Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.August.von den Indianern, der vielleicht seit unserm Hierseyn noch nie am Strande gewesen seyn mochte, hatte sich zwischen seinen Landsleuten vorgedrängt und wollte über den freyen Platz gehen. Weil aber unsre Leute diesen für sich allein zu haben meynten; so nahm die Schildwache den Indianer beym Arm, und stieß ihn zurück. Dieser hingegen glaubte mit Recht, daß ihm auf seiner eige- nen Insel, ein Fremder nichts vorzuschreiben habe, und versuchte es da- her von neuem über den Platz wegzugehen, vielleicht blos um zu zeigen, daß er gehen könne wo es ihm beliebte. Allein, die Schildwache sties ihn zum zweytenmal, und zwar mit solchem Ungestüm zurück, daß wohl ein min- der jähzorniger Mann als ein Wilder dadurch hätte aufgebracht werden müssen. Kein Wunder also, daß er, um seine gekränkte Freyheit zu vertheidigen, einen Pfeil auf den Bogen legte, und damit nach dem, der ihn angegriffen, zielte. Dies ward der Soldat nicht sobald gewahr, als er sein Gewehr anschlug, und den Indianer auf der Stelle todt schoß. In dem Augenblick da dieser fiel, trat der Capitain ans Land, und sahe, wie die übrigen davon liefen, um den grausamen, verrätherischen Leuten zu entkommen, die auf fremdem Boden sich solche Ungerechtigkeiten erlaubten. Bereit, den Fehler nach Möglichkeit wieder gut zu machen, schickte er den Soldaten alsbald geschlossen an das Schiff, und gab sich alle Mühe die Einwohner zu besänftigen. Verschiedene derselben, besonders die, wel- che auf der östlichen hohen Ebene wohnten, ließen sich auch würklich überreden, stehen zu bleiben, und denen von neuem zu trauen, die das vornehmste Gebot der Gastfreyheit so schändlich aus den Augen gesetzt hatten. Wahrlich, ein rüh- render Beweis, von der angebohrnen Güte des menschlichen Herzens! Eine eben so seltene Mäßigung war es, daß die Wilden, Dr. Sparrmann und mir nicht das geringste Leid zufügten, da sie doch den Mord ihres Landsmannes an uns beyden aufs nachdrücklichste hätten rächen können. Wir fuhren nunmehro mit dem Capitain ans Schiff, nicht ohne Besorgniß, wie es meinem Vater er- gehen würde, der, ohne von der vorgefallnen Begebenheit etwas zu wissen, in Begleitung eines einzigen Matrosen, noch im Walde herum irrte. Doch, es lief besser ab als wir befürchtet; denn nach Verlauf einer Viertelstunde, sahen wir ihn bey der Wache, die, zu Sicherung einiger Wasserfässer, am Strande zurückgeblieben war, wohlbehalten ankommen, und nun ließen wir ihn sogleich Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Auguſt.von den Indianern, der vielleicht ſeit unſerm Hierſeyn noch nie am Strande geweſen ſeyn mochte, hatte ſich zwiſchen ſeinen Landsleuten vorgedraͤngt und wollte uͤber den freyen Platz gehen. Weil aber unſre Leute dieſen fuͤr ſich allein zu haben meynten; ſo nahm die Schildwache den Indianer beym Arm, und ſtieß ihn zuruͤck. Dieſer hingegen glaubte mit Recht, daß ihm auf ſeiner eige- nen Inſel, ein Fremder nichts vorzuſchreiben habe, und verſuchte es da- her von neuem uͤber den Platz wegzugehen, vielleicht blos um zu zeigen, daß er gehen koͤnne wo es ihm beliebte. Allein, die Schildwache ſties ihn zum zweytenmal, und zwar mit ſolchem Ungeſtuͤm zuruͤck, daß wohl ein min- der jaͤhzorniger Mann als ein Wilder dadurch haͤtte aufgebracht werden muͤſſen. Kein Wunder alſo, daß er, um ſeine gekraͤnkte Freyheit zu vertheidigen, einen Pfeil auf den Bogen legte, und damit nach dem, der ihn angegriffen, zielte. Dies ward der Soldat nicht ſobald gewahr, als er ſein Gewehr anſchlug, und den Indianer auf der Stelle todt ſchoß. In dem Augenblick da dieſer fiel, trat der Capitain ans Land, und ſahe, wie die uͤbrigen davon liefen, um den grauſamen, verraͤtheriſchen Leuten zu entkommen, die auf fremdem Boden ſich ſolche Ungerechtigkeiten erlaubten. Bereit, den Fehler nach Moͤglichkeit wieder gut zu machen, ſchickte er den Soldaten alsbald geſchloſſen an das Schiff, und gab ſich alle Muͤhe die Einwohner zu beſaͤnftigen. Verſchiedene derſelben, beſonders die, wel- che auf der oͤſtlichen hohen Ebene wohnten, ließen ſich auch wuͤrklich uͤberreden, ſtehen zu bleiben, und denen von neuem zu trauen, die das vornehmſte Gebot der Gaſtfreyheit ſo ſchaͤndlich aus den Augen geſetzt hatten. Wahrlich, ein ruͤh- render Beweis, von der angebohrnen Guͤte des menſchlichen Herzens! Eine eben ſo ſeltene Maͤßigung war es, daß die Wilden, Dr. Sparrmann und mir nicht das geringſte Leid zufuͤgten, da ſie doch den Mord ihres Landsmannes an uns beyden aufs nachdruͤcklichſte haͤtten raͤchen koͤnnen. Wir fuhren nunmehro mit dem Capitain ans Schiff, nicht ohne Beſorgniß, wie es meinem Vater er- gehen wuͤrde, der, ohne von der vorgefallnen Begebenheit etwas zu wiſſen, in Begleitung eines einzigen Matroſen, noch im Walde herum irrte. Doch, es lief beſſer ab als wir befuͤrchtet; denn nach Verlauf einer Viertelſtunde, ſahen wir ihn bey der Wache, die, zu Sicherung einiger Waſſerfaͤſſer, am Strande zuruͤckgeblieben war, wohlbehalten ankommen, und nun ließen wir ihn ſogleich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0292" n="278"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> Auguſt.</note>von den Indianern, der vielleicht ſeit unſerm Hierſeyn noch nie am Strande<lb/> geweſen ſeyn mochte, hatte ſich zwiſchen ſeinen Landsleuten vorgedraͤngt und<lb/> wollte uͤber den freyen Platz gehen. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
von den Indianern, der vielleicht ſeit unſerm Hierſeyn noch nie am Strande
geweſen ſeyn mochte, hatte ſich zwiſchen ſeinen Landsleuten vorgedraͤngt und
wollte uͤber den freyen Platz gehen. Weil aber unſre Leute dieſen fuͤr ſich allein zu
haben meynten; ſo nahm die Schildwache den Indianer beym Arm, und ſtieß
ihn zuruͤck. Dieſer hingegen glaubte mit Recht, daß ihm auf ſeiner eige-
nen Inſel, ein Fremder nichts vorzuſchreiben habe, und verſuchte es da-
her von neuem uͤber den Platz wegzugehen, vielleicht blos um zu zeigen,
daß er gehen koͤnne wo es ihm beliebte. Allein, die Schildwache ſties
ihn zum zweytenmal, und zwar mit ſolchem Ungeſtuͤm zuruͤck, daß wohl ein min-
der jaͤhzorniger Mann als ein Wilder dadurch haͤtte aufgebracht werden muͤſſen.
Kein Wunder alſo, daß er, um ſeine gekraͤnkte Freyheit zu vertheidigen, einen
Pfeil auf den Bogen legte, und damit nach dem, der ihn angegriffen, zielte.
Dies ward der Soldat nicht ſobald gewahr, als er ſein Gewehr anſchlug, und
den Indianer auf der Stelle todt ſchoß. In dem Augenblick da dieſer fiel,
trat der Capitain ans Land, und ſahe, wie die uͤbrigen davon liefen, um den
grauſamen, verraͤtheriſchen Leuten zu entkommen, die auf fremdem Boden ſich ſolche
Ungerechtigkeiten erlaubten. Bereit, den Fehler nach Moͤglichkeit wieder gut zu
machen, ſchickte er den Soldaten alsbald geſchloſſen an das Schiff, und gab ſich
alle Muͤhe die Einwohner zu beſaͤnftigen. Verſchiedene derſelben, beſonders die, wel-
che auf der oͤſtlichen hohen Ebene wohnten, ließen ſich auch wuͤrklich uͤberreden,
ſtehen zu bleiben, und denen von neuem zu trauen, die das vornehmſte Gebot
der Gaſtfreyheit ſo ſchaͤndlich aus den Augen geſetzt hatten. Wahrlich, ein ruͤh-
render Beweis, von der angebohrnen Guͤte des menſchlichen Herzens! Eine
eben ſo ſeltene Maͤßigung war es, daß die Wilden, Dr. Sparrmann und mir
nicht das geringſte Leid zufuͤgten, da ſie doch den Mord ihres Landsmannes an
uns beyden aufs nachdruͤcklichſte haͤtten raͤchen koͤnnen. Wir fuhren nunmehro
mit dem Capitain ans Schiff, nicht ohne Beſorgniß, wie es meinem Vater er-
gehen wuͤrde, der, ohne von der vorgefallnen Begebenheit etwas zu wiſſen, in
Begleitung eines einzigen Matroſen, noch im Walde herum irrte. Doch, es
lief beſſer ab als wir befuͤrchtet; denn nach Verlauf einer Viertelſtunde, ſahen
wir ihn bey der Wache, die, zu Sicherung einiger Waſſerfaͤſſer, am Strande
zuruͤckgeblieben war, wohlbehalten ankommen, und nun ließen wir ihn ſogleich
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