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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
April.
Strande, wo sie, ohnweit dem Ufer, etliche Hütten und verschiedne Män-
ner antrafen, von Frauensleuten aber, ließ sich nicht eine einzige sehen.
In dieser Gegend hatten die Indianer den todten Cörper ihres erschossenen Lands-
mannes gebracht, und man führte die unsrigen in das Haus, welches ihm
gehöret hatte. Sie fanden daselbst einige Schweine, die nun seinem funfzehn-
jährigen Sohne zugefallen waren, und diesem schenkten sie allerley Kleinigkeiten,
um den Verlust seines Vaters einigermaßen wieder gut zu machen. Als man
ihn fragte, wo seine weiblichen Verwandten wären, gab er zu verstehen, sie
wären noch auf den Bergen, um den Todten zu beweinen und zu betrauren.
Dies brachte uns auf die Vermuthung, daß die Verzäunungen die wir auf der
Spitze des Felsen wahrgenommen hatten, vielleicht die Begräbniß-Plätze der
Einwohner enthalten mögten. Der Capitain kaufte hier eine Menge Früchte
und verschiedne Schweine, und ob er gleich mitten unter den Verwandten
eines Mannes war, den wir umgebracht hatten, so ließ doch keiner von ihnen
den geringsten Widerwillen, geschweige den Rachbegierde gegen ihn blicken.

Am folgenden Morgen gieng Dr. Sparrmann mit mir nach dem Wasser-
Platze, wo ein ziemlicher Handel mit Lebensmitteln getrieben wurde. Aber un-
sre Eisenwaare hatte, seitdem wir in dem Haven geankert, wenigstens 200 Pro-
cent an ihrem vorigen Werthe verloren. Unsre kleinen Nägel, die sie anfäng-
lich so gern genommen, schienen keine Liebhaber mehr zu finden. Selbst nach
den großen ward nicht mehr sonderlich gefraget, und Glas-Corallen mochte vol-
lends gar niemand. Bänder aber, Zeug und andre Kleinigkeiten, waren desto
angenehmer; und gegen Stücke von Maulbeer-Zeug mit rothen Federn von
Tongatabu, ließen sie uns gar einige große Schweine zukommen.

Das Wetter war heut außerordentlich heiß: Daher hatten viele von den
Einwohnern Fächer bey sich, um sich damit abzukühlen und sie verkauften uns
eine große Menge derselben. Sie waren ziemlich groß und bestanden aus einer
zähen Rinde oder einer Art von Gras, welche sehr fest und künstlich in einander
geflochten und zum Theil mit Muschelkalk weiß gefärbet war. Von ihrer
Gestalt und äußerm Ansehen giebt die Abbildung, welche auf der vorhergehenden
Kupfertafel (pag. 13. Fig. 5.) befindlich ist, den deutlichsten Begriff. Einige
hatten auch, statt eines Sonnenschirms, große Blätter mit Federn besetzt, und

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
April.
Strande, wo ſie, ohnweit dem Ufer, etliche Huͤtten und verſchiedne Maͤn-
ner antrafen, von Frauensleuten aber, ließ ſich nicht eine einzige ſehen.
In dieſer Gegend hatten die Indianer den todten Coͤrper ihres erſchoſſenen Lands-
mannes gebracht, und man fuͤhrte die unſrigen in das Haus, welches ihm
gehoͤret hatte. Sie fanden daſelbſt einige Schweine, die nun ſeinem funfzehn-
jaͤhrigen Sohne zugefallen waren, und dieſem ſchenkten ſie allerley Kleinigkeiten,
um den Verluſt ſeines Vaters einigermaßen wieder gut zu machen. Als man
ihn fragte, wo ſeine weiblichen Verwandten waͤren, gab er zu verſtehen, ſie
waͤren noch auf den Bergen, um den Todten zu beweinen und zu betrauren.
Dies brachte uns auf die Vermuthung, daß die Verzaͤunungen die wir auf der
Spitze des Felſen wahrgenommen hatten, vielleicht die Begraͤbniß-Plaͤtze der
Einwohner enthalten moͤgten. Der Capitain kaufte hier eine Menge Fruͤchte
und verſchiedne Schweine, und ob er gleich mitten unter den Verwandten
eines Mannes war, den wir umgebracht hatten, ſo ließ doch keiner von ihnen
den geringſten Widerwillen, geſchweige den Rachbegierde gegen ihn blicken.

Am folgenden Morgen gieng Dr. Sparrmann mit mir nach dem Waſſer-
Platze, wo ein ziemlicher Handel mit Lebensmitteln getrieben wurde. Aber un-
ſre Eiſenwaare hatte, ſeitdem wir in dem Haven geankert, wenigſtens 200 Pro-
cent an ihrem vorigen Werthe verloren. Unſre kleinen Naͤgel, die ſie anfaͤng-
lich ſo gern genommen, ſchienen keine Liebhaber mehr zu finden. Selbſt nach
den großen ward nicht mehr ſonderlich gefraget, und Glas-Corallen mochte vol-
lends gar niemand. Baͤnder aber, Zeug und andre Kleinigkeiten, waren deſto
angenehmer; und gegen Stuͤcke von Maulbeer-Zeug mit rothen Federn von
Tongatabu, ließen ſie uns gar einige große Schweine zukommen.

Das Wetter war heut außerordentlich heiß: Daher hatten viele von den
Einwohnern Faͤcher bey ſich, um ſich damit abzukuͤhlen und ſie verkauften uns
eine große Menge derſelben. Sie waren ziemlich groß und beſtanden aus einer
zaͤhen Rinde oder einer Art von Gras, welche ſehr feſt und kuͤnſtlich in einander
geflochten und zum Theil mit Muſchelkalk weiß gefaͤrbet war. Von ihrer
Geſtalt und aͤußerm Anſehen giebt die Abbildung, welche auf der vorhergehenden
Kupfertafel (pag. 13. Fig. 5.) befindlich iſt, den deutlichſten Begriff. Einige
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[18/0030] Forſter’s Reiſe um die Welt Strande, wo ſie, ohnweit dem Ufer, etliche Huͤtten und verſchiedne Maͤn- ner antrafen, von Frauensleuten aber, ließ ſich nicht eine einzige ſehen. In dieſer Gegend hatten die Indianer den todten Coͤrper ihres erſchoſſenen Lands- mannes gebracht, und man fuͤhrte die unſrigen in das Haus, welches ihm gehoͤret hatte. Sie fanden daſelbſt einige Schweine, die nun ſeinem funfzehn- jaͤhrigen Sohne zugefallen waren, und dieſem ſchenkten ſie allerley Kleinigkeiten, um den Verluſt ſeines Vaters einigermaßen wieder gut zu machen. Als man ihn fragte, wo ſeine weiblichen Verwandten waͤren, gab er zu verſtehen, ſie waͤren noch auf den Bergen, um den Todten zu beweinen und zu betrauren. Dies brachte uns auf die Vermuthung, daß die Verzaͤunungen die wir auf der Spitze des Felſen wahrgenommen hatten, vielleicht die Begraͤbniß-Plaͤtze der Einwohner enthalten moͤgten. Der Capitain kaufte hier eine Menge Fruͤchte und verſchiedne Schweine, und ob er gleich mitten unter den Verwandten eines Mannes war, den wir umgebracht hatten, ſo ließ doch keiner von ihnen den geringſten Widerwillen, geſchweige den Rachbegierde gegen ihn blicken. 1774. April. Am folgenden Morgen gieng Dr. Sparrmann mit mir nach dem Waſſer- Platze, wo ein ziemlicher Handel mit Lebensmitteln getrieben wurde. Aber un- ſre Eiſenwaare hatte, ſeitdem wir in dem Haven geankert, wenigſtens 200 Pro- cent an ihrem vorigen Werthe verloren. Unſre kleinen Naͤgel, die ſie anfaͤng- lich ſo gern genommen, ſchienen keine Liebhaber mehr zu finden. Selbſt nach den großen ward nicht mehr ſonderlich gefraget, und Glas-Corallen mochte vol- lends gar niemand. Baͤnder aber, Zeug und andre Kleinigkeiten, waren deſto angenehmer; und gegen Stuͤcke von Maulbeer-Zeug mit rothen Federn von Tongatabu, ließen ſie uns gar einige große Schweine zukommen. Das Wetter war heut außerordentlich heiß: Daher hatten viele von den Einwohnern Faͤcher bey ſich, um ſich damit abzukuͤhlen und ſie verkauften uns eine große Menge derſelben. Sie waren ziemlich groß und beſtanden aus einer zaͤhen Rinde oder einer Art von Gras, welche ſehr feſt und kuͤnſtlich in einander geflochten und zum Theil mit Muſchelkalk weiß gefaͤrbet war. Von ihrer Geſtalt und aͤußerm Anſehen giebt die Abbildung, welche auf der vorhergehenden Kupfertafel (pag. 13. Fig. 5.) befindlich iſt, den deutlichſten Begriff. Einige hatten auch, ſtatt eines Sonnenſchirms, große Blaͤtter mit Federn beſetzt, und

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/30>, abgerufen am 28.04.2024.