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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1775.
May.
theilhaft fühlen ließen. Am folgenden Abend erschien dieselbe Gesellschaft wie-
der auf einem Ball, und wir fanden Ursache, ihre Lebhaftigkeit und Activität
um so mehr zu bewundern, weil sie in der kurzen Zwischenzeit wenig Erholung
genossen hatten. Die Frauenzimmer übertrafen die Mannspersonen weit an der
Zahl, ohngeachtet viele Officiere und Paßagiere von beyden Schiffen zugegen
waren. Man erzählte uns bey dieser Gelegenheit, daß auf der Insel, so wie
am Vorgebürge der guten Hofnung, ungleich mehr Mädchen als Knaben gebohren
würden. In der That verdiente es nähere Untersuchung, ob dies nicht jederzeit
in warmen Ländern der Fall sey, besonders weil man daraus wichtige Folgerun-
gen in Betracht der Heyrathsgesetze verschiedner Völker ziehen könnte. Das
Verhältnis der männlichen und weiblichen Geburten ist selbst in Europa noch
nicht allenthalben völlig bestimmt, noch einförmig befunden worden. In
Frankreich und England werden mehr Knaben gebohren, in Schweden aber
mehr Mädchen. Die Zahl der Einwohner in St. Helena übersteigt nicht 2000
Personen, ohngefehr 500 Soldaten und 600 Sklaven mit eingerechnet. Die
Insel hat etwa zwanzig Meilen im Umkreise und acht in ihrer größten Länge.
Die Ost-Indischen Schiffe, die hier anlegen, und für ihre Mannschaft Erfri-
schungen an Bord nehmen, versehen die Einwohner mit allerley Indianischen
Manufakturen. Auch läßt die Compagnie jährlich ein oder zwey Schiffe auf
der Hinreise nach Indien zu St. Helena anlegen, um dort den nöthigen Vorrath
von Europäischen Waaren und Lebensmitteln abzuliefern. Viele Sklaven be-
schäftigen sich stets mit der Fischerey, die längst den felsigten Ufern der Insel sehr
ergiebig ist; und auf diese Art nähren sich die Einwohner das ganze Jahr hindurch.
Zur Abwechslung giebt ihnen ihr Hornvieh und Federvieh, desgleichen verschiedne
Wurzeln statt des Brods, zuweilen auch englisches Pöckelfleisch hinlänglichen
Unterhalt. Und so scheint ihr Leben sehr glücklich in Ruhe und Zufriedenheit
dahin zu fließen, frey von den unzähligen Sorgen, die ihre Landsleute in Eng-
land
quälen.

Dieselbe Gesellschaft, die Abends am Ball gewesen, kam früh Morgens
in die Kirche. Herr Carr, ein verdienstvoller junger Mann, hielt eine gründ-
liche, seinen Kirchkindern angemessene Predigt, die uns eine sehr vortheilhafte
Meynung von ihm beybrachte. Wir speisten darauf nochmals beym Gouver-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1775.
May.
theilhaft fuͤhlen ließen. Am folgenden Abend erſchien dieſelbe Geſellſchaft wie-
der auf einem Ball, und wir fanden Urſache, ihre Lebhaftigkeit und Activitaͤt
um ſo mehr zu bewundern, weil ſie in der kurzen Zwiſchenzeit wenig Erholung
genoſſen hatten. Die Frauenzimmer uͤbertrafen die Mannsperſonen weit an der
Zahl, ohngeachtet viele Officiere und Paßagiere von beyden Schiffen zugegen
waren. Man erzaͤhlte uns bey dieſer Gelegenheit, daß auf der Inſel, ſo wie
am Vorgebuͤrge der guten Hofnung, ungleich mehr Maͤdchen als Knaben gebohren
wuͤrden. In der That verdiente es naͤhere Unterſuchung, ob dies nicht jederzeit
in warmen Laͤndern der Fall ſey, beſonders weil man daraus wichtige Folgerun-
gen in Betracht der Heyrathsgeſetze verſchiedner Voͤlker ziehen koͤnnte. Das
Verhaͤltnis der maͤnnlichen und weiblichen Geburten iſt ſelbſt in Europa noch
nicht allenthalben voͤllig beſtimmt, noch einfoͤrmig befunden worden. In
Frankreich und England werden mehr Knaben gebohren, in Schweden aber
mehr Maͤdchen. Die Zahl der Einwohner in St. Helena uͤberſteigt nicht 2000
Perſonen, ohngefehr 500 Soldaten und 600 Sklaven mit eingerechnet. Die
Inſel hat etwa zwanzig Meilen im Umkreiſe und acht in ihrer groͤßten Laͤnge.
Die Oſt-Indiſchen Schiffe, die hier anlegen, und fuͤr ihre Mannſchaft Erfri-
ſchungen an Bord nehmen, verſehen die Einwohner mit allerley Indianiſchen
Manufakturen. Auch laͤßt die Compagnie jaͤhrlich ein oder zwey Schiffe auf
der Hinreiſe nach Indien zu St. Helena anlegen, um dort den noͤthigen Vorrath
von Europaͤiſchen Waaren und Lebensmitteln abzuliefern. Viele Sklaven be-
ſchaͤftigen ſich ſtets mit der Fiſcherey, die laͤngſt den felſigten Ufern der Inſel ſehr
ergiebig iſt; und auf dieſe Art naͤhren ſich die Einwohner das ganze Jahr hindurch.
Zur Abwechslung giebt ihnen ihr Hornvieh und Federvieh, desgleichen verſchiedne
Wurzeln ſtatt des Brods, zuweilen auch engliſches Poͤckelfleiſch hinlaͤnglichen
Unterhalt. Und ſo ſcheint ihr Leben ſehr gluͤcklich in Ruhe und Zufriedenheit
dahin zu fließen, frey von den unzaͤhligen Sorgen, die ihre Landsleute in Eng-
land
quaͤlen.

Dieſelbe Geſellſchaft, die Abends am Ball geweſen, kam fruͤh Morgens
in die Kirche. Herr Carr, ein verdienſtvoller junger Mann, hielt eine gruͤnd-
liche, ſeinen Kirchkindern angemeſſene Predigt, die uns eine ſehr vortheilhafte
Meynung von ihm beybrachte. Wir ſpeiſten darauf nochmals beym Gouver-

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[442/0460] Forſter’s Reiſe um die Welt theilhaft fuͤhlen ließen. Am folgenden Abend erſchien dieſelbe Geſellſchaft wie- der auf einem Ball, und wir fanden Urſache, ihre Lebhaftigkeit und Activitaͤt um ſo mehr zu bewundern, weil ſie in der kurzen Zwiſchenzeit wenig Erholung genoſſen hatten. Die Frauenzimmer uͤbertrafen die Mannsperſonen weit an der Zahl, ohngeachtet viele Officiere und Paßagiere von beyden Schiffen zugegen waren. Man erzaͤhlte uns bey dieſer Gelegenheit, daß auf der Inſel, ſo wie am Vorgebuͤrge der guten Hofnung, ungleich mehr Maͤdchen als Knaben gebohren wuͤrden. In der That verdiente es naͤhere Unterſuchung, ob dies nicht jederzeit in warmen Laͤndern der Fall ſey, beſonders weil man daraus wichtige Folgerun- gen in Betracht der Heyrathsgeſetze verſchiedner Voͤlker ziehen koͤnnte. Das Verhaͤltnis der maͤnnlichen und weiblichen Geburten iſt ſelbſt in Europa noch nicht allenthalben voͤllig beſtimmt, noch einfoͤrmig befunden worden. In Frankreich und England werden mehr Knaben gebohren, in Schweden aber mehr Maͤdchen. Die Zahl der Einwohner in St. Helena uͤberſteigt nicht 2000 Perſonen, ohngefehr 500 Soldaten und 600 Sklaven mit eingerechnet. Die Inſel hat etwa zwanzig Meilen im Umkreiſe und acht in ihrer groͤßten Laͤnge. Die Oſt-Indiſchen Schiffe, die hier anlegen, und fuͤr ihre Mannſchaft Erfri- ſchungen an Bord nehmen, verſehen die Einwohner mit allerley Indianiſchen Manufakturen. Auch laͤßt die Compagnie jaͤhrlich ein oder zwey Schiffe auf der Hinreiſe nach Indien zu St. Helena anlegen, um dort den noͤthigen Vorrath von Europaͤiſchen Waaren und Lebensmitteln abzuliefern. Viele Sklaven be- ſchaͤftigen ſich ſtets mit der Fiſcherey, die laͤngſt den felſigten Ufern der Inſel ſehr ergiebig iſt; und auf dieſe Art naͤhren ſich die Einwohner das ganze Jahr hindurch. Zur Abwechslung giebt ihnen ihr Hornvieh und Federvieh, desgleichen verſchiedne Wurzeln ſtatt des Brods, zuweilen auch engliſches Poͤckelfleiſch hinlaͤnglichen Unterhalt. Und ſo ſcheint ihr Leben ſehr gluͤcklich in Ruhe und Zufriedenheit dahin zu fließen, frey von den unzaͤhligen Sorgen, die ihre Landsleute in Eng- land quaͤlen. 1775. May. Dieſelbe Geſellſchaft, die Abends am Ball geweſen, kam fruͤh Morgens in die Kirche. Herr Carr, ein verdienſtvoller junger Mann, hielt eine gruͤnd- liche, ſeinen Kirchkindern angemeſſene Predigt, die uns eine ſehr vortheilhafte Meynung von ihm beybrachte. Wir ſpeiſten darauf nochmals beym Gouver-

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/460>, abgerufen am 23.11.2024.