Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
August.
daselbst noch etliche Indianer auf, allein, so bald sie das Schiff gewahr
wurden, entflohen sie in die Wälder. Die beyden Ruder, welche wir
eingebüßt hatten, standen noch, gegen die Büsche gelehnt, da; man hielt
es aber nicht der Mühe werth, sie durch ein Boot zurück holen zu lassen. Schon
freuten wir uns darauf, hier vor Ancker zu kommen, als der Capitain das
Schiffunvermuthet wenden und ostwärts um den Sattel-Berg steuern ließ. Dieses
Vorgebürge nannten wir, wegen des von den Indianern dabey erlittenen hämischen
Angrifs Traitors-head, d. i. Verräthers-Haupt. Es ward 3 Uhr Nachmit-
tags, ehe wir dasselbe paßirt hatten. Als wir an der Ostseite herum kamen, lag eine
Bay vor uns, die weit ins Land hinaufzureichen, und verschiedene bequeme Buchten
oder Haven zu enthalten schien. An beyden Ufern war das Land mit dichtem Ge-
hölze bedeckt, so ein vortrefliches, für Botaniker äußerst einladendes Ansehen
hatte. Gegen Süden lief die Landschaft sanft Berg an, und zeigte dem Auge
eine weitläuftige, fast überall bebaute Gegend, wo sich ein großer Reich-
thum an Pflanzen-Producten vermuthen ließ. So reizend dieser Anblick
war, so schien der Capitain doch noch anzustehen, ob er in die Bay hereinlau-
fen solle, oder nicht. Mittlerweile kam gerade jene Insel, welche wir schon
am 28sten Julius entdeckt hatten, in Süden wieder zum Vorschein; und nun
entschloß sich der Capitain kurz und gut, aus der Bay heraus, und nach
der entferntern Insel hinzuseegeln, um so viel als möglich, alle zu dieser
Gruppe gehörenden Eylande, in Augenschein zu nehmen. Die In-
sel, welche wir nunmehro verließen, liegt unterm 18°. 48' südlicher
Breite und im 169°. 20' östlicher Länge. Sie ist beynahe viereckigt und hat
wenigstens 30 starke Seemeilen im Umkreise. *) Ein frischer günstiger Wind
beschleunigte unsre Fahrt gegen das neue Eyland hin, auf welchem wir des
Nachts unterschiedne Feuer gewahr wurden, darunter das eine stosweise in die
Höhe schlug, wie die Flamme eines feuerspeyenden Berges zu thun pflegt.

Bey Tages Anbruch zeigte sich, daß wir in der Nacht dicht neben
einem nord-ostwärts gelegenen, niedrigen und mit Cocos-Palmen bewachsenen

*) Daß diese Insel in der Sprache ihrer Bewohner Irromanga genannt werde, erfuhren
wir nachmals auf einer benachbarten Insel, wie im folgenden Hauptstück zu ersehen
seyn wird.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Auguſt.
daſelbſt noch etliche Indianer auf, allein, ſo bald ſie das Schiff gewahr
wurden, entflohen ſie in die Waͤlder. Die beyden Ruder, welche wir
eingebuͤßt hatten, ſtanden noch, gegen die Buͤſche gelehnt, da; man hielt
es aber nicht der Muͤhe werth, ſie durch ein Boot zuruͤck holen zu laſſen. Schon
freuten wir uns darauf, hier vor Ancker zu kommen, als der Capitain das
Schiffunvermuthet wenden und oſtwaͤrts um den Sattel-Berg ſteuern ließ. Dieſes
Vorgebuͤrge nannten wir, wegen des von den Indianern dabey erlittenen haͤmiſchen
Angrifs Traitors-head, d. i. Verraͤthers-Haupt. Es ward 3 Uhr Nachmit-
tags, ehe wir daſſelbe paßirt hatten. Als wir an der Oſtſeite herum kamen, lag eine
Bay vor uns, die weit ins Land hinaufzureichen, und verſchiedene bequeme Buchten
oder Haven zu enthalten ſchien. An beyden Ufern war das Land mit dichtem Ge-
hoͤlze bedeckt, ſo ein vortrefliches, fuͤr Botaniker aͤußerſt einladendes Anſehen
hatte. Gegen Suͤden lief die Landſchaft ſanft Berg an, und zeigte dem Auge
eine weitlaͤuftige, faſt uͤberall bebaute Gegend, wo ſich ein großer Reich-
thum an Pflanzen-Producten vermuthen ließ. So reizend dieſer Anblick
war, ſo ſchien der Capitain doch noch anzuſtehen, ob er in die Bay hereinlau-
fen ſolle, oder nicht. Mittlerweile kam gerade jene Inſel, welche wir ſchon
am 28ſten Julius entdeckt hatten, in Suͤden wieder zum Vorſchein; und nun
entſchloß ſich der Capitain kurz und gut, aus der Bay heraus, und nach
der entferntern Inſel hinzuſeegeln, um ſo viel als moͤglich, alle zu dieſer
Gruppe gehoͤrenden Eylande, in Augenſchein zu nehmen. Die In-
ſel, welche wir nunmehro verließen, liegt unterm 18°. 48′ ſuͤdlicher
Breite und im 169°. 20′ oͤſtlicher Laͤnge. Sie iſt beynahe viereckigt und hat
wenigſtens 30 ſtarke Seemeilen im Umkreiſe. *) Ein friſcher guͤnſtiger Wind
beſchleunigte unſre Fahrt gegen das neue Eyland hin, auf welchem wir des
Nachts unterſchiedne Feuer gewahr wurden, darunter das eine ſtosweiſe in die
Hoͤhe ſchlug, wie die Flamme eines feuerſpeyenden Berges zu thun pflegt.

Bey Tages Anbruch zeigte ſich, daß wir in der Nacht dicht neben
einem nord-oſtwaͤrts gelegenen, niedrigen und mit Cocos-Palmen bewachſenen

*) Daß dieſe Inſel in der Sprache ihrer Bewohner Irromanga genannt werde, erfuhren
wir nachmals auf einer benachbarten Inſel, wie im folgenden Hauptſtuͤck zu erſehen
ſeyn wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0218" n="204"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
Augu&#x017F;t.</note>da&#x017F;elb&#x017F;t noch etliche Indianer auf, allein, &#x017F;o bald &#x017F;ie das Schiff gewahr<lb/>
wurden, entflohen &#x017F;ie in die Wa&#x0364;lder. Die beyden Ruder, welche wir<lb/>
eingebu&#x0364;ßt hatten, &#x017F;tanden noch, gegen die Bu&#x0364;&#x017F;che gelehnt, da; man hielt<lb/>
es aber nicht der Mu&#x0364;he werth, &#x017F;ie durch ein Boot zuru&#x0364;ck holen zu la&#x017F;&#x017F;en. Schon<lb/>
freuten wir uns darauf, hier vor Ancker zu kommen, als der Capitain das<lb/>
Schiffunvermuthet wenden und o&#x017F;twa&#x0364;rts um den Sattel-Berg &#x017F;teuern ließ. Die&#x017F;es<lb/>
Vorgebu&#x0364;rge nannten wir, wegen des von den Indianern dabey erlittenen ha&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Angrifs <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq"><placeName>Traitors-head</placeName>,</hi></hi> d. i. <hi rendition="#fr"><placeName>Verra&#x0364;thers-Haupt</placeName>.</hi> Es ward 3 Uhr Nachmit-<lb/>
tags, ehe wir da&#x017F;&#x017F;elbe paßirt hatten. Als wir an der O&#x017F;t&#x017F;eite herum kamen, lag eine<lb/>
Bay vor uns, die weit ins Land hinaufzureichen, und ver&#x017F;chiedene bequeme Buchten<lb/>
oder Haven zu enthalten &#x017F;chien. An beyden Ufern war das Land mit dichtem Ge-<lb/>
ho&#x0364;lze bedeckt, &#x017F;o ein vortrefliches, fu&#x0364;r Botaniker a&#x0364;ußer&#x017F;t einladendes An&#x017F;ehen<lb/>
hatte. Gegen Su&#x0364;den lief die Land&#x017F;chaft &#x017F;anft Berg an, und zeigte dem Auge<lb/>
eine weitla&#x0364;uftige, fa&#x017F;t u&#x0364;berall bebaute Gegend, wo &#x017F;ich ein großer Reich-<lb/>
thum an Pflanzen-Producten vermuthen ließ. So reizend die&#x017F;er Anblick<lb/>
war, &#x017F;o &#x017F;chien der Capitain doch noch anzu&#x017F;tehen, ob er in die Bay hereinlau-<lb/>
fen &#x017F;olle, oder nicht. Mittlerweile kam gerade jene In&#x017F;el, welche wir &#x017F;chon<lb/>
am 28&#x017F;ten Julius entdeckt hatten, in Su&#x0364;den wieder zum Vor&#x017F;chein; und nun<lb/>
ent&#x017F;chloß &#x017F;ich der Capitain kurz und gut, aus der Bay heraus, und nach<lb/>
der entferntern In&#x017F;el hinzu&#x017F;eegeln, um &#x017F;o viel als mo&#x0364;glich, alle zu die&#x017F;er<lb/>
Gruppe geho&#x0364;renden Eylande, in Augen&#x017F;chein zu nehmen. Die In-<lb/>
&#x017F;el, welche wir nunmehro verließen, liegt unterm 18°. 48&#x2032; &#x017F;u&#x0364;dlicher<lb/>
Breite und im 169°. 20&#x2032; o&#x0364;&#x017F;tlicher La&#x0364;nge. Sie i&#x017F;t beynahe viereckigt und hat<lb/>
wenig&#x017F;tens 30 &#x017F;tarke Seemeilen im Umkrei&#x017F;e. <note place="foot" n="*)">Daß die&#x017F;e In&#x017F;el in der Sprache ihrer Bewohner <hi rendition="#fr"><placeName>Irromanga</placeName></hi> genannt werde, erfuhren<lb/>
wir nachmals auf einer benachbarten In&#x017F;el, wie im folgenden Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck zu er&#x017F;ehen<lb/>
&#x017F;eyn wird.</note> Ein fri&#x017F;cher gu&#x0364;n&#x017F;tiger Wind<lb/>
be&#x017F;chleunigte un&#x017F;re Fahrt gegen das neue Eyland hin, auf welchem wir des<lb/>
Nachts unter&#x017F;chiedne Feuer gewahr wurden, darunter das eine &#x017F;toswei&#x017F;e in die<lb/>
Ho&#x0364;he &#x017F;chlug, wie die Flamme eines feuer&#x017F;peyenden Berges zu thun pflegt.</p><lb/>
        <p>Bey Tages Anbruch zeigte &#x017F;ich, daß wir in der Nacht dicht neben<lb/>
einem nord-o&#x017F;twa&#x0364;rts gelegenen, niedrigen und mit Cocos-Palmen bewach&#x017F;enen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0218] Forſter’s Reiſe um die Welt daſelbſt noch etliche Indianer auf, allein, ſo bald ſie das Schiff gewahr wurden, entflohen ſie in die Waͤlder. Die beyden Ruder, welche wir eingebuͤßt hatten, ſtanden noch, gegen die Buͤſche gelehnt, da; man hielt es aber nicht der Muͤhe werth, ſie durch ein Boot zuruͤck holen zu laſſen. Schon freuten wir uns darauf, hier vor Ancker zu kommen, als der Capitain das Schiffunvermuthet wenden und oſtwaͤrts um den Sattel-Berg ſteuern ließ. Dieſes Vorgebuͤrge nannten wir, wegen des von den Indianern dabey erlittenen haͤmiſchen Angrifs Traitors-head, d. i. Verraͤthers-Haupt. Es ward 3 Uhr Nachmit- tags, ehe wir daſſelbe paßirt hatten. Als wir an der Oſtſeite herum kamen, lag eine Bay vor uns, die weit ins Land hinaufzureichen, und verſchiedene bequeme Buchten oder Haven zu enthalten ſchien. An beyden Ufern war das Land mit dichtem Ge- hoͤlze bedeckt, ſo ein vortrefliches, fuͤr Botaniker aͤußerſt einladendes Anſehen hatte. Gegen Suͤden lief die Landſchaft ſanft Berg an, und zeigte dem Auge eine weitlaͤuftige, faſt uͤberall bebaute Gegend, wo ſich ein großer Reich- thum an Pflanzen-Producten vermuthen ließ. So reizend dieſer Anblick war, ſo ſchien der Capitain doch noch anzuſtehen, ob er in die Bay hereinlau- fen ſolle, oder nicht. Mittlerweile kam gerade jene Inſel, welche wir ſchon am 28ſten Julius entdeckt hatten, in Suͤden wieder zum Vorſchein; und nun entſchloß ſich der Capitain kurz und gut, aus der Bay heraus, und nach der entferntern Inſel hinzuſeegeln, um ſo viel als moͤglich, alle zu dieſer Gruppe gehoͤrenden Eylande, in Augenſchein zu nehmen. Die In- ſel, welche wir nunmehro verließen, liegt unterm 18°. 48′ ſuͤdlicher Breite und im 169°. 20′ oͤſtlicher Laͤnge. Sie iſt beynahe viereckigt und hat wenigſtens 30 ſtarke Seemeilen im Umkreiſe. *) Ein friſcher guͤnſtiger Wind beſchleunigte unſre Fahrt gegen das neue Eyland hin, auf welchem wir des Nachts unterſchiedne Feuer gewahr wurden, darunter das eine ſtosweiſe in die Hoͤhe ſchlug, wie die Flamme eines feuerſpeyenden Berges zu thun pflegt. 1774. Auguſt. Bey Tages Anbruch zeigte ſich, daß wir in der Nacht dicht neben einem nord-oſtwaͤrts gelegenen, niedrigen und mit Cocos-Palmen bewachſenen *) Daß dieſe Inſel in der Sprache ihrer Bewohner Irromanga genannt werde, erfuhren wir nachmals auf einer benachbarten Inſel, wie im folgenden Hauptſtuͤck zu erſehen ſeyn wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/218
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/218>, abgerufen am 09.05.2024.