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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
Julius.
müßten. Dies beobachteten sie genau; doch vermehrte sich ihre Anzahl von allen
Seiten. Ein jeder führte einen gespannten Bogen bey sich, der aus dunkelbraunem
Holz, zäher und schöner als Mahogany, verfertigt war. (S. pag. 167. Fig. 2.)
Die Pfeile steckten in runden, von Blättern geflochtenen Köchern, und bestan-
den aus zween Fuß langen Rohrstäben, die mehrentheils mit einer zwölf Zoll
langen Spitze von Ebenholz, oder einem ähnlichen, glänzeud, schwarzen und sprö-
den Holz versehen waren. Andre, hatten eine kürzere, nur zween bis drey Zoll lange,
aber von Knochen verfertigte Spitze, die vermittelst einer Spalte in das Rohr
eingefügt war, und ausserhalb durch umgewickelte Cocos-Fasern festgehalten ward.
Da die Faden durchaus kreuzweis über einander wegliefen, so machten die Zwi-
schenräume lauter kleine verschobene Vierecke aus, und diese hatten sie bunt-
farbig, wechselsweise mit rother, grüner und weißer Oker-Erde ausgefüllt. Die
knöchernen Spitzen waren sehr scharf, und mit einer schwarzen harzichten Substanz,
als mit einem Firniß, überzogen. (Auf eben dieser Platte Fig. 3 und 4.)

In gutem Zutrauen auf das neugeschloßne Friedensbündniß, wagten
wir uns jenseit der gezogenen Gränzlinie, mitten unter die Wilden. Bey ihrer
angebohrnen Neigung zum Plaudern, geriethen wir gleich ins Gespräch mit ein-
ander und ließen nus in ihrer Sprache Unterricht geben. Sie wunderten sich,
daß wir die Wörter so schnell ins Gedächtniß faßten, und schienen eine Weile
nachzudenken, wie es zugehen mögte, daß man den Klang der Worte durch
Bleystift und Papier ausdrücken könne. So emsig sie einer Seits waren,
uns ihre Sprache zu lehren; so neugierig waren sie anderer Seits auch, etwas
von der unsrigen zu lernen, und sprachen alles was wir ihnen davon vorsagten,
mit bewundrungswürdiger Fertigkeit ganz genau nach. Um die Biegsamkeit ihrer
Organe noch mehr auf die Probe zu setzen; versuchten wirs, ihnen die schwer-
sten Töne aus allen uns bekannten europäischen Sprachen, z. B. das zusam-
mengesetzte rußische schtsch anzugeben; aber auch da blieben sie nicht stecken,
sondern sprachen es, gleich aufs erstemal, ohne Mühe und ohne Fehl nach.
Kaum hatten wir ihnen die Namen unsrer Zahlen vorgesagt, als sie solche sehr
schnell an den Fingern wiederholten; kurz: was ihnen an cörperlichen Vorzügen
abgieng, wurde durch ihren Scharfsinn völlig ersetzt. Wir wünschten verschie-
dene von ihren Waffen einzukaufen, fanden sie aber nicht geneigt uns welche

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Julius.
muͤßten. Dies beobachteten ſie genau; doch vermehrte ſich ihre Anzahl von allen
Seiten. Ein jeder fuͤhrte einen geſpannten Bogen bey ſich, der aus dunkelbraunem
Holz, zaͤher und ſchoͤner als Mahogany, verfertigt war. (S. pag. 167. Fig. 2.)
Die Pfeile ſteckten in runden, von Blaͤttern geflochtenen Koͤchern, und beſtan-
den aus zween Fuß langen Rohrſtaͤben, die mehrentheils mit einer zwoͤlf Zoll
langen Spitze von Ebenholz, oder einem aͤhnlichen, glaͤnzeud, ſchwarzen und ſproͤ-
den Holz verſehen waren. Andre, hatten eine kuͤrzere, nur zween bis drey Zoll lange,
aber von Knochen verfertigte Spitze, die vermittelſt einer Spalte in das Rohr
eingefuͤgt war, und auſſerhalb durch umgewickelte Cocos-Faſern feſtgehalten ward.
Da die Faden durchaus kreuzweis uͤber einander wegliefen, ſo machten die Zwi-
ſchenraͤume lauter kleine verſchobene Vierecke aus, und dieſe hatten ſie bunt-
farbig, wechſelsweiſe mit rother, gruͤner und weißer Oker-Erde ausgefuͤllt. Die
knoͤchernen Spitzen waren ſehr ſcharf, und mit einer ſchwarzen harzichten Subſtanz,
als mit einem Firniß, uͤberzogen. (Auf eben dieſer Platte Fig. 3 und 4.)

In gutem Zutrauen auf das neugeſchloßne Friedensbuͤndniß, wagten
wir uns jenſeit der gezogenen Graͤnzlinie, mitten unter die Wilden. Bey ihrer
angebohrnen Neigung zum Plaudern, geriethen wir gleich ins Geſpraͤch mit ein-
ander und ließen nus in ihrer Sprache Unterricht geben. Sie wunderten ſich,
daß wir die Woͤrter ſo ſchnell ins Gedaͤchtniß faßten, und ſchienen eine Weile
nachzudenken, wie es zugehen moͤgte, daß man den Klang der Worte durch
Bleyſtift und Papier ausdruͤcken koͤnne. So emſig ſie einer Seits waren,
uns ihre Sprache zu lehren; ſo neugierig waren ſie anderer Seits auch, etwas
von der unſrigen zu lernen, und ſprachen alles was wir ihnen davon vorſagten,
mit bewundrungswuͤrdiger Fertigkeit ganz genau nach. Um die Biegſamkeit ihrer
Organe noch mehr auf die Probe zu ſetzen; verſuchten wirs, ihnen die ſchwer-
ſten Toͤne aus allen uns bekannten europaͤiſchen Sprachen, z. B. das zuſam-
mengeſetzte rußiſche ſchtſch anzugeben; aber auch da blieben ſie nicht ſtecken,
ſondern ſprachen es, gleich aufs erſtemal, ohne Muͤhe und ohne Fehl nach.
Kaum hatten wir ihnen die Namen unſrer Zahlen vorgeſagt, als ſie ſolche ſehr
ſchnell an den Fingern wiederholten; kurz: was ihnen an coͤrperlichen Vorzuͤgen
abgieng, wurde durch ihren Scharfſinn voͤllig erſetzt. Wir wuͤnſchten verſchie-
dene von ihren Waffen einzukaufen, fanden ſie aber nicht geneigt uns welche

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[170/0184] Forſter’s Reiſe um die Welt muͤßten. Dies beobachteten ſie genau; doch vermehrte ſich ihre Anzahl von allen Seiten. Ein jeder fuͤhrte einen geſpannten Bogen bey ſich, der aus dunkelbraunem Holz, zaͤher und ſchoͤner als Mahogany, verfertigt war. (S. pag. 167. Fig. 2.) Die Pfeile ſteckten in runden, von Blaͤttern geflochtenen Koͤchern, und beſtan- den aus zween Fuß langen Rohrſtaͤben, die mehrentheils mit einer zwoͤlf Zoll langen Spitze von Ebenholz, oder einem aͤhnlichen, glaͤnzeud, ſchwarzen und ſproͤ- den Holz verſehen waren. Andre, hatten eine kuͤrzere, nur zween bis drey Zoll lange, aber von Knochen verfertigte Spitze, die vermittelſt einer Spalte in das Rohr eingefuͤgt war, und auſſerhalb durch umgewickelte Cocos-Faſern feſtgehalten ward. Da die Faden durchaus kreuzweis uͤber einander wegliefen, ſo machten die Zwi- ſchenraͤume lauter kleine verſchobene Vierecke aus, und dieſe hatten ſie bunt- farbig, wechſelsweiſe mit rother, gruͤner und weißer Oker-Erde ausgefuͤllt. Die knoͤchernen Spitzen waren ſehr ſcharf, und mit einer ſchwarzen harzichten Subſtanz, als mit einem Firniß, uͤberzogen. (Auf eben dieſer Platte Fig. 3 und 4.) 1774. Julius. In gutem Zutrauen auf das neugeſchloßne Friedensbuͤndniß, wagten wir uns jenſeit der gezogenen Graͤnzlinie, mitten unter die Wilden. Bey ihrer angebohrnen Neigung zum Plaudern, geriethen wir gleich ins Geſpraͤch mit ein- ander und ließen nus in ihrer Sprache Unterricht geben. Sie wunderten ſich, daß wir die Woͤrter ſo ſchnell ins Gedaͤchtniß faßten, und ſchienen eine Weile nachzudenken, wie es zugehen moͤgte, daß man den Klang der Worte durch Bleyſtift und Papier ausdruͤcken koͤnne. So emſig ſie einer Seits waren, uns ihre Sprache zu lehren; ſo neugierig waren ſie anderer Seits auch, etwas von der unſrigen zu lernen, und ſprachen alles was wir ihnen davon vorſagten, mit bewundrungswuͤrdiger Fertigkeit ganz genau nach. Um die Biegſamkeit ihrer Organe noch mehr auf die Probe zu ſetzen; verſuchten wirs, ihnen die ſchwer- ſten Toͤne aus allen uns bekannten europaͤiſchen Sprachen, z. B. das zuſam- mengeſetzte rußiſche ſchtſch anzugeben; aber auch da blieben ſie nicht ſtecken, ſondern ſprachen es, gleich aufs erſtemal, ohne Muͤhe und ohne Fehl nach. Kaum hatten wir ihnen die Namen unſrer Zahlen vorgeſagt, als ſie ſolche ſehr ſchnell an den Fingern wiederholten; kurz: was ihnen an coͤrperlichen Vorzuͤgen abgieng, wurde durch ihren Scharfſinn voͤllig erſetzt. Wir wuͤnſchten verſchie- dene von ihren Waffen einzukaufen, fanden ſie aber nicht geneigt uns welche

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/184>, abgerufen am 14.05.2024.