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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
hörte, brachte uns zwar auf die Vermuthung, daß dort im Walde irgendwo ein1774.
August.

gottesdienstlicher Versammlungs-Platz befindlich sey, doch konnten wir es nicht
zur Gewißheit bringen, weil uns die Einwohner allemahl sorgfältig von dieser
Gegend zu entfernen suchten. In ihrem übrigen Betragen war ebenfalls nicht
die geringfte Spur einer äusserlichen Gottesverehrung, nirgends etwas andäch-
tiges, sogar nichts abergläubisches zu entdecken, man müßte ihnen denn die Gewohn-
heit dazu aurechnen wollen, daß sie das was wir ihnen schenkten, nicht mit bloßen
Händen, sondern vermittelst eines frischen Blattes anzurühren pflegten: Allein,
auch dieser Umstand ward bey weitem nicht durchgehends beobachtet und
fast gänzlich unterlassen, sobald wir nur einigermaaßen mit einander bekannt
wurden. Indessen wird freylich auch dieses Volk nicht ganz ohne Religion seyn,
denn der Gedancke vom Daseyn eines höchsten Wesens findet sich gewiß schon
bey dem rohesten Wilden, nur daß seine unmittelbaren Bedürfnisse ihn dann
noch abhalten demselben weiter nachzuhängen; können diese erst mit we-
niger Mühe und in kürzerer Zeit befriedigt werden, dann entwickelt sich auch die
denckende Kraft des Menschen bald genug, und erhebt sich endlich in ihren Un-
tersuchungen bis jenseits der Körperwelt. So hängt selbst das Wachsthum der Got-
tes-Erkenntniß von dem Fortgange der Civilisation ab!

Gewissere und wichtigere Beobachtungen, oder gar, einen vollständigen Abriß
vom ganzen Umfang der Kenntnisse dieser Insulaner, wird hoffentlich niemand er-
warten oder fordern, der die kurze Dauer unsers hiesigen Aufenthalts und die Hinder-
nisse bedenkt, welche das Mistrauen der Einwohner uns aufänglich in den Weg legte.
Diesen allein ist es beyzumessen, daß so manche Puncte, besonders die im häusli-
chen Leben eingeführten Gebräuche, uns gänzlich unbekannt geblieben sind. Bey
feyerlichen Gelegenheiten, z. B. bey Heyrathen, Geburten und Todesfällen, pflegen
alle Völcker gewisse besondere Ceremonien zu beobachten, und diese mögen in
Tanna so einfach als möglich seyn; so werden sie dennoch das ihrige beytragen,
den noch nicht genugsam bekannten Character dieser Nation näher zu bestimmen. *)

*) Capitain Cook hat gleichwohl, auf einem Spatziergange, eine Begräbniß-Hütte entdeckt. Sie
war viel kleiner als die gewöhnlichen Wohnhütten und stand innerhalb einer Pflan-
zung. Er war neugierig sie in näheren Augenschein zu nehmen und beredete einen Alten
mit ihm hineinzugehen. In einer Entfernung von vier bis fünf Fuß, war sie ringsumher

in den Jahren 1772 bis 1775.
hoͤrte, brachte uns zwar auf die Vermuthung, daß dort im Walde irgendwo ein1774.
Auguſt.

gottesdienſtlicher Verſammlungs-Platz befindlich ſey, doch konnten wir es nicht
zur Gewißheit bringen, weil uns die Einwohner allemahl ſorgfaͤltig von dieſer
Gegend zu entfernen ſuchten. In ihrem uͤbrigen Betragen war ebenfalls nicht
die geringfte Spur einer aͤuſſerlichen Gottesverehrung, nirgends etwas andaͤch-
tiges, ſogar nichts aberglaͤubiſches zu entdecken, man muͤßte ihnen denn die Gewohn-
heit dazu aurechnen wollen, daß ſie das was wir ihnen ſchenkten, nicht mit bloßen
Haͤnden, ſondern vermittelſt eines friſchen Blattes anzuruͤhren pflegten: Allein,
auch dieſer Umſtand ward bey weitem nicht durchgehends beobachtet und
faſt gaͤnzlich unterlaſſen, ſobald wir nur einigermaaßen mit einander bekannt
wurden. Indeſſen wird freylich auch dieſes Volk nicht ganz ohne Religion ſeyn,
denn der Gedancke vom Daſeyn eines hoͤchſten Weſens findet ſich gewiß ſchon
bey dem roheſten Wilden, nur daß ſeine unmittelbaren Beduͤrfniſſe ihn dann
noch abhalten demſelben weiter nachzuhaͤngen; koͤnnen dieſe erſt mit we-
niger Muͤhe und in kuͤrzerer Zeit befriedigt werden, dann entwickelt ſich auch die
denckende Kraft des Menſchen bald genug, und erhebt ſich endlich in ihren Un-
terſuchungen bis jenſeits der Koͤrperwelt. So haͤngt ſelbſt das Wachsthum der Got-
tes-Erkenntniß von dem Fortgange der Civiliſation ab!

Gewiſſere und wichtigere Beobachtungen, oder gar, einen vollſtaͤndigen Abriß
vom ganzen Umfang der Kenntniſſe dieſer Inſulaner, wird hoffentlich niemand er-
warten oder fordern, der die kurze Dauer unſers hieſigen Aufenthalts und die Hinder-
niſſe bedenkt, welche das Mistrauen der Einwohner uns aufaͤnglich in den Weg legte.
Dieſen allein iſt es beyzumeſſen, daß ſo manche Puncte, beſonders die im haͤusli-
chen Leben eingefuͤhrten Gebraͤuche, uns gaͤnzlich unbekannt geblieben ſind. Bey
feyerlichen Gelegenheiten, z. B. bey Heyrathen, Geburten und Todesfaͤllen, pflegen
alle Voͤlcker gewiſſe beſondere Ceremonien zu beobachten, und dieſe moͤgen in
Tanna ſo einfach als moͤglich ſeyn; ſo werden ſie dennoch das ihrige beytragen,
den noch nicht genugſam bekannten Character dieſer Nation naͤher zu beſtimmen. *)

*) Capitain Cook hat gleichwohl, auf einem Spatziergange, eine Begraͤbniß-Huͤtte entdeckt. Sie
war viel kleiner als die gewoͤhnlichen Wohnhuͤtten und ſtand innerhalb einer Pflan-
zung. Er war neugierig ſie in naͤheren Augenſchein zu nehmen und beredete einen Alten
mit ihm hineinzugehen. In einer Entfernung von vier bis fuͤnf Fuß, war ſie ringsumher
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[287/0301] in den Jahren 1772 bis 1775. hoͤrte, brachte uns zwar auf die Vermuthung, daß dort im Walde irgendwo ein gottesdienſtlicher Verſammlungs-Platz befindlich ſey, doch konnten wir es nicht zur Gewißheit bringen, weil uns die Einwohner allemahl ſorgfaͤltig von dieſer Gegend zu entfernen ſuchten. In ihrem uͤbrigen Betragen war ebenfalls nicht die geringfte Spur einer aͤuſſerlichen Gottesverehrung, nirgends etwas andaͤch- tiges, ſogar nichts aberglaͤubiſches zu entdecken, man muͤßte ihnen denn die Gewohn- heit dazu aurechnen wollen, daß ſie das was wir ihnen ſchenkten, nicht mit bloßen Haͤnden, ſondern vermittelſt eines friſchen Blattes anzuruͤhren pflegten: Allein, auch dieſer Umſtand ward bey weitem nicht durchgehends beobachtet und faſt gaͤnzlich unterlaſſen, ſobald wir nur einigermaaßen mit einander bekannt wurden. Indeſſen wird freylich auch dieſes Volk nicht ganz ohne Religion ſeyn, denn der Gedancke vom Daſeyn eines hoͤchſten Weſens findet ſich gewiß ſchon bey dem roheſten Wilden, nur daß ſeine unmittelbaren Beduͤrfniſſe ihn dann noch abhalten demſelben weiter nachzuhaͤngen; koͤnnen dieſe erſt mit we- niger Muͤhe und in kuͤrzerer Zeit befriedigt werden, dann entwickelt ſich auch die denckende Kraft des Menſchen bald genug, und erhebt ſich endlich in ihren Un- terſuchungen bis jenſeits der Koͤrperwelt. So haͤngt ſelbſt das Wachsthum der Got- tes-Erkenntniß von dem Fortgange der Civiliſation ab! 1774. Auguſt. Gewiſſere und wichtigere Beobachtungen, oder gar, einen vollſtaͤndigen Abriß vom ganzen Umfang der Kenntniſſe dieſer Inſulaner, wird hoffentlich niemand er- warten oder fordern, der die kurze Dauer unſers hieſigen Aufenthalts und die Hinder- niſſe bedenkt, welche das Mistrauen der Einwohner uns aufaͤnglich in den Weg legte. Dieſen allein iſt es beyzumeſſen, daß ſo manche Puncte, beſonders die im haͤusli- chen Leben eingefuͤhrten Gebraͤuche, uns gaͤnzlich unbekannt geblieben ſind. Bey feyerlichen Gelegenheiten, z. B. bey Heyrathen, Geburten und Todesfaͤllen, pflegen alle Voͤlcker gewiſſe beſondere Ceremonien zu beobachten, und dieſe moͤgen in Tanna ſo einfach als moͤglich ſeyn; ſo werden ſie dennoch das ihrige beytragen, den noch nicht genugſam bekannten Character dieſer Nation naͤher zu beſtimmen. *) *) Capitain Cook hat gleichwohl, auf einem Spatziergange, eine Begraͤbniß-Huͤtte entdeckt. Sie war viel kleiner als die gewoͤhnlichen Wohnhuͤtten und ſtand innerhalb einer Pflan- zung. Er war neugierig ſie in naͤheren Augenſchein zu nehmen und beredete einen Alten mit ihm hineinzugehen. In einer Entfernung von vier bis fuͤnf Fuß, war ſie ringsumher

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/301>, abgerufen am 22.11.2024.