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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1775.
May.
der Afrikanischen Küste käme, um Schildkröten zu laden, und sie in den Antil-
lischen Inseln
zu verkaufen. Einer unsrer Lieutenants ward an dies kleine Fahr-
zeug geschickt, und hörte vom Schiffer, daß er das unsrige für ein Französisches
Ost-Indisches Schif gehalten, auch sehr verlangte mit Englischen Ost-India-
fahrern zu handeln; weshalb ihm aber die neue Verordnung der Compagnie ei-
nen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Er speiste mit unsern Officieren
den folgenden Tag, seegelte aber am 31sten bey Tagesanbruch ab. Am 30sten
früh Morgens landeten wir zum zweeten mahl, und kamen, nachdem wir über
die Ebene gegangen, an einen fürchterlichen Lava-Strom, darinn viele Canäle
sechs bis acht Ellen tief giengen, die den deutlichsten Kennzeichen zufolge, von
gewaltigen Regenbächen weggewaschen oder gebähnt worden; jetzt aber weil die
Sonne in der nördlichen Halbkugel stand, ganz ausgetrocknet waren. In diesen
Vertiefungen fanden wir eine geringe Quantität Erdreich, das aus einer schwarzen
volkanischen Erde, und einer Mischung von weißen sandigten oder harten Theilchen
bestand. In diesem trocknen Boden wuchs etwas Portulak, und eine Art von
Gras (panicum sanguineum). Nachdem wir endlich mit großer Mühe über
diesen gewaltigen Lava-Strom geklettert waren, erreichten wir den Fuß des
grünen Berges, der, wie wir schon vom Schiffe im Hafen gesehn, ganz an-
dre Bestandtheile, als das übrige Land hatte. Die nächst umliegenden Theile
der Lava waren mit einer erstaunlichen Menge Portulak und einigen Stauden
eines neuen Farrenkrauts (lonchitis adscensionis) bewachsen, davon sich ver-
schiedne Heerden wilder Ziegen nährten. Der große Berg ist unten in ver-
schiedne Wurzeln durch große Klüfte abgetheilt, die aber oben alle zusammen kom-
men, und eine große Masse von beträchtlicher Höhe bilden. Dieser ganze Berg
besteht aus einem sandigten, porösen oder tuff artigen Kalkstein, der vom Vol-
kan nicht angegriffen worden, und vermuthlich noch vor dem Ausbruche existirt
hat. An den Seiten wächst überall sehr häufig ein Gras das dieser Insel eigen
ist, und vom Ritter von Linne den Nahmen Aristida ascensionis bekommen
hat. Wir sahen auch hier etliche Heerden Ziegen, die aber wild und scheu wa-
ren, und mit der größten Schnelligkeit an den schrecklichsten Abgründen fortlie-
fen, wo man ihnen unmöglich folgen konnte. Der Schiffer des Neu-Yorkschen
Fahrzeuges versicherte, es sey auf diesem Berge eine frische Quelle befindlich, die

Forſter’s Reiſe um die Welt
1775.
May.
der Afrikaniſchen Kuͤſte kaͤme, um Schildkroͤten zu laden, und ſie in den Antil-
liſchen Inſeln
zu verkaufen. Einer unſrer Lieutenants ward an dies kleine Fahr-
zeug geſchickt, und hoͤrte vom Schiffer, daß er das unſrige fuͤr ein Franzoͤſiſches
Oſt-Indiſches Schif gehalten, auch ſehr verlangte mit Engliſchen Oſt-India-
fahrern zu handeln; weshalb ihm aber die neue Verordnung der Compagnie ei-
nen Strich durch die Rechnung gemacht haͤtte. Er ſpeiſte mit unſern Officieren
den folgenden Tag, ſeegelte aber am 31ſten bey Tagesanbruch ab. Am 30ſten
fruͤh Morgens landeten wir zum zweeten mahl, und kamen, nachdem wir uͤber
die Ebene gegangen, an einen fuͤrchterlichen Lava-Strom, darinn viele Canaͤle
ſechs bis acht Ellen tief giengen, die den deutlichſten Kennzeichen zufolge, von
gewaltigen Regenbaͤchen weggewaſchen oder gebaͤhnt worden; jetzt aber weil die
Sonne in der noͤrdlichen Halbkugel ſtand, ganz ausgetrocknet waren. In dieſen
Vertiefungen fanden wir eine geringe Quantitaͤt Erdreich, das aus einer ſchwarzen
volkaniſchen Erde, und einer Miſchung von weißen ſandigten oder harten Theilchen
beſtand. In dieſem trocknen Boden wuchs etwas Portulak, und eine Art von
Gras (panicum ſanguineum). Nachdem wir endlich mit großer Muͤhe uͤber
dieſen gewaltigen Lava-Strom geklettert waren, erreichten wir den Fuß des
gruͤnen Berges, der, wie wir ſchon vom Schiffe im Hafen geſehn, ganz an-
dre Beſtandtheile, als das uͤbrige Land hatte. Die naͤchſt umliegenden Theile
der Lava waren mit einer erſtaunlichen Menge Portulak und einigen Stauden
eines neuen Farrenkrauts (lonchitis adſcenſionis) bewachſen, davon ſich ver-
ſchiedne Heerden wilder Ziegen naͤhrten. Der große Berg iſt unten in ver-
ſchiedne Wurzeln durch große Kluͤfte abgetheilt, die aber oben alle zuſammen kom-
men, und eine große Maſſe von betraͤchtlicher Hoͤhe bilden. Dieſer ganze Berg
beſteht aus einem ſandigten, poroͤſen oder tuff artigen Kalkſtein, der vom Vol-
kan nicht angegriffen worden, und vermuthlich noch vor dem Ausbruche exiſtirt
hat. An den Seiten waͤchſt uͤberall ſehr haͤufig ein Gras das dieſer Inſel eigen
iſt, und vom Ritter von Linné den Nahmen Ariſtida aſcenſionis bekommen
hat. Wir ſahen auch hier etliche Heerden Ziegen, die aber wild und ſcheu wa-
ren, und mit der groͤßten Schnelligkeit an den ſchrecklichſten Abgruͤnden fortlie-
fen, wo man ihnen unmoͤglich folgen konnte. Der Schiffer des Neu-Yorkſchen
Fahrzeuges verſicherte, es ſey auf dieſem Berge eine friſche Quelle befindlich, die

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[446/0464] Forſter’s Reiſe um die Welt der Afrikaniſchen Kuͤſte kaͤme, um Schildkroͤten zu laden, und ſie in den Antil- liſchen Inſeln zu verkaufen. Einer unſrer Lieutenants ward an dies kleine Fahr- zeug geſchickt, und hoͤrte vom Schiffer, daß er das unſrige fuͤr ein Franzoͤſiſches Oſt-Indiſches Schif gehalten, auch ſehr verlangte mit Engliſchen Oſt-India- fahrern zu handeln; weshalb ihm aber die neue Verordnung der Compagnie ei- nen Strich durch die Rechnung gemacht haͤtte. Er ſpeiſte mit unſern Officieren den folgenden Tag, ſeegelte aber am 31ſten bey Tagesanbruch ab. Am 30ſten fruͤh Morgens landeten wir zum zweeten mahl, und kamen, nachdem wir uͤber die Ebene gegangen, an einen fuͤrchterlichen Lava-Strom, darinn viele Canaͤle ſechs bis acht Ellen tief giengen, die den deutlichſten Kennzeichen zufolge, von gewaltigen Regenbaͤchen weggewaſchen oder gebaͤhnt worden; jetzt aber weil die Sonne in der noͤrdlichen Halbkugel ſtand, ganz ausgetrocknet waren. In dieſen Vertiefungen fanden wir eine geringe Quantitaͤt Erdreich, das aus einer ſchwarzen volkaniſchen Erde, und einer Miſchung von weißen ſandigten oder harten Theilchen beſtand. In dieſem trocknen Boden wuchs etwas Portulak, und eine Art von Gras (panicum ſanguineum). Nachdem wir endlich mit großer Muͤhe uͤber dieſen gewaltigen Lava-Strom geklettert waren, erreichten wir den Fuß des gruͤnen Berges, der, wie wir ſchon vom Schiffe im Hafen geſehn, ganz an- dre Beſtandtheile, als das uͤbrige Land hatte. Die naͤchſt umliegenden Theile der Lava waren mit einer erſtaunlichen Menge Portulak und einigen Stauden eines neuen Farrenkrauts (lonchitis adſcenſionis) bewachſen, davon ſich ver- ſchiedne Heerden wilder Ziegen naͤhrten. Der große Berg iſt unten in ver- ſchiedne Wurzeln durch große Kluͤfte abgetheilt, die aber oben alle zuſammen kom- men, und eine große Maſſe von betraͤchtlicher Hoͤhe bilden. Dieſer ganze Berg beſteht aus einem ſandigten, poroͤſen oder tuff artigen Kalkſtein, der vom Vol- kan nicht angegriffen worden, und vermuthlich noch vor dem Ausbruche exiſtirt hat. An den Seiten waͤchſt uͤberall ſehr haͤufig ein Gras das dieſer Inſel eigen iſt, und vom Ritter von Linné den Nahmen Ariſtida aſcenſionis bekommen hat. Wir ſahen auch hier etliche Heerden Ziegen, die aber wild und ſcheu wa- ren, und mit der groͤßten Schnelligkeit an den ſchrecklichſten Abgruͤnden fortlie- fen, wo man ihnen unmoͤglich folgen konnte. Der Schiffer des Neu-Yorkſchen Fahrzeuges verſicherte, es ſey auf dieſem Berge eine friſche Quelle befindlich, die 1775. May.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/464>, abgerufen am 13.05.2024.