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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
Septem-
ber.
ernsthaft zu seyn, klang aber doch ganz sanft, und ward zuweilen mit lauter
Stimme vorgetragen. Hin und wieder mochte der Redner Fragen vorlegen,
wenigstens hielt er inne, und einige alte Männer aus dem Haufen antworteten
alsdenn jedesmal. Die ganze Rede dauerte zwo bis drey Minuten. Bald dar-
auf kam ein andrer angesehener Mann, oder Befehlshaber, der auf eben die Art
eine Rede hielt, und nun mischten wir uns ohne Bedenken unter die Versamm-
lung, um ihre Waffen und Zierrathen näher in Augenschein zu nehmen. Vor
allen Dingen erkundigten wir uns durch Zeichen, ob frisches Wasser zu haben wä-
re? worauf ein Theil gegen Westen, der größte Haufen aber nach Osten hin zeigte.
Diese Indianer waren durchgehends von großer Statur, sonst aber von denen,
die uns zuvor an Bord besucht hatten, in keinem wesentlichen Stück unterschie-
den. Das einzige, was ich vorher noch nicht wahrgenommen hatte, bestand darin,
daß manchen die Aerme und Füße ungewöhnlich dick geschwollen, und mit einer Art
von Aussatz behaftet waren. Einige trugen das Haar auf dem Scheitel zusammen
gebunden, andre ließen es nur an den Seiten wachsen, und hatten das übrige
abgeschnitten. Noch andre sahen wie Neger aus, wozu ihre platte Nase und
aufgeworfne Lippen nicht wenig beytrugen. Statt aller Kleidungsstücke trugen
sie blos eine Schnur um den Leib und eine andre um den Hals. Die Männer
hatten die Zeugungstheile in ein klein Stückchen braunen Zeuges, das aus der
Rinde eines Feigenbaums verfertigt war, eingewickelt, und diese runde Wulst
entweder an der Gürtel-Schnur in die Höhe aufgezogen, oder unterwärts frey
herabhängen. So sittsam das auch gemeynt seyn mochte; so konnten wir Eu-
ropäer, unsern vaterländischen Begriffen nach, es doch eben so wenig züchtig
und ehrbar nennen, als die ähnliche Tracht der Mallicolleser, bey welcher das,
was eigentlich versteckt werden sollte, vielmehr recht sichtbar gemacht wurde.
In der That sah auch jeder Einwohner dieses Landes, gleich den Tannesern und
Mallicollesern, leibhaftig wie ein herumwandernder Priap aus. Indessen sind
die Begriffe von Schaam freylich in allen Ländern verschieden, und ändern sich auch
von Zeit zu Zeit. Wo z. E. jedermann unbekleidet gehet, wie auf Neu-Holland, *)

*) Die Einwohner von Neu-Holland, beyderley Geschlechts, gehen mutternackt, ohne sich
aus Trieb zur Schaamhaftigkeit im geringsten zu bedecken. S. Hawkesworth's Ge-
schichte der engl. See-Reisen, gr. 4. 3ter Band, Seite 83 etc. etc. 233.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Septem-
ber.
ernſthaft zu ſeyn, klang aber doch ganz ſanft, und ward zuweilen mit lauter
Stimme vorgetragen. Hin und wieder mochte der Redner Fragen vorlegen,
wenigſtens hielt er inne, und einige alte Maͤnner aus dem Haufen antworteten
alsdenn jedesmal. Die ganze Rede dauerte zwo bis drey Minuten. Bald dar-
auf kam ein andrer angeſehener Mann, oder Befehlshaber, der auf eben die Art
eine Rede hielt, und nun miſchten wir uns ohne Bedenken unter die Verſamm-
lung, um ihre Waffen und Zierrathen naͤher in Augenſchein zu nehmen. Vor
allen Dingen erkundigten wir uns durch Zeichen, ob friſches Waſſer zu haben waͤ-
re? worauf ein Theil gegen Weſten, der groͤßte Haufen aber nach Oſten hin zeigte.
Dieſe Indianer waren durchgehends von großer Statur, ſonſt aber von denen,
die uns zuvor an Bord beſucht hatten, in keinem weſentlichen Stuͤck unterſchie-
den. Das einzige, was ich vorher noch nicht wahrgenommen hatte, beſtand darin,
daß manchen die Aerme und Fuͤße ungewoͤhnlich dick geſchwollen, und mit einer Art
von Ausſatz behaftet waren. Einige trugen das Haar auf dem Scheitel zuſammen
gebunden, andre ließen es nur an den Seiten wachſen, und hatten das uͤbrige
abgeſchnitten. Noch andre ſahen wie Neger aus, wozu ihre platte Naſe und
aufgeworfne Lippen nicht wenig beytrugen. Statt aller Kleidungsſtuͤcke trugen
ſie blos eine Schnur um den Leib und eine andre um den Hals. Die Maͤnner
hatten die Zeugungstheile in ein klein Stuͤckchen braunen Zeuges, das aus der
Rinde eines Feigenbaums verfertigt war, eingewickelt, und dieſe runde Wulſt
entweder an der Guͤrtel-Schnur in die Hoͤhe aufgezogen, oder unterwaͤrts frey
herabhaͤngen. So ſittſam das auch gemeynt ſeyn mochte; ſo konnten wir Eu-
ropaͤer, unſern vaterlaͤndiſchen Begriffen nach, es doch eben ſo wenig zuͤchtig
und ehrbar nennen, als die aͤhnliche Tracht der Mallicolleſer, bey welcher das,
was eigentlich verſteckt werden ſollte, vielmehr recht ſichtbar gemacht wurde.
In der That ſah auch jeder Einwohner dieſes Landes, gleich den Tanneſern und
Mallicolleſern, leibhaftig wie ein herumwandernder Priap aus. Indeſſen ſind
die Begriffe von Schaam freylich in allen Laͤndern verſchieden, und aͤndern ſich auch
von Zeit zu Zeit. Wo z. E. jedermann unbekleidet gehet, wie auf Neu-Holland, *)

*) Die Einwohner von Neu-Holland, beyderley Geſchlechts, gehen mutternackt, ohne ſich
aus Trieb zur Schaamhaftigkeit im geringſten zu bedecken. S. Hawkesworth’s Ge-
ſchichte der engl. See-Reiſen, gr. 4. 3ter Band, Seite 83 ꝛc. ꝛc. 233.
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[302/0316] Forſter’s Reiſe um die Welt ernſthaft zu ſeyn, klang aber doch ganz ſanft, und ward zuweilen mit lauter Stimme vorgetragen. Hin und wieder mochte der Redner Fragen vorlegen, wenigſtens hielt er inne, und einige alte Maͤnner aus dem Haufen antworteten alsdenn jedesmal. Die ganze Rede dauerte zwo bis drey Minuten. Bald dar- auf kam ein andrer angeſehener Mann, oder Befehlshaber, der auf eben die Art eine Rede hielt, und nun miſchten wir uns ohne Bedenken unter die Verſamm- lung, um ihre Waffen und Zierrathen naͤher in Augenſchein zu nehmen. Vor allen Dingen erkundigten wir uns durch Zeichen, ob friſches Waſſer zu haben waͤ- re? worauf ein Theil gegen Weſten, der groͤßte Haufen aber nach Oſten hin zeigte. Dieſe Indianer waren durchgehends von großer Statur, ſonſt aber von denen, die uns zuvor an Bord beſucht hatten, in keinem weſentlichen Stuͤck unterſchie- den. Das einzige, was ich vorher noch nicht wahrgenommen hatte, beſtand darin, daß manchen die Aerme und Fuͤße ungewoͤhnlich dick geſchwollen, und mit einer Art von Ausſatz behaftet waren. Einige trugen das Haar auf dem Scheitel zuſammen gebunden, andre ließen es nur an den Seiten wachſen, und hatten das uͤbrige abgeſchnitten. Noch andre ſahen wie Neger aus, wozu ihre platte Naſe und aufgeworfne Lippen nicht wenig beytrugen. Statt aller Kleidungsſtuͤcke trugen ſie blos eine Schnur um den Leib und eine andre um den Hals. Die Maͤnner hatten die Zeugungstheile in ein klein Stuͤckchen braunen Zeuges, das aus der Rinde eines Feigenbaums verfertigt war, eingewickelt, und dieſe runde Wulſt entweder an der Guͤrtel-Schnur in die Hoͤhe aufgezogen, oder unterwaͤrts frey herabhaͤngen. So ſittſam das auch gemeynt ſeyn mochte; ſo konnten wir Eu- ropaͤer, unſern vaterlaͤndiſchen Begriffen nach, es doch eben ſo wenig zuͤchtig und ehrbar nennen, als die aͤhnliche Tracht der Mallicolleſer, bey welcher das, was eigentlich verſteckt werden ſollte, vielmehr recht ſichtbar gemacht wurde. In der That ſah auch jeder Einwohner dieſes Landes, gleich den Tanneſern und Mallicolleſern, leibhaftig wie ein herumwandernder Priap aus. Indeſſen ſind die Begriffe von Schaam freylich in allen Laͤndern verſchieden, und aͤndern ſich auch von Zeit zu Zeit. Wo z. E. jedermann unbekleidet gehet, wie auf Neu-Holland, *) 1774. Septem- ber. *) Die Einwohner von Neu-Holland, beyderley Geſchlechts, gehen mutternackt, ohne ſich aus Trieb zur Schaamhaftigkeit im geringſten zu bedecken. S. Hawkesworth’s Ge- ſchichte der engl. See-Reiſen, gr. 4. 3ter Band, Seite 83 ꝛc. ꝛc. 233.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/316>, abgerufen am 27.11.2024.