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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
der Musik ungleich weiter gekommen, als auf den Societäts und freundschaft-1774.
Novem-
ber.

lichen Inseln, und nächst den Neu-Seeländern haben, unter allen Nationen
der Südsee, meines Erachtens die Tanneser die mehreste Anlage zur Tonkunst.
Eben derselbe gütige und einsichtsvolle Freund der mir eine Probe von der Musik
in Tonga-Tabbu mittheilte, (erster Band S. 323) hat mir auch von den
Gesängen der Neu-Seeländer etwas zukommen lassen, woraus man den Ge-
schmak dieses Volks einigermaaßen wird beurtheilen können. In Tanna ist er
nicht gewesen, (denn er befand sich auf des Capitain Fourneaux Schiffe, Adven-
ture
), ich weiß also nicht, in wie fern sein Urtheil von den dortigen Gesängen mit
dem meinigen würde übereingestimmt haben. Von den Neu-Seeländischen
Melodien versicherte er aber, daß sie einiges Genie verriethen, und sich von dem
elenden Gesumme der Tahitter, so wie von dem auf vier Noten eingeschränkten
Gesang in den freundschaftlichen Eylanden, merklich auszeichneten.

[Abbildung]

Von dieser Melodie sangen sie die beyden ersten Tacte bis die Worte
des Liedes zu Ende waren, und dann folgte das letzte hinterdrein. Zuweilen
nahmen sie es auch doppelstimmig, mit Terzengängen, bis auf die zwo letzten No-
ten, welche im Unisono blieben:

[Abbildung]

Derselbe Freund, dem ich obige Bemerkungen zu verdanken habe, hörte
auch einen Trauer- oder Grabgesang, über das Absterben des Tupaia.
Die Einwohner um Tologa-Bay, auf der Nordlichen Insel von Neu-
Seeland
, welche besonders viel auf den Tupaia hielten, machten die-
ses Lied aus dem Stegereif, als ihnen die Mannschaft der Adventure von
dem Tode dieses Tahitiers Nachricht ertheilte. Die Worte sind äußerst
simpel, doch allem Anschein nach, metrisch, und zwar also geordnet,
daß ihr schwerfälliger Gang die Empfindung des Trauernden ausdrückt.


in den Jahren 1772 bis 1775.
der Muſik ungleich weiter gekommen, als auf den Societaͤts und freundſchaft-1774.
Novem-
ber.

lichen Inſeln, und naͤchſt den Neu-Seelaͤndern haben, unter allen Nationen
der Suͤdſee, meines Erachtens die Tanneſer die mehreſte Anlage zur Tonkunſt.
Eben derſelbe guͤtige und einſichtsvolle Freund der mir eine Probe von der Muſik
in Tonga-Tabbu mittheilte, (erſter Band S. 323) hat mir auch von den
Geſaͤngen der Neu-Seelaͤnder etwas zukommen laſſen, woraus man den Ge-
ſchmak dieſes Volks einigermaaßen wird beurtheilen koͤnnen. In Tanna iſt er
nicht geweſen, (denn er befand ſich auf des Capitain Fourneaux Schiffe, Adven-
ture
), ich weiß alſo nicht, in wie fern ſein Urtheil von den dortigen Geſaͤngen mit
dem meinigen wuͤrde uͤbereingeſtimmt haben. Von den Neu-Seelaͤndiſchen
Melodien verſicherte er aber, daß ſie einiges Genie verriethen, und ſich von dem
elenden Geſumme der Tahitter, ſo wie von dem auf vier Noten eingeſchraͤnkten
Geſang in den freundſchaftlichen Eylanden, merklich auszeichneten.

[Abbildung]

Von dieſer Melodie ſangen ſie die beyden erſten Tacte bis die Worte
des Liedes zu Ende waren, und dann folgte das letzte hinterdrein. Zuweilen
nahmen ſie es auch doppelſtimmig, mit Terzengaͤngen, bis auf die zwo letzten No-
ten, welche im Uniſono blieben:

[Abbildung]

Derſelbe Freund, dem ich obige Bemerkungen zu verdanken habe, hoͤrte
auch einen Trauer- oder Grabgeſang, uͤber das Abſterben des Tupaia.
Die Einwohner um Tologa-Bay, auf der Nordlichen Inſel von Neu-
Seeland
, welche beſonders viel auf den Tupaia hielten, machten die-
ſes Lied aus dem Stegereif, als ihnen die Mannſchaft der Adventure von
dem Tode dieſes Tahitiers Nachricht ertheilte. Die Worte ſind aͤußerſt
ſimpel, doch allem Anſchein nach, metriſch, und zwar alſo geordnet,
daß ihr ſchwerfaͤlliger Gang die Empfindung des Trauernden ausdruͤckt.


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[375/0393] in den Jahren 1772 bis 1775. der Muſik ungleich weiter gekommen, als auf den Societaͤts und freundſchaft- lichen Inſeln, und naͤchſt den Neu-Seelaͤndern haben, unter allen Nationen der Suͤdſee, meines Erachtens die Tanneſer die mehreſte Anlage zur Tonkunſt. Eben derſelbe guͤtige und einſichtsvolle Freund der mir eine Probe von der Muſik in Tonga-Tabbu mittheilte, (erſter Band S. 323) hat mir auch von den Geſaͤngen der Neu-Seelaͤnder etwas zukommen laſſen, woraus man den Ge- ſchmak dieſes Volks einigermaaßen wird beurtheilen koͤnnen. In Tanna iſt er nicht geweſen, (denn er befand ſich auf des Capitain Fourneaux Schiffe, Adven- ture), ich weiß alſo nicht, in wie fern ſein Urtheil von den dortigen Geſaͤngen mit dem meinigen wuͤrde uͤbereingeſtimmt haben. Von den Neu-Seelaͤndiſchen Melodien verſicherte er aber, daß ſie einiges Genie verriethen, und ſich von dem elenden Geſumme der Tahitter, ſo wie von dem auf vier Noten eingeſchraͤnkten Geſang in den freundſchaftlichen Eylanden, merklich auszeichneten. 1774. Novem- ber. [Abbildung] Von dieſer Melodie ſangen ſie die beyden erſten Tacte bis die Worte des Liedes zu Ende waren, und dann folgte das letzte hinterdrein. Zuweilen nahmen ſie es auch doppelſtimmig, mit Terzengaͤngen, bis auf die zwo letzten No- ten, welche im Uniſono blieben: [Abbildung] Derſelbe Freund, dem ich obige Bemerkungen zu verdanken habe, hoͤrte auch einen Trauer- oder Grabgeſang, uͤber das Abſterben des Tupaia. Die Einwohner um Tologa-Bay, auf der Nordlichen Inſel von Neu- Seeland, welche beſonders viel auf den Tupaia hielten, machten die- ſes Lied aus dem Stegereif, als ihnen die Mannſchaft der Adventure von dem Tode dieſes Tahitiers Nachricht ertheilte. Die Worte ſind aͤußerſt ſimpel, doch allem Anſchein nach, metriſch, und zwar alſo geordnet, daß ihr ſchwerfaͤlliger Gang die Empfindung des Trauernden ausdruͤckt.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/393>, abgerufen am 20.05.2024.