
Nachfrage ohnerachtet, von den Einwohnern keine Auskunft darüber erhalten
konnten. Sie beschrieben uns zwar die ganze Trauer-Ceremonie, und nannten die
einzelnen Stücke der dazu erforderlichen Kleidung namentlich her; warum
aber das alles so und nicht anders sey? war eine Frage die wir ihnen nie ver-
ständlich genug ausdrücken konnten. Das allersonderbarste erfuhren wir noch
von Maheinen, daß nemlich bey des Mannes Tode, die Frau die Trauer-Ceremo-
nie verrichte, hingegen, wenn die Frau stirbt, der Mann den Popanz ma-
chen muß. Bey unster Rückkunft nach England waren die Liebhaber aus-
ländischer Seltenheiten auf dergleichen Trauer-Kleider so neugierig, daß unter
andern ein Matrose fünf und zwanzig Guineen für die seinige bekam! Aber frey-
lich sind die Tahitier, in Ansehung der Neugierde, eben so arg, als die civilisir-
teren Völker. Kaum hatte sich Maheine von seinen Ebentheuern, hie und da
etwas verlauten, und, von seinen mitgebrachten ausländischen Schätzen etwas se-
hen lassen; so plagten uns die Vornehmen unabläßig um Seltenheiten von
Tongatabu, Waihu und Waitahu, *) und nahmen dergleichen Kleinigkeiten,
für die Lebensmittel und andre Sachen, welche sie zu Markte brachten, lieber
als die nutzbarsten europäischen Waaren. Am angenehmsten waren ihnen die
befiederten Kopftrachten von den beyden letzten Inseln; imgleichen die Körbe und
gemahlten Zeuge der ersteren; ja sie setzten sogar einen besondern Werth auf die

*) Amsterdam, Oster-Eyland und S. Christina.
Forsters Reise u. d. W. zweyter Th. H

in den Jahren 1772 bis 1775.
Gewohnheit entſtanden ſey, koͤnnen wir nicht ergruͤnden. Indeſſen kommt1774.
April.

mir’s vor, als gehe die ganze Abſicht bloß dahin, Schrecken zu erregen.
Die fantaſtiſche Tracht iſt wenigſtens der fuͤrchterlichen Geſtalt, welche unſre
Rocken-Philoſophie den Geſpenſtern und Nachtgeiſtern beylegt, ſo aͤhnlich, daß
ich faſt geneigt waͤre, zu glauben, es ſey ein thoͤrigter Aberglaube darunter
verborgen. Vielleicht ſoll der vermummte Trauermann den Geiſt des Verſtorb-
nen vorſtellen, der von ſeinen zuruͤckgelaßnen Verwandten, Wehklagen und Thraͤ-
nen fordert, und ſie desfalls mit den Hayfiſch-Zaͤhnen verwundet. Bey einem
noch ſo wenig aufgeklaͤrten Volke, als die Tahitier, kann eine ſolche Vorſtel-
lung wohl Eingang gefunden haben, ſo ungereimt ſie an und fuͤr ſich auch
ſeyn mag. Doch will ich deshalb nicht behaupten, daß ich mit dieſer Muth-
maßung die wahre Abſicht jenes Gebrauchs getroffen, weil wir, aller
Nachfrage ohnerachtet, von den Einwohnern keine Auskunft daruͤber erhalten
konnten. Sie beſchrieben uns zwar die ganze Trauer-Ceremonie, und nannten die
einzelnen Stuͤcke der dazu erforderlichen Kleidung namentlich her; warum
aber das alles ſo und nicht anders ſey? war eine Frage die wir ihnen nie ver-
ſtaͤndlich genug ausdruͤcken konnten. Das allerſonderbarſte erfuhren wir noch
von Maheinen, daß nemlich bey des Mannes Tode, die Frau die Trauer-Ceremo-
nie verrichte, hingegen, wenn die Frau ſtirbt, der Mann den Popanz ma-
chen muß. Bey unſter Ruͤckkunft nach England waren die Liebhaber aus-
laͤndiſcher Seltenheiten auf dergleichen Trauer-Kleider ſo neugierig, daß unter
andern ein Matroſe fuͤnf und zwanzig Guineen fuͤr die ſeinige bekam! Aber frey-
lich ſind die Tahitier, in Anſehung der Neugierde, eben ſo arg, als die civiliſir-
teren Voͤlker. Kaum hatte ſich Maheine von ſeinen Ebentheuern, hie und da
etwas verlauten, und, von ſeinen mitgebrachten auslaͤndiſchen Schaͤtzen etwas ſe-
hen laſſen; ſo plagten uns die Vornehmen unablaͤßig um Seltenheiten von
Tongatabu, Waihu und Waitahu, *) und nahmen dergleichen Kleinigkeiten,
fuͤr die Lebensmittel und andre Sachen, welche ſie zu Markte brachten, lieber
als die nutzbarſten europaͤiſchen Waaren. Am angenehmſten waren ihnen die
befiederten Kopftrachten von den beyden letzten Inſeln; imgleichen die Koͤrbe und
gemahlten Zeuge der erſteren; ja ſie ſetzten ſogar einen beſondern Werth auf die

*) Amſterdam, Oſter-Eyland und S. Chriſtina.
Forſters Reiſe u. d. W. zweyter Th. H
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[57/0069] in den Jahren 1772 bis 1775. Gewohnheit entſtanden ſey, koͤnnen wir nicht ergruͤnden. Indeſſen kommt mir’s vor, als gehe die ganze Abſicht bloß dahin, Schrecken zu erregen. Die fantaſtiſche Tracht iſt wenigſtens der fuͤrchterlichen Geſtalt, welche unſre Rocken-Philoſophie den Geſpenſtern und Nachtgeiſtern beylegt, ſo aͤhnlich, daß ich faſt geneigt waͤre, zu glauben, es ſey ein thoͤrigter Aberglaube darunter verborgen. Vielleicht ſoll der vermummte Trauermann den Geiſt des Verſtorb- nen vorſtellen, der von ſeinen zuruͤckgelaßnen Verwandten, Wehklagen und Thraͤ- nen fordert, und ſie desfalls mit den Hayfiſch-Zaͤhnen verwundet. Bey einem noch ſo wenig aufgeklaͤrten Volke, als die Tahitier, kann eine ſolche Vorſtel- lung wohl Eingang gefunden haben, ſo ungereimt ſie an und fuͤr ſich auch ſeyn mag. Doch will ich deshalb nicht behaupten, daß ich mit dieſer Muth- maßung die wahre Abſicht jenes Gebrauchs getroffen, weil wir, aller Nachfrage ohnerachtet, von den Einwohnern keine Auskunft daruͤber erhalten konnten. Sie beſchrieben uns zwar die ganze Trauer-Ceremonie, und nannten die einzelnen Stuͤcke der dazu erforderlichen Kleidung namentlich her; warum aber das alles ſo und nicht anders ſey? war eine Frage die wir ihnen nie ver- ſtaͤndlich genug ausdruͤcken konnten. Das allerſonderbarſte erfuhren wir noch von Maheinen, daß nemlich bey des Mannes Tode, die Frau die Trauer-Ceremo- nie verrichte, hingegen, wenn die Frau ſtirbt, der Mann den Popanz ma- chen muß. Bey unſter Ruͤckkunft nach England waren die Liebhaber aus- laͤndiſcher Seltenheiten auf dergleichen Trauer-Kleider ſo neugierig, daß unter andern ein Matroſe fuͤnf und zwanzig Guineen fuͤr die ſeinige bekam! Aber frey- lich ſind die Tahitier, in Anſehung der Neugierde, eben ſo arg, als die civiliſir- teren Voͤlker. Kaum hatte ſich Maheine von ſeinen Ebentheuern, hie und da etwas verlauten, und, von ſeinen mitgebrachten auslaͤndiſchen Schaͤtzen etwas ſe- hen laſſen; ſo plagten uns die Vornehmen unablaͤßig um Seltenheiten von Tongatabu, Waihu und Waitahu, *) und nahmen dergleichen Kleinigkeiten, fuͤr die Lebensmittel und andre Sachen, welche ſie zu Markte brachten, lieber als die nutzbarſten europaͤiſchen Waaren. Am angenehmſten waren ihnen die befiederten Kopftrachten von den beyden letzten Inſeln; imgleichen die Koͤrbe und gemahlten Zeuge der erſteren; ja ſie ſetzten ſogar einen beſondern Werth auf die 1774. April. *) Amſterdam, Oſter-Eyland und S. Chriſtina. Forſters Reiſe u. d. W. zweyter Th. H

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/69>, abgerufen am 27.11.2024.