Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt April.1774.handeln, und brachte auf die Art wenigstens etliche neue Arten Fische an mich, da hingegen jene Herren, bey ihrer Zurückkunft, nichts neues aufzuweisen hatten. Was sie uns vom Lande erzehlten, lantete sehr reizend und vortheilhaft: Sie hatten alles, was sie diesmal gesehen, in weit bessern Umständen gefunden als bey unfrer ersten Anwesenheit; das Grün in voller Pracht; viele Bäume noch mit Früchten beladen; die Bäche wasserreich, und eine Menge ganz neuerbau- ter Häuser. Maheine, der mit ihnen gegangen war, kam die Nacht nicht wieder an Bord. Er hatte sogleich einige von seinen Verwandten angetroffen, vornehmlich eine leibliche Schwester, Namens Te-i-oa, die eine der schönsten Frauenspersonen auf der ganzen Insel, und an einen großen, ansehnlichen und vornehmen Mann, von Raietea, Namens Nuna, verheyrathet war. Sein Haus, das sich wegen der ungewöhnlichen Größe vor vielen der übri- gen ausnahm, stand ganz nahe bey unseren Zelten; es lag nemlich kaum 200 Schritt, jenseit des Flusses. Ehe Maheine ans Land gieng, hatte er seine Europäische Kleidung abgelegt und dafür die schönen neuen Kleider, womit er von seinen Landslenten beschenkt worden war, angezogen. Die Freude, welche er über diese Vertauschung der Tracht äusserte, bewies, daß ihm seine vaterländische Sitte, doch über alles wohl gefallen müsse. Indessen ist das um so weniger zu verwundern, weil man unter den mehresten Völkern, die noch nicht gehöriger maaßen civilisirt sind, besonders aber unter den ganz wilden, dergleichen Beyspiele von der Macht der Gewohnheit vielfältig wahrgenommen hat. In der That war es auch ganz natürlich, daß ein Mensch von den So- cietäts-Inseln, (wie Z. B. Maheine, der beydes kannte,) das glückliche Le- ben, die gesunde Nahrung und die einfache Tracht seiner Landsleute, -- der beständigen Unruhe, den ekelhaften Speisen, und den groben engen Kleidungen Europäischer Seeleute vorziehen mußte. Haben wir doch sogar gesehen, daß Esquimaux, mit der größten Begierde in ihr wüstes Vaterland, zu ihren schmierigen Seehundsfellen und zu ihrem ranzigen Thran-Oele zurückgekehrt sind, ohnerachtet sie eine Zeitlang, die Europäische Küche, den Europäischen Klei- der-Prunck und alle Herrlichkeit von London, gesehen und genossen hatten! Was Maheinen betrifft, so fand er in Tahiti alle Glückseligkeit und serordent-
Forſter’s Reiſe um die Welt April.1774.handeln, und brachte auf die Art wenigſtens etliche neue Arten Fiſche an mich, da hingegen jene Herren, bey ihrer Zuruͤckkunft, nichts neues aufzuweiſen hatten. Was ſie uns vom Lande erzehlten, lantete ſehr reizend und vortheilhaft: Sie hatten alles, was ſie diesmal geſehen, in weit beſſern Umſtaͤnden gefunden als bey unfrer erſten Anweſenheit; das Gruͤn in voller Pracht; viele Baͤume noch mit Fruͤchten beladen; die Baͤche waſſerreich, und eine Menge ganz neuerbau- ter Haͤuſer. Maheine, der mit ihnen gegangen war, kam die Nacht nicht wieder an Bord. Er hatte ſogleich einige von ſeinen Verwandten angetroffen, vornehmlich eine leibliche Schweſter, Namens Te-i-oa, die eine der ſchoͤnſten Frauensperſonen auf der ganzen Inſel, und an einen großen, anſehnlichen und vornehmen Mann, von Raietea, Namens Nuna, verheyrathet war. Sein Haus, das ſich wegen der ungewoͤhnlichen Groͤße vor vielen der uͤbri- gen ausnahm, ſtand ganz nahe bey unſeren Zelten; es lag nemlich kaum 200 Schritt, jenſeit des Fluſſes. Ehe Maheine ans Land gieng, hatte er ſeine Europaͤiſche Kleidung abgelegt und dafuͤr die ſchoͤnen neuen Kleider, womit er von ſeinen Landslenten beſchenkt worden war, angezogen. Die Freude, welche er uͤber dieſe Vertauſchung der Tracht aͤuſſerte, bewies, daß ihm ſeine vaterlaͤndiſche Sitte, doch uͤber alles wohl gefallen muͤſſe. Indeſſen iſt das um ſo weniger zu verwundern, weil man unter den mehreſten Voͤlkern, die noch nicht gehoͤriger maaßen civiliſirt ſind, beſonders aber unter den ganz wilden, dergleichen Beyſpiele von der Macht der Gewohnheit vielfaͤltig wahrgenommen hat. In der That war es auch ganz natuͤrlich, daß ein Menſch von den So- cietaͤts-Inſeln, (wie Z. B. Maheine, der beydes kannte,) das gluͤckliche Le- ben, die geſunde Nahrung und die einfache Tracht ſeiner Landsleute, — der beſtaͤndigen Unruhe, den ekelhaften Speiſen, und den groben engen Kleidungen Europaͤiſcher Seeleute vorziehen mußte. Haben wir doch ſogar geſehen, daß Esquimaux, mit der groͤßten Begierde in ihr wuͤſtes Vaterland, zu ihren ſchmierigen Seehundsfellen und zu ihrem ranzigen Thran-Oele zuruͤckgekehrt ſind, ohnerachtet ſie eine Zeitlang, die Europaͤiſche Kuͤche, den Europaͤiſchen Klei- der-Prunck und alle Herrlichkeit von London, geſehen und genoſſen hatten! Was Maheinen betrifft, ſo fand er in Tahiti alle Gluͤckſeligkeit und ſerordent-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
handeln, und brachte auf die Art wenigſtens etliche neue Arten Fiſche an mich,
da hingegen jene Herren, bey ihrer Zuruͤckkunft, nichts neues aufzuweiſen hatten.
Was ſie uns vom Lande erzehlten, lantete ſehr reizend und vortheilhaft: Sie
hatten alles, was ſie diesmal geſehen, in weit beſſern Umſtaͤnden gefunden als
bey unfrer erſten Anweſenheit; das Gruͤn in voller Pracht; viele Baͤume noch
mit Fruͤchten beladen; die Baͤche waſſerreich, und eine Menge ganz neuerbau-
ter Haͤuſer. Maheine, der mit ihnen gegangen war, kam die Nacht nicht
wieder an Bord. Er hatte ſogleich einige von ſeinen Verwandten angetroffen,
vornehmlich eine leibliche Schweſter, Namens Te-i-oa, die eine der ſchoͤnſten
Frauensperſonen auf der ganzen Inſel, und an einen großen, anſehnlichen
und vornehmen Mann, von Raietea, Namens Nuna, verheyrathet war.
Sein Haus, das ſich wegen der ungewoͤhnlichen Groͤße vor vielen der uͤbri-
gen ausnahm, ſtand ganz nahe bey unſeren Zelten; es lag nemlich kaum 200
Schritt, jenſeit des Fluſſes. Ehe Maheine ans Land gieng, hatte er ſeine
Europaͤiſche Kleidung abgelegt und dafuͤr die ſchoͤnen neuen Kleider, womit
er von ſeinen Landslenten beſchenkt worden war, angezogen. Die Freude,
welche er uͤber dieſe Vertauſchung der Tracht aͤuſſerte, bewies, daß ihm ſeine
vaterlaͤndiſche Sitte, doch uͤber alles wohl gefallen muͤſſe. Indeſſen iſt das
um ſo weniger zu verwundern, weil man unter den mehreſten Voͤlkern, die noch
nicht gehoͤriger maaßen civiliſirt ſind, beſonders aber unter den ganz wilden,
dergleichen Beyſpiele von der Macht der Gewohnheit vielfaͤltig wahrgenommen
hat. In der That war es auch ganz natuͤrlich, daß ein Menſch von den So-
cietaͤts-Inſeln, (wie Z. B. Maheine, der beydes kannte,) das gluͤckliche Le-
ben, die geſunde Nahrung und die einfache Tracht ſeiner Landsleute, — der
beſtaͤndigen Unruhe, den ekelhaften Speiſen, und den groben engen Kleidungen
Europaͤiſcher Seeleute vorziehen mußte. Haben wir doch ſogar geſehen, daß
Esquimaux, mit der groͤßten Begierde in ihr wuͤſtes Vaterland, zu ihren
ſchmierigen Seehundsfellen und zu ihrem ranzigen Thran-Oele zuruͤckgekehrt ſind,
ohnerachtet ſie eine Zeitlang, die Europaͤiſche Kuͤche, den Europaͤiſchen Klei-
der-Prunck und alle Herrlichkeit von London, geſehen und genoſſen hatten!
April.
1774.
Was Maheinen betrifft, ſo fand er in Tahiti alle Gluͤckſeligkeit und
Freude, die er nur je erwarten konnte: Ein jeder begegnete ihm mit auſ-
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