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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
October.
ten fort ruderten, so bald sie das Boot der Adventure gewahr wurden. Die
Unsrigen ruderten tapfer hinterdrein; allein, aus Besorgniß eingehohlt zu wer-
den, sprangen die Neu-Seeländer sämtlich ins Wasser und schwammen nach
dem Ufer zu. Herrn Burney kam diese ungewöhnliche Furcht der Wilden sehr
befremdend vor; doch, als er das ledige Canot erreicht hatte, sahe er leider nur
zu deutlich was vorgefallen war. Er fand nämlich in diesem Fahrzeuge ver-
schiedene zerfezte Gliedmaaßen seiner Schifs-Cameraden, und einige ihrer Klei-
dungs-Stücke. Nach dieser traurigen Entdeckung ruderten sie noch eine Zeit-
lang umher, ohne von den Indianern etwas ansichtig zu werden, bis sie um
ein Uhr in Gras-Cove, als dem eigentlichen Landungsort der verunglückten
Mannschaft, ankamen. Hier war eine große Anzahl von Indianern versamm-
let, die sich, wieder ihre Gewohnheit, beym Anblick der Europäer sogleich
in wehrhafte Verfassung sezten. Der seitwärts gelegene Berg wimmelte
von Menschen, und an vielen Orten stieg ein Rauch auf, der vermuthen
ließ, daß das Fleisch der erschlagnen Europäer schon zu einer festlichen Mahl-
zeit zubereitet werde! Dieser Gedanke erfüllte selbst die hartherzigsten Matro-
sen mit Grausen und machte ihnen das Blut in allen Adern starren; doch, im
nächsten Augenblick entbrannte ihre Rachgier, und die Vernunft mußte unter
diesem mächtigen Instinct erliegen. Sie feuerten und tödteten viele von den
Wilden, trieben sie auch zuletzt, wiewohl nicht ohne Mühe, vom Strande, und
schlugen ihre Canots in Trümmern. Nunmehro, da sie sich sicher dünkten,
stiegen sie ans Land, und durchsuchten die Hütten. Sie fanden mehrere Bün-
del Löffelkraut, welche ihre unglücklichen Cameraden schon zusammengebunden
haben mußten und sahen viele Körbe voll zerstückter und zerstümmelter Glie-
der, unter welchen sie die Hand des armen Rowe deutlich erkannten. Die
Hunde der Neu-Seeländer fraßen indeß am Strande von den herumliegenden
Eingeweiden! Von dem Schifs-Boote waren nur wenige einzelne Stücke zu sehen;
Herr Burney vermuthete daher, daß die Wilden es zerschlagen haben möchten,
um die Nägel herauszuziehn, auch ists nicht unwahrscheinlich, daß die Un-
glücklichen, die hier ums Leben gekommen, ihr Boot bey ablaufender Ebbe
auf dem trocknen Boden sitzen lassen, und folglich sich selbst das letzte Mittel
benommen hatten, ihrem traurigen Schicksal durch die Flucht zu entrinnen. Nach

einem

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
October.
ten fort ruderten, ſo bald ſie das Boot der Adventure gewahr wurden. Die
Unſrigen ruderten tapfer hinterdrein; allein, aus Beſorgniß eingehohlt zu wer-
den, ſprangen die Neu-Seelaͤnder ſaͤmtlich ins Waſſer und ſchwammen nach
dem Ufer zu. Herrn Burney kam dieſe ungewoͤhnliche Furcht der Wilden ſehr
befremdend vor; doch, als er das ledige Canot erreicht hatte, ſahe er leider nur
zu deutlich was vorgefallen war. Er fand naͤmlich in dieſem Fahrzeuge ver-
ſchiedene zerfezte Gliedmaaßen ſeiner Schifs-Cameraden, und einige ihrer Klei-
dungs-Stuͤcke. Nach dieſer traurigen Entdeckung ruderten ſie noch eine Zeit-
lang umher, ohne von den Indianern etwas anſichtig zu werden, bis ſie um
ein Uhr in Gras-Cove, als dem eigentlichen Landungsort der verungluͤckten
Mannſchaft, ankamen. Hier war eine große Anzahl von Indianern verſamm-
let, die ſich, wieder ihre Gewohnheit, beym Anblick der Europaͤer ſogleich
in wehrhafte Verfaſſung ſezten. Der ſeitwaͤrts gelegene Berg wimmelte
von Menſchen, und an vielen Orten ſtieg ein Rauch auf, der vermuthen
ließ, daß das Fleiſch der erſchlagnen Europaͤer ſchon zu einer feſtlichen Mahl-
zeit zubereitet werde! Dieſer Gedanke erfuͤllte ſelbſt die hartherzigſten Matro-
ſen mit Grauſen und machte ihnen das Blut in allen Adern ſtarren; doch, im
naͤchſten Augenblick entbrannte ihre Rachgier, und die Vernunft mußte unter
dieſem maͤchtigen Inſtinct erliegen. Sie feuerten und toͤdteten viele von den
Wilden, trieben ſie auch zuletzt, wiewohl nicht ohne Muͤhe, vom Strande, und
ſchlugen ihre Canots in Truͤmmern. Nunmehro, da ſie ſich ſicher duͤnkten,
ſtiegen ſie ans Land, und durchſuchten die Huͤtten. Sie fanden mehrere Buͤn-
del Loͤffelkraut, welche ihre ungluͤcklichen Cameraden ſchon zuſammengebunden
haben mußten und ſahen viele Koͤrbe voll zerſtuͤckter und zerſtuͤmmelter Glie-
der, unter welchen ſie die Hand des armen Rowe deutlich erkannten. Die
Hunde der Neu-Seelaͤnder fraßen indeß am Strande von den herumliegenden
Eingeweiden! Von dem Schifs-Boote waren nur wenige einzelne Stuͤcke zu ſehen;
Herr Burney vermuthete daher, daß die Wilden es zerſchlagen haben moͤchten,
um die Naͤgel herauszuziehn, auch iſts nicht unwahrſcheinlich, daß die Un-
gluͤcklichen, die hier ums Leben gekommen, ihr Boot bey ablaufender Ebbe
auf dem trocknen Boden ſitzen laſſen, und folglich ſich ſelbſt das letzte Mittel
benommen hatten, ihrem traurigen Schickſal durch die Flucht zu entrinnen. Nach

einem
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[360/0378] Forſter’s Reiſe um die Welt ten fort ruderten, ſo bald ſie das Boot der Adventure gewahr wurden. Die Unſrigen ruderten tapfer hinterdrein; allein, aus Beſorgniß eingehohlt zu wer- den, ſprangen die Neu-Seelaͤnder ſaͤmtlich ins Waſſer und ſchwammen nach dem Ufer zu. Herrn Burney kam dieſe ungewoͤhnliche Furcht der Wilden ſehr befremdend vor; doch, als er das ledige Canot erreicht hatte, ſahe er leider nur zu deutlich was vorgefallen war. Er fand naͤmlich in dieſem Fahrzeuge ver- ſchiedene zerfezte Gliedmaaßen ſeiner Schifs-Cameraden, und einige ihrer Klei- dungs-Stuͤcke. Nach dieſer traurigen Entdeckung ruderten ſie noch eine Zeit- lang umher, ohne von den Indianern etwas anſichtig zu werden, bis ſie um ein Uhr in Gras-Cove, als dem eigentlichen Landungsort der verungluͤckten Mannſchaft, ankamen. Hier war eine große Anzahl von Indianern verſamm- let, die ſich, wieder ihre Gewohnheit, beym Anblick der Europaͤer ſogleich in wehrhafte Verfaſſung ſezten. Der ſeitwaͤrts gelegene Berg wimmelte von Menſchen, und an vielen Orten ſtieg ein Rauch auf, der vermuthen ließ, daß das Fleiſch der erſchlagnen Europaͤer ſchon zu einer feſtlichen Mahl- zeit zubereitet werde! Dieſer Gedanke erfuͤllte ſelbſt die hartherzigſten Matro- ſen mit Grauſen und machte ihnen das Blut in allen Adern ſtarren; doch, im naͤchſten Augenblick entbrannte ihre Rachgier, und die Vernunft mußte unter dieſem maͤchtigen Inſtinct erliegen. Sie feuerten und toͤdteten viele von den Wilden, trieben ſie auch zuletzt, wiewohl nicht ohne Muͤhe, vom Strande, und ſchlugen ihre Canots in Truͤmmern. Nunmehro, da ſie ſich ſicher duͤnkten, ſtiegen ſie ans Land, und durchſuchten die Huͤtten. Sie fanden mehrere Buͤn- del Loͤffelkraut, welche ihre ungluͤcklichen Cameraden ſchon zuſammengebunden haben mußten und ſahen viele Koͤrbe voll zerſtuͤckter und zerſtuͤmmelter Glie- der, unter welchen ſie die Hand des armen Rowe deutlich erkannten. Die Hunde der Neu-Seelaͤnder fraßen indeß am Strande von den herumliegenden Eingeweiden! Von dem Schifs-Boote waren nur wenige einzelne Stuͤcke zu ſehen; Herr Burney vermuthete daher, daß die Wilden es zerſchlagen haben moͤchten, um die Naͤgel herauszuziehn, auch iſts nicht unwahrſcheinlich, daß die Un- gluͤcklichen, die hier ums Leben gekommen, ihr Boot bey ablaufender Ebbe auf dem trocknen Boden ſitzen laſſen, und folglich ſich ſelbſt das letzte Mittel benommen hatten, ihrem traurigen Schickſal durch die Flucht zu entrinnen. Nach einem 1774. October.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/378>, abgerufen am 24.11.2024.