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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
diesen Artikeln niemand mehr etwas begehrte, kehrten sie nach dem Ufer zurück.1774.
October.

Ein Theil unsrer Mannschaft war daselbst mit Wasserfüllen, Holhauen, u. d. g.
Arbeiten beschäftigt, auch hatte Herr Wales, seine Sternwarte dort aufgerich-
tet; hier boten sie ihre Kostbarkeiten von neuem aus und nahmen, nach einem
so wohl angewandten Tage, das Nachtquartier auf dem nächsten Strande.
Am folgenden Morgen giengen sie unserntwegen wieder auf den Fischfang und
versorgten uns, Tag für Tag, so reichlich, daß wir stets frischen Vorrath hatten.
Die mehreste Zeit über und am liebsten hielten sie sich bey den Arbeitern am
Strande auf, weil verschiedene von selbigen, vornemlich ein paar See-Soldaten,
Vergnügen daran fanden, Stunden lang mit ihnen zu sprechen, so gut es ihre
Kenntnis der hiesigen Sprache erlaubte. Dieser vertraute Umgang machte die
Indianer in kurzem so offenherzig, daß sie ihren neuen europäischen Freunden
eine Geschichte erzählten, die uns allen sehr auffallend vorkam. Es habe
nehmlich, sagten sie, vor einiger Zeit ein fremdes Schiff allhier vor Anker
gelegen, dessen ganze Mannschaft, in einem Treffen mit den Einwohnern, er-
schlagen und gefressen worden wäre! Diese Nachricht klang fürchterlich genug
um uns zu erschrecken, zumahl da wir befürchten mußten, daß die Adventure
damit gemeynt sey. Um mehr Licht davon zu bekommen, fragten wir die Wilden
nach verschiedenen einzelnen Umständen und entdeckten bald dies, bald jenes,
wodurch unsre Vermuthung immer mehr ausser Zweifel gesetzt ward. Endlich
merkten sie, daß dieser Gegenstand uns ganz besonders am Herzen liegen müsse,
weil wir gar nicht aufhörten sie darüber auszufragen; sie weigerten sich also auf
einmahl, ein mehreres davon zu sagen, und stopften sogar einem ihrer Landsleute,
durch Drohungen, den Mund, da er eben im Begrif war uns den ganzen Verlauf
nochmahls im Zusammenhange zu erzählen. Dies machte Capitain Cook immer
begieriger etwas zuverläßiges vom Schicksal der Adventure zu wissen; er rief
deshalb den Piterre, nebst noch einem andern Wilden, in die Kajüte, und versuch-
te, sich so deutlich als möglich gegen sie zu erklären. Allein, beyde läugneten, daß
den Europäern das geringste zu Leide geschehen sey. Indessen war noch die Fra-
ge, ob sie auch recht verstanden was wir eigentlich von ihnen zu wissen ver-
langten, und ob wir ihnen den Innhalt unsrer Frage nicht deutlicher und anschauli-
cher machen müßten? Diesen Endzweck zu erreichen schnitten wir zwey Stückchen

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in den Jahren 1772 bis 1775.
dieſen Artikeln niemand mehr etwas begehrte, kehrten ſie nach dem Ufer zuruͤck.1774.
October.

Ein Theil unſrer Mannſchaft war daſelbſt mit Waſſerfuͤllen, Holhauen, u. d. g.
Arbeiten beſchaͤftigt, auch hatte Herr Wales, ſeine Sternwarte dort aufgerich-
tet; hier boten ſie ihre Koſtbarkeiten von neuem aus und nahmen, nach einem
ſo wohl angewandten Tage, das Nachtquartier auf dem naͤchſten Strande.
Am folgenden Morgen giengen ſie unſerntwegen wieder auf den Fiſchfang und
verſorgten uns, Tag fuͤr Tag, ſo reichlich, daß wir ſtets friſchen Vorrath hatten.
Die mehreſte Zeit uͤber und am liebſten hielten ſie ſich bey den Arbeitern am
Strande auf, weil verſchiedene von ſelbigen, vornemlich ein paar See-Soldaten,
Vergnuͤgen daran fanden, Stunden lang mit ihnen zu ſprechen, ſo gut es ihre
Kenntnis der hieſigen Sprache erlaubte. Dieſer vertraute Umgang machte die
Indianer in kurzem ſo offenherzig, daß ſie ihren neuen europaͤiſchen Freunden
eine Geſchichte erzaͤhlten, die uns allen ſehr auffallend vorkam. Es habe
nehmlich, ſagten ſie, vor einiger Zeit ein fremdes Schiff allhier vor Anker
gelegen, deſſen ganze Mannſchaft, in einem Treffen mit den Einwohnern, er-
ſchlagen und gefreſſen worden waͤre! Dieſe Nachricht klang fuͤrchterlich genug
um uns zu erſchrecken, zumahl da wir befuͤrchten mußten, daß die Adventure
damit gemeynt ſey. Um mehr Licht davon zu bekommen, fragten wir die Wilden
nach verſchiedenen einzelnen Umſtaͤnden und entdeckten bald dies, bald jenes,
wodurch unſre Vermuthung immer mehr auſſer Zweifel geſetzt ward. Endlich
merkten ſie, daß dieſer Gegenſtand uns ganz beſonders am Herzen liegen muͤſſe,
weil wir gar nicht aufhoͤrten ſie daruͤber auszufragen; ſie weigerten ſich alſo auf
einmahl, ein mehreres davon zu ſagen, und ſtopften ſogar einem ihrer Landsleute,
durch Drohungen, den Mund, da er eben im Begrif war uns den ganzen Verlauf
nochmahls im Zuſammenhange zu erzaͤhlen. Dies machte Capitain Cook immer
begieriger etwas zuverlaͤßiges vom Schickſal der Adventure zu wiſſen; er rief
deshalb den Piterré, nebſt noch einem andern Wilden, in die Kajuͤte, und verſuch-
te, ſich ſo deutlich als moͤglich gegen ſie zu erklaͤren. Allein, beyde laͤugneten, daß
den Europaͤern das geringſte zu Leide geſchehen ſey. Indeſſen war noch die Fra-
ge, ob ſie auch recht verſtanden was wir eigentlich von ihnen zu wiſſen ver-
langten, und ob wir ihnen den Innhalt unſrer Frage nicht deutlicher und anſchauli-
cher machen muͤßten? Dieſen Endzweck zu erreichen ſchnitten wir zwey Stuͤckchen

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[357/0375] in den Jahren 1772 bis 1775. dieſen Artikeln niemand mehr etwas begehrte, kehrten ſie nach dem Ufer zuruͤck. Ein Theil unſrer Mannſchaft war daſelbſt mit Waſſerfuͤllen, Holhauen, u. d. g. Arbeiten beſchaͤftigt, auch hatte Herr Wales, ſeine Sternwarte dort aufgerich- tet; hier boten ſie ihre Koſtbarkeiten von neuem aus und nahmen, nach einem ſo wohl angewandten Tage, das Nachtquartier auf dem naͤchſten Strande. Am folgenden Morgen giengen ſie unſerntwegen wieder auf den Fiſchfang und verſorgten uns, Tag fuͤr Tag, ſo reichlich, daß wir ſtets friſchen Vorrath hatten. Die mehreſte Zeit uͤber und am liebſten hielten ſie ſich bey den Arbeitern am Strande auf, weil verſchiedene von ſelbigen, vornemlich ein paar See-Soldaten, Vergnuͤgen daran fanden, Stunden lang mit ihnen zu ſprechen, ſo gut es ihre Kenntnis der hieſigen Sprache erlaubte. Dieſer vertraute Umgang machte die Indianer in kurzem ſo offenherzig, daß ſie ihren neuen europaͤiſchen Freunden eine Geſchichte erzaͤhlten, die uns allen ſehr auffallend vorkam. Es habe nehmlich, ſagten ſie, vor einiger Zeit ein fremdes Schiff allhier vor Anker gelegen, deſſen ganze Mannſchaft, in einem Treffen mit den Einwohnern, er- ſchlagen und gefreſſen worden waͤre! Dieſe Nachricht klang fuͤrchterlich genug um uns zu erſchrecken, zumahl da wir befuͤrchten mußten, daß die Adventure damit gemeynt ſey. Um mehr Licht davon zu bekommen, fragten wir die Wilden nach verſchiedenen einzelnen Umſtaͤnden und entdeckten bald dies, bald jenes, wodurch unſre Vermuthung immer mehr auſſer Zweifel geſetzt ward. Endlich merkten ſie, daß dieſer Gegenſtand uns ganz beſonders am Herzen liegen muͤſſe, weil wir gar nicht aufhoͤrten ſie daruͤber auszufragen; ſie weigerten ſich alſo auf einmahl, ein mehreres davon zu ſagen, und ſtopften ſogar einem ihrer Landsleute, durch Drohungen, den Mund, da er eben im Begrif war uns den ganzen Verlauf nochmahls im Zuſammenhange zu erzaͤhlen. Dies machte Capitain Cook immer begieriger etwas zuverlaͤßiges vom Schickſal der Adventure zu wiſſen; er rief deshalb den Piterré, nebſt noch einem andern Wilden, in die Kajuͤte, und verſuch- te, ſich ſo deutlich als moͤglich gegen ſie zu erklaͤren. Allein, beyde laͤugneten, daß den Europaͤern das geringſte zu Leide geſchehen ſey. Indeſſen war noch die Fra- ge, ob ſie auch recht verſtanden was wir eigentlich von ihnen zu wiſſen ver- langten, und ob wir ihnen den Innhalt unſrer Frage nicht deutlicher und anſchauli- cher machen muͤßten? Dieſen Endzweck zu erreichen ſchnitten wir zwey Stuͤckchen 1774. October. Y y 3

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/375>, abgerufen am 20.05.2024.