Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
seyn mußten, vornemlich in solchen Gegenden wo es nicht viel Fische gab.1774.
August.

Ohne diese Nothwendigkeit, den Feldbau zu treiben, würden die Bewohner der
tropischen Inseln wohl durchgehends noch nicht zu dem Grade von Civilifation
gelangt seyn, den wir würklich bey ihnen angetroffen haben. Um wie viel es
aber eine dieser Völkerschaften der andern hierinn zuvor thut, das läßt sich, weil
sie durchgehends feste, bleibende Wohnsitze haben, blos danach beurthei-
len, ob sie in ihrem häuslichen Leben schon mehr oder weniger Bequemlichkeit zu
erfinden, oder ihren Handarbeiten mehr oder weniger Zierlichkeit zu geben
gewußt. Nach diesem Maaßstabe nun zu rechnen, stehen die Einwohner von
Tanna noch ziemlich weit unten; ihre Häuser sind nur Schoppen, in keinem
Betracht auf Bequemlichkeit eingerichtet, blos ein nothdürftiges Obdach
gegen übles Wetter. Von Kleidung, nach deren Beschaffenheit sich das Maaß
der Civilisation ebenfalls bestimmen läßt, wissen sie noch gar nichts, ja sie las-
sen es selbst noch an cörperlicher Reinlichkeit fehlen, welches für die Aufnahme
des geselliaen Umgangs immer ein großes Hinderniß ist. An statt sich fleis-
sig zu baden, wie die Tahitier und ihre Nachbaren thun, bemahlen sie sich
lieber mit allerhand Schminken und werden dadurch unreinlich: Aber, neben
allen diesen Mängeln, zeigen sich doch jetzt schon die Anlagen und Vorbothen zu
einer höheren Verfeinerung ganz deutlich. Dahin rechne ich unter andern die
Geschicklichkeit ihrer Weiber in der Kochkunst, zu welcher die Mannichfaltigkeit der
Nahrungsmittel Anlaß gegeben haben mag. Sie wissen z. B. die Yams und Pi-
sangs zu braten oder zu rösten; grüne Feigenblätter und Okra (hibiscus esculen-
tus,
) zu dämpfen und Puddings zu backen, davon der Teig aus Pisangs- und Arum-
Wurzeln, die Fülle, aus Cocos-Kernen und Blättern bestehet. Verschiedene
Arten von Obst werden auch frisch, so wie sie vom Baume kommen, ohne Zube-
reitung, verzehrt. Dann und wann thun sie sich mit einem Stück Schweine-
fleisch, oder Federvieh etwas zu gute; der Fischfang mag ihnen ebenfalls manche
Mahlzeit liefern, desgleichen die Vogeljagd, wiewohl der Ertrag dieser letzteren
nicht als eine tägliche Speise, sondern nur als Leckerbissen in Anschlag gebracht
werden kann. Sollte das Wohlgefallen an vielen und verschiedenen Gerichten
unter dieser Nation zunehmen und allgemein werden; so würden auch der Acker-
bau und alle diejenigen Manufacturen und Künste, die zu dieser Art des Wohl-

N n 3

in den Jahren 1772 bis 1775.
ſeyn mußten, vornemlich in ſolchen Gegenden wo es nicht viel Fiſche gab.1774.
Auguſt.

Ohne dieſe Nothwendigkeit, den Feldbau zu treiben, wuͤrden die Bewohner der
tropiſchen Inſeln wohl durchgehends noch nicht zu dem Grade von Civilifation
gelangt ſeyn, den wir wuͤrklich bey ihnen angetroffen haben. Um wie viel es
aber eine dieſer Voͤlkerſchaften der andern hierinn zuvor thut, das laͤßt ſich, weil
ſie durchgehends feſte, bleibende Wohnſitze haben, blos danach beurthei-
len, ob ſie in ihrem haͤuslichen Leben ſchon mehr oder weniger Bequemlichkeit zu
erfinden, oder ihren Handarbeiten mehr oder weniger Zierlichkeit zu geben
gewußt. Nach dieſem Maaßſtabe nun zu rechnen, ſtehen die Einwohner von
Tanna noch ziemlich weit unten; ihre Haͤuſer ſind nur Schoppen, in keinem
Betracht auf Bequemlichkeit eingerichtet, blos ein nothduͤrftiges Obdach
gegen uͤbles Wetter. Von Kleidung, nach deren Beſchaffenheit ſich das Maaß
der Civiliſation ebenfalls beſtimmen laͤßt, wiſſen ſie noch gar nichts, ja ſie laſ-
ſen es ſelbſt noch an coͤrperlicher Reinlichkeit fehlen, welches fuͤr die Aufnahme
des geſelliaen Umgangs immer ein großes Hinderniß iſt. An ſtatt ſich fleiſ-
ſig zu baden, wie die Tahitier und ihre Nachbaren thun, bemahlen ſie ſich
lieber mit allerhand Schminken und werden dadurch unreinlich: Aber, neben
allen dieſen Maͤngeln, zeigen ſich doch jetzt ſchon die Anlagen und Vorbothen zu
einer hoͤheren Verfeinerung ganz deutlich. Dahin rechne ich unter andern die
Geſchicklichkeit ihrer Weiber in der Kochkunſt, zu welcher die Mannichfaltigkeit der
Nahrungsmittel Anlaß gegeben haben mag. Sie wiſſen z. B. die Yams und Pi-
ſangs zu braten oder zu roͤſten; gruͤne Feigenblaͤtter und Okra (hibiſcus eſculen-
tus,
) zu daͤmpfen und Puddings zu backen, davon der Teig aus Piſangs- und Arum-
Wurzeln, die Fuͤlle, aus Cocos-Kernen und Blaͤttern beſtehet. Verſchiedene
Arten von Obſt werden auch friſch, ſo wie ſie vom Baume kommen, ohne Zube-
reitung, verzehrt. Dann und wann thun ſie ſich mit einem Stuͤck Schweine-
fleiſch, oder Federvieh etwas zu gute; der Fiſchfang mag ihnen ebenfalls manche
Mahlzeit liefern, desgleichen die Vogeljagd, wiewohl der Ertrag dieſer letzteren
nicht als eine taͤgliche Speiſe, ſondern nur als Leckerbiſſen in Anſchlag gebracht
werden kann. Sollte das Wohlgefallen an vielen und verſchiedenen Gerichten
unter dieſer Nation zunehmen und allgemein werden; ſo wuͤrden auch der Acker-
bau und alle diejenigen Manufacturen und Kuͤnſte, die zu dieſer Art des Wohl-

N n 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0299" n="285"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
&#x017F;eyn mußten, vornemlich in &#x017F;olchen Gegenden wo es nicht viel Fi&#x017F;che gab.<note place="right">1774.<lb/>
Augu&#x017F;t.</note><lb/>
Ohne die&#x017F;e Nothwendigkeit, den Feldbau zu treiben, wu&#x0364;rden die Bewohner der<lb/>
tropi&#x017F;chen In&#x017F;eln wohl durchgehends noch nicht zu <hi rendition="#fr">dem</hi> Grade von Civilifation<lb/>
gelangt &#x017F;eyn, den wir wu&#x0364;rklich bey ihnen angetroffen haben. Um wie viel es<lb/>
aber eine die&#x017F;er Vo&#x0364;lker&#x017F;chaften der andern hierinn zuvor thut, das la&#x0364;ßt &#x017F;ich, weil<lb/>
&#x017F;ie durchgehends fe&#x017F;te, bleibende Wohn&#x017F;itze haben, blos <hi rendition="#fr">danach</hi> beurthei-<lb/>
len, ob &#x017F;ie in ihrem ha&#x0364;uslichen Leben &#x017F;chon mehr oder weniger Bequemlichkeit zu<lb/>
erfinden, oder ihren Handarbeiten mehr oder weniger Zierlichkeit zu geben<lb/>
gewußt. Nach die&#x017F;em Maaß&#x017F;tabe nun zu rechnen, &#x017F;tehen die Einwohner von<lb/><hi rendition="#fr"><placeName>Tanna</placeName></hi> noch ziemlich weit unten; ihre Ha&#x0364;u&#x017F;er &#x017F;ind nur Schoppen, in keinem<lb/>
Betracht auf Bequemlichkeit eingerichtet, blos ein nothdu&#x0364;rftiges Obdach<lb/>
gegen u&#x0364;bles Wetter. Von Kleidung, nach deren Be&#x017F;chaffenheit &#x017F;ich das Maaß<lb/>
der Civili&#x017F;ation ebenfalls be&#x017F;timmen la&#x0364;ßt, wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie noch gar nichts, ja &#x017F;ie la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en es &#x017F;elb&#x017F;t noch an co&#x0364;rperlicher Reinlichkeit fehlen, welches fu&#x0364;r die Aufnahme<lb/>
des ge&#x017F;elliaen Umgangs immer ein großes Hinderniß i&#x017F;t. An &#x017F;tatt &#x017F;ich flei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ig zu baden, wie die <hi rendition="#fr">Tahitier</hi> und ihre Nachbaren thun, bemahlen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
lieber mit allerhand Schminken und werden dadurch unreinlich: Aber, neben<lb/>
allen die&#x017F;en Ma&#x0364;ngeln, zeigen &#x017F;ich doch jetzt &#x017F;chon die Anlagen und Vorbothen zu<lb/>
einer ho&#x0364;heren Verfeinerung ganz deutlich. Dahin rechne ich unter andern die<lb/>
Ge&#x017F;chicklichkeit ihrer Weiber in der Kochkun&#x017F;t, zu welcher die Mannichfaltigkeit der<lb/>
Nahrungsmittel Anlaß gegeben haben mag. Sie wi&#x017F;&#x017F;en z. B. die Yams und Pi-<lb/>
&#x017F;angs zu braten oder zu ro&#x0364;&#x017F;ten; gru&#x0364;ne Feigenbla&#x0364;tter und Okra (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">hibi&#x017F;cus e&#x017F;culen-<lb/>
tus,</hi></hi>) zu da&#x0364;mpfen und Puddings zu backen, davon der Teig aus Pi&#x017F;angs- und Arum-<lb/>
Wurzeln, die Fu&#x0364;lle, aus Cocos-Kernen und Bla&#x0364;ttern be&#x017F;tehet. Ver&#x017F;chiedene<lb/>
Arten von Ob&#x017F;t werden auch fri&#x017F;ch, &#x017F;o wie &#x017F;ie vom Baume kommen, ohne Zube-<lb/>
reitung, verzehrt. Dann und wann thun &#x017F;ie &#x017F;ich mit einem Stu&#x0364;ck Schweine-<lb/>
flei&#x017F;ch, oder Federvieh etwas zu gute; der Fi&#x017F;chfang mag ihnen ebenfalls manche<lb/>
Mahlzeit liefern, desgleichen die Vogeljagd, wiewohl der Ertrag die&#x017F;er letzteren<lb/>
nicht als eine ta&#x0364;gliche Spei&#x017F;e, &#x017F;ondern nur als Leckerbi&#x017F;&#x017F;en in An&#x017F;chlag gebracht<lb/>
werden kann. Sollte das Wohlgefallen an vielen und ver&#x017F;chiedenen Gerichten<lb/>
unter die&#x017F;er Nation zunehmen und allgemein werden; &#x017F;o wu&#x0364;rden auch der Acker-<lb/>
bau und alle diejenigen Manufacturen und Ku&#x0364;n&#x017F;te, die zu die&#x017F;er Art des Wohl-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N n 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0299] in den Jahren 1772 bis 1775. ſeyn mußten, vornemlich in ſolchen Gegenden wo es nicht viel Fiſche gab. Ohne dieſe Nothwendigkeit, den Feldbau zu treiben, wuͤrden die Bewohner der tropiſchen Inſeln wohl durchgehends noch nicht zu dem Grade von Civilifation gelangt ſeyn, den wir wuͤrklich bey ihnen angetroffen haben. Um wie viel es aber eine dieſer Voͤlkerſchaften der andern hierinn zuvor thut, das laͤßt ſich, weil ſie durchgehends feſte, bleibende Wohnſitze haben, blos danach beurthei- len, ob ſie in ihrem haͤuslichen Leben ſchon mehr oder weniger Bequemlichkeit zu erfinden, oder ihren Handarbeiten mehr oder weniger Zierlichkeit zu geben gewußt. Nach dieſem Maaßſtabe nun zu rechnen, ſtehen die Einwohner von Tanna noch ziemlich weit unten; ihre Haͤuſer ſind nur Schoppen, in keinem Betracht auf Bequemlichkeit eingerichtet, blos ein nothduͤrftiges Obdach gegen uͤbles Wetter. Von Kleidung, nach deren Beſchaffenheit ſich das Maaß der Civiliſation ebenfalls beſtimmen laͤßt, wiſſen ſie noch gar nichts, ja ſie laſ- ſen es ſelbſt noch an coͤrperlicher Reinlichkeit fehlen, welches fuͤr die Aufnahme des geſelliaen Umgangs immer ein großes Hinderniß iſt. An ſtatt ſich fleiſ- ſig zu baden, wie die Tahitier und ihre Nachbaren thun, bemahlen ſie ſich lieber mit allerhand Schminken und werden dadurch unreinlich: Aber, neben allen dieſen Maͤngeln, zeigen ſich doch jetzt ſchon die Anlagen und Vorbothen zu einer hoͤheren Verfeinerung ganz deutlich. Dahin rechne ich unter andern die Geſchicklichkeit ihrer Weiber in der Kochkunſt, zu welcher die Mannichfaltigkeit der Nahrungsmittel Anlaß gegeben haben mag. Sie wiſſen z. B. die Yams und Pi- ſangs zu braten oder zu roͤſten; gruͤne Feigenblaͤtter und Okra (hibiſcus eſculen- tus,) zu daͤmpfen und Puddings zu backen, davon der Teig aus Piſangs- und Arum- Wurzeln, die Fuͤlle, aus Cocos-Kernen und Blaͤttern beſtehet. Verſchiedene Arten von Obſt werden auch friſch, ſo wie ſie vom Baume kommen, ohne Zube- reitung, verzehrt. Dann und wann thun ſie ſich mit einem Stuͤck Schweine- fleiſch, oder Federvieh etwas zu gute; der Fiſchfang mag ihnen ebenfalls manche Mahlzeit liefern, desgleichen die Vogeljagd, wiewohl der Ertrag dieſer letzteren nicht als eine taͤgliche Speiſe, ſondern nur als Leckerbiſſen in Anſchlag gebracht werden kann. Sollte das Wohlgefallen an vielen und verſchiedenen Gerichten unter dieſer Nation zunehmen und allgemein werden; ſo wuͤrden auch der Acker- bau und alle diejenigen Manufacturen und Kuͤnſte, die zu dieſer Art des Wohl- 1774. Auguſt. N n 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/299
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/299>, abgerufen am 20.05.2024.