ohne Zweifel um Rath zu halten, was bey so critischen Zeitläuften zu thun sey?1774. Julius. Wir unsers Theils setzten uns indessen ganz ruhig zum Frühstück nieder.
Um 9. Uhr ließen sich wiederum einige Canots sehen; sie ruderten rund um das Schiff her, thaten aber noch sehr schüchtern und besorgt. Wir winkten ihnen daher mit einem Zweige der dracaena terminalis, den sie selbst uns gestern als ein Friedenszeichen überreicht hatten. Sobald sie dies gewahr wurden, tauchten sie ihre Hände in die See, legten sie alsdenn auf die Köpfe und kamen näher heran, um einige Geschenke in Empfang zu nehmen, die ih- nen der Capitain aus dem Schiff herab ließ, und womit sie sich ans Land zurück- begaben. Wir folgten ihnen in zweyen von unsern Booten, darinn der Capi- tain, mein Vater, der Dr. Sparrmann, ich und noch einige andere, nebst einem Detaschement von See-Soldaten befindlich waren. Ohngefähr 30. Schrit- te weit vor dem Ufer lief ein Rief längst der Küste hin, innerhalb dessen das Wasser so seichte ward, daß wir aussteigen und bis an den Strand waden mußten. Unsere See-Soldaten formirten sich daselbst im Angesicht von wenigstens 300. Indianern, die zwar alle bewaffnet waren, sich aber ganz friedfertig und freundlich gegen uns bezeugten. Ein Mann von mittlerm Alter, der von größerer Sta- tur als die übrigen, und dem Ansehen nach ein Befehlshaber war, gab seinen Bogen und Köcher einem andern in Verwahrung, kam sodann unbewafnet an den Strand herab, und reichte uns zum Zeichen der Freundschaft und Aussöh- nung, die Hand. Darauf ließ er ein Ferken herbey bringen, und überreichte es dem Capitain zum Geschenk, vielleicht um das Vergehen seines Landsman- nes dadurch wieder gut zu machen; vielleicht aber auch, um die Erneuerung des Friedens zu bestätigen. Dieser Auftritt ist von Herrn Hodges gezeichnet und zu Capitain Cooks Reise sehr schön in Kupfer gestochen. Nach Endigung dieses Geschäfts, gaben wir ihnen zu verstehen, daß es uns an Brennholz fehle. Diesem Mangel abzuhelfen, wiesen sie uns dicht am Strande einige Bäume an, die wir auch gleich auf der Stelle umhauen und in Stücken sägen ließen. Der Strand war in dieser Gegend nicht über 15 Schritte breit; daher wir uns, im Fall eines Angriffs, in einer sehr gefährlichen Lage würden befunden haben. Um also einigermaßen gedeckt zu seyn, ließ der Capitain eine Linie vor der Fronte ziehen, und den Indianern andeuten, daß sie jenseits derselben bleiben
Forster's Reise u. d. W. zweyter Th. Y
in den Jahren 1772 bis 1775.
ohne Zweifel um Rath zu halten, was bey ſo critiſchen Zeitlaͤuften zu thun ſey?1774. Julius. Wir unſers Theils ſetzten uns indeſſen ganz ruhig zum Fruͤhſtuͤck nieder.
Um 9. Uhr ließen ſich wiederum einige Canots ſehen; ſie ruderten rund um das Schiff her, thaten aber noch ſehr ſchuͤchtern und beſorgt. Wir winkten ihnen daher mit einem Zweige der dracaena terminalis, den ſie ſelbſt uns geſtern als ein Friedenszeichen uͤberreicht hatten. Sobald ſie dies gewahr wurden, tauchten ſie ihre Haͤnde in die See, legten ſie alsdenn auf die Koͤpfe und kamen naͤher heran, um einige Geſchenke in Empfang zu nehmen, die ih- nen der Capitain aus dem Schiff herab ließ, und womit ſie ſich ans Land zuruͤck- begaben. Wir folgten ihnen in zweyen von unſern Booten, darinn der Capi- tain, mein Vater, der Dr. Sparrmann, ich und noch einige andere, nebſt einem Detaſchement von See-Soldaten befindlich waren. Ohngefaͤhr 30. Schrit- te weit vor dem Ufer lief ein Rief laͤngſt der Kuͤſte hin, innerhalb deſſen das Waſſer ſo ſeichte ward, daß wir ausſteigen und bis an den Strand waden mußten. Unſere See-Soldaten formirten ſich daſelbſt im Angeſicht von wenigſtens 300. Indianern, die zwar alle bewaffnet waren, ſich aber ganz friedfertig und freundlich gegen uns bezeugten. Ein Mann von mittlerm Alter, der von groͤßerer Sta- tur als die uͤbrigen, und dem Anſehen nach ein Befehlshaber war, gab ſeinen Bogen und Koͤcher einem andern in Verwahrung, kam ſodann unbewafnet an den Strand herab, und reichte uns zum Zeichen der Freundſchaft und Ausſoͤh- nung, die Hand. Darauf ließ er ein Ferken herbey bringen, und uͤberreichte es dem Capitain zum Geſchenk, vielleicht um das Vergehen ſeines Landsman- nes dadurch wieder gut zu machen; vielleicht aber auch, um die Erneuerung des Friedens zu beſtaͤtigen. Dieſer Auftritt iſt von Herrn Hodges gezeichnet und zu Capitain Cooks Reiſe ſehr ſchoͤn in Kupfer geſtochen. Nach Endigung dieſes Geſchaͤfts, gaben wir ihnen zu verſtehen, daß es uns an Brennholz fehle. Dieſem Mangel abzuhelfen, wieſen ſie uns dicht am Strande einige Baͤume an, die wir auch gleich auf der Stelle umhauen und in Stuͤcken ſaͤgen ließen. Der Strand war in dieſer Gegend nicht uͤber 15 Schritte breit; daher wir uns, im Fall eines Angriffs, in einer ſehr gefaͤhrlichen Lage wuͤrden befunden haben. Um alſo einigermaßen gedeckt zu ſeyn, ließ der Capitain eine Linie vor der Fronte ziehen, und den Indianern andeuten, daß ſie jenſeits derſelben bleiben
Forſter’s Reiſe u. d. W. zweyter Th. Y
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in den Jahren 1772 bis 1775.
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Wir unſers Theils ſetzten uns indeſſen ganz ruhig zum Fruͤhſtuͤck nieder.
1774.
Julius.
Um 9. Uhr ließen ſich wiederum einige Canots ſehen; ſie ruderten rund
um das Schiff her, thaten aber noch ſehr ſchuͤchtern und beſorgt. Wir winkten
ihnen daher mit einem Zweige der dracaena terminalis, den ſie ſelbſt uns
geſtern als ein Friedenszeichen uͤberreicht hatten. Sobald ſie dies gewahr
wurden, tauchten ſie ihre Haͤnde in die See, legten ſie alsdenn auf die Koͤpfe
und kamen naͤher heran, um einige Geſchenke in Empfang zu nehmen, die ih-
nen der Capitain aus dem Schiff herab ließ, und womit ſie ſich ans Land zuruͤck-
begaben. Wir folgten ihnen in zweyen von unſern Booten, darinn der Capi-
tain, mein Vater, der Dr. Sparrmann, ich und noch einige andere, nebſt
einem Detaſchement von See-Soldaten befindlich waren. Ohngefaͤhr 30. Schrit-
te weit vor dem Ufer lief ein Rief laͤngſt der Kuͤſte hin, innerhalb deſſen das
Waſſer ſo ſeichte ward, daß wir ausſteigen und bis an den Strand waden mußten.
Unſere See-Soldaten formirten ſich daſelbſt im Angeſicht von wenigſtens 300.
Indianern, die zwar alle bewaffnet waren, ſich aber ganz friedfertig und freundlich
gegen uns bezeugten. Ein Mann von mittlerm Alter, der von groͤßerer Sta-
tur als die uͤbrigen, und dem Anſehen nach ein Befehlshaber war, gab ſeinen
Bogen und Koͤcher einem andern in Verwahrung, kam ſodann unbewafnet an
den Strand herab, und reichte uns zum Zeichen der Freundſchaft und Ausſoͤh-
nung, die Hand. Darauf ließ er ein Ferken herbey bringen, und uͤberreichte
es dem Capitain zum Geſchenk, vielleicht um das Vergehen ſeines Landsman-
nes dadurch wieder gut zu machen; vielleicht aber auch, um die Erneuerung des
Friedens zu beſtaͤtigen. Dieſer Auftritt iſt von Herrn Hodges gezeichnet und
zu Capitain Cooks Reiſe ſehr ſchoͤn in Kupfer geſtochen. Nach Endigung
dieſes Geſchaͤfts, gaben wir ihnen zu verſtehen, daß es uns an Brennholz
fehle. Dieſem Mangel abzuhelfen, wieſen ſie uns dicht am Strande einige
Baͤume an, die wir auch gleich auf der Stelle umhauen und in Stuͤcken ſaͤgen
ließen. Der Strand war in dieſer Gegend nicht uͤber 15 Schritte breit; daher
wir uns, im Fall eines Angriffs, in einer ſehr gefaͤhrlichen Lage wuͤrden befunden
haben. Um alſo einigermaßen gedeckt zu ſeyn, ließ der Capitain eine Linie vor der
Fronte ziehen, und den Indianern andeuten, daß ſie jenſeits derſelben bleiben
Forſter’s Reiſe u. d. W. zweyter Th. Y
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/183>, abgerufen am 23.11.2024.
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