Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Junius.zurichten gewesen. Unter dieser Zeit sahe Herr Patton ein Canot vom Schiffe zurück kommen; er rief also dem Eigenthümer desselben zu, und bot seinen letzten Nagel dafür, wenn jener ihn zu uns an Bord übersetzen wollte. Schon war er im Begriff ins Canot zu treten, als man ihm seine Vogelflinte aus den Händen riß, die Endten selbst bis auf drey Stück abnahm, und das Canot fortschickte. Man kann leicht denken, wie bestürzt und besorgt ihn diese Begegnung machte. Nun blieb ihm, nichts anders übrig, als wieder nach der Felsen-Klippe umzukehren, und sich damit zu trösten, daß man ihn dort, vom Schiffe aus, bemerken und zu seiner Befreyung herbey eilen würde. Da ihn aber die Indianer nun gänzlich wehrlos sahen, so hielten sie auch nicht länger zurück, sondern fiengen sogleich an, ihn bey den Kleidern zu zupfen, und ehe er sichs versah, war Halstuch und Schnupftuch fort. Das hätte er gern verschmerzt, aber nun sollte die Reihe auch an den Rock kommen, und einige von den Räubern droheten ihm aufs neue mit ihren Waffen. Er erwartete also jeden Augenblick den Tod als sein unvermeidliches Schicksal, fühlete aber doch in der größten Angst noch in allen Taschen herum, ob ihm nicht ein Messer oder sonst etwas zu seiner Vertheidigung übrig sey; es fand sich aber nichts, als ein elendes Zahnstocher-Etui. Dies machte er auf, und hielt es sogleich als ein Terzerol dem ganzen Trupp entgegen, der sich auch aus Besorgniß vor dem unbekannten Dinge alsbald ein paar Schritte weit zurück zog. Man kann leicht glauben, daß er bey der geringsten Bewegung seiner Feinde gewiß nicht unterlassen haben wird, ihnen dies fürchterliche Mordge- wehr jedesmal mit Drohen entgegen zu halten; da er aber keine Austalten zu seiner Rettung gewahr ward, und sich vor Hitze, Müdigkeit und Abmattung nicht mehr zu lassen wußte, so fieng er bereits, in Verzweiflung auf die fernern Dienste seines getreuen Zahnstocher-Etuis, an, sein Leben aufzugeben, als eine wohlgebildete junge Frauensperson ihn in Schutz nahm. Mit fliegendem Haar trat sie aus dem Gedränge zu ihm. Unschuld, Güte und zärtliches Mitleid waren so deutlich in ihren Mienen zu lesen, daß er sich alles Guten zu ihr versehen durfte. Sie reichte ihm ein Stück von einer Pompelmuß; und weil er es mit Begierde und Dank annahm, so gab sie ihm immer mehr, bis er die ganze Frucht verzehret hatte. Endlich stießen die Boote vom Schif- Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Junius.zurichten geweſen. Unter dieſer Zeit ſahe Herr Patton ein Canot vom Schiffe zuruͤck kommen; er rief alſo dem Eigenthuͤmer deſſelben zu, und bot ſeinen letzten Nagel dafuͤr, wenn jener ihn zu uns an Bord uͤberſetzen wollte. Schon war er im Begriff ins Canot zu treten, als man ihm ſeine Vogelflinte aus den Haͤnden riß, die Endten ſelbſt bis auf drey Stuͤck abnahm, und das Canot fortſchickte. Man kann leicht denken, wie beſtuͤrzt und beſorgt ihn dieſe Begegnung machte. Nun blieb ihm, nichts anders uͤbrig, als wieder nach der Felſen-Klippe umzukehren, und ſich damit zu troͤſten, daß man ihn dort, vom Schiffe aus, bemerken und zu ſeiner Befreyung herbey eilen wuͤrde. Da ihn aber die Indianer nun gaͤnzlich wehrlos ſahen, ſo hielten ſie auch nicht laͤnger zuruͤck, ſondern fiengen ſogleich an, ihn bey den Kleidern zu zupfen, und ehe er ſichs verſah, war Halstuch und Schnupftuch fort. Das haͤtte er gern verſchmerzt, aber nun ſollte die Reihe auch an den Rock kommen, und einige von den Raͤubern droheten ihm aufs neue mit ihren Waffen. Er erwartete alſo jeden Augenblick den Tod als ſein unvermeidliches Schickſal, fuͤhlete aber doch in der groͤßten Angſt noch in allen Taſchen herum, ob ihm nicht ein Meſſer oder ſonſt etwas zu ſeiner Vertheidigung uͤbrig ſey; es fand ſich aber nichts, als ein elendes Zahnſtocher-Etui. Dies machte er auf, und hielt es ſogleich als ein Terzerol dem ganzen Trupp entgegen, der ſich auch aus Beſorgniß vor dem unbekannten Dinge alsbald ein paar Schritte weit zuruͤck zog. Man kann leicht glauben, daß er bey der geringſten Bewegung ſeiner Feinde gewiß nicht unterlaſſen haben wird, ihnen dies fuͤrchterliche Mordge- wehr jedesmal mit Drohen entgegen zu halten; da er aber keine Auſtalten zu ſeiner Rettung gewahr ward, und ſich vor Hitze, Muͤdigkeit und Abmattung nicht mehr zu laſſen wußte, ſo fieng er bereits, in Verzweiflung auf die fernern Dienſte ſeines getreuen Zahnſtocher-Etuis, an, ſein Leben aufzugeben, als eine wohlgebildete junge Frauensperſon ihn in Schutz nahm. Mit fliegendem Haar trat ſie aus dem Gedraͤnge zu ihm. Unſchuld, Guͤte und zaͤrtliches Mitleid waren ſo deutlich in ihren Mienen zu leſen, daß er ſich alles Guten zu ihr verſehen durfte. Sie reichte ihm ein Stuͤck von einer Pompelmuß; und weil er es mit Begierde und Dank annahm, ſo gab ſie ihm immer mehr, bis er die ganze Frucht verzehret hatte. Endlich ſtießen die Boote vom Schif- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0154" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> Junius.</note>zurichten geweſen. Unter dieſer Zeit ſahe Herr <hi rendition="#fr"><persName>Patton</persName></hi> ein Canot vom<lb/> Schiffe zuruͤck kommen; er rief alſo dem Eigenthuͤmer deſſelben zu, und bot<lb/> ſeinen letzten Nagel dafuͤr, wenn jener ihn zu uns an Bord uͤberſetzen wollte.<lb/> Schon war er im Begriff ins Canot zu treten, als man ihm ſeine Vogelflinte aus<lb/> den Haͤnden riß, die Endten ſelbſt bis auf drey Stuͤck abnahm, und<lb/> das Canot fortſchickte. Man kann leicht denken, wie beſtuͤrzt und beſorgt ihn<lb/> dieſe Begegnung machte. Nun blieb ihm, nichts anders uͤbrig, als<lb/> wieder nach der Felſen-Klippe umzukehren, und ſich damit zu troͤſten, daß<lb/> man ihn dort, vom Schiffe aus, bemerken und zu ſeiner Befreyung herbey eilen<lb/> wuͤrde. Da ihn aber die Indianer nun gaͤnzlich wehrlos ſahen, ſo hielten ſie<lb/> auch nicht laͤnger zuruͤck, ſondern fiengen ſogleich an, ihn bey den Kleidern zu<lb/> zupfen, und ehe er ſichs verſah, war Halstuch und Schnupftuch fort. Das<lb/> haͤtte er gern verſchmerzt, aber nun ſollte die Reihe auch an den Rock kommen,<lb/> und einige von den Raͤubern droheten ihm aufs neue mit ihren Waffen. Er<lb/> erwartete alſo jeden Augenblick den Tod als ſein unvermeidliches Schickſal,<lb/> fuͤhlete aber doch in der groͤßten Angſt noch in allen Taſchen herum, ob ihm<lb/> nicht ein Meſſer oder ſonſt etwas zu ſeiner Vertheidigung uͤbrig ſey; es fand<lb/> ſich aber nichts, als ein elendes <hi rendition="#fr">Zahnſtocher-Etui</hi>. Dies machte er auf, und<lb/> hielt es ſogleich als ein Terzerol dem ganzen Trupp entgegen, der ſich auch aus<lb/> Beſorgniß vor dem unbekannten Dinge alsbald ein paar Schritte weit zuruͤck<lb/> zog. Man kann leicht glauben, daß er bey der geringſten Bewegung ſeiner<lb/> Feinde gewiß nicht unterlaſſen haben wird, ihnen dies fuͤrchterliche Mordge-<lb/> wehr jedesmal mit Drohen entgegen zu halten; da er aber keine Auſtalten zu<lb/> ſeiner Rettung gewahr ward, und ſich vor Hitze, Muͤdigkeit und Abmattung<lb/> nicht mehr zu laſſen wußte, ſo fieng er bereits, in Verzweiflung auf die fernern<lb/> Dienſte ſeines getreuen Zahnſtocher-Etuis, an, ſein Leben aufzugeben, als eine<lb/> wohlgebildete junge Frauensperſon ihn in Schutz nahm. Mit fliegendem<lb/> Haar trat ſie aus dem Gedraͤnge zu ihm. Unſchuld, Guͤte und zaͤrtliches<lb/> Mitleid waren ſo deutlich in ihren Mienen zu leſen, daß er ſich alles Guten<lb/> zu ihr verſehen durfte. Sie reichte ihm ein Stuͤck von einer <hi rendition="#fr">Pompelmuß</hi>;<lb/> und weil er es mit Begierde und Dank annahm, ſo gab ſie ihm immer mehr,<lb/> bis er die ganze Frucht verzehret hatte. Endlich ſtießen die Boote vom Schif-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [142/0154]
Forſter’s Reiſe um die Welt
zurichten geweſen. Unter dieſer Zeit ſahe Herr Patton ein Canot vom
Schiffe zuruͤck kommen; er rief alſo dem Eigenthuͤmer deſſelben zu, und bot
ſeinen letzten Nagel dafuͤr, wenn jener ihn zu uns an Bord uͤberſetzen wollte.
Schon war er im Begriff ins Canot zu treten, als man ihm ſeine Vogelflinte aus
den Haͤnden riß, die Endten ſelbſt bis auf drey Stuͤck abnahm, und
das Canot fortſchickte. Man kann leicht denken, wie beſtuͤrzt und beſorgt ihn
dieſe Begegnung machte. Nun blieb ihm, nichts anders uͤbrig, als
wieder nach der Felſen-Klippe umzukehren, und ſich damit zu troͤſten, daß
man ihn dort, vom Schiffe aus, bemerken und zu ſeiner Befreyung herbey eilen
wuͤrde. Da ihn aber die Indianer nun gaͤnzlich wehrlos ſahen, ſo hielten ſie
auch nicht laͤnger zuruͤck, ſondern fiengen ſogleich an, ihn bey den Kleidern zu
zupfen, und ehe er ſichs verſah, war Halstuch und Schnupftuch fort. Das
haͤtte er gern verſchmerzt, aber nun ſollte die Reihe auch an den Rock kommen,
und einige von den Raͤubern droheten ihm aufs neue mit ihren Waffen. Er
erwartete alſo jeden Augenblick den Tod als ſein unvermeidliches Schickſal,
fuͤhlete aber doch in der groͤßten Angſt noch in allen Taſchen herum, ob ihm
nicht ein Meſſer oder ſonſt etwas zu ſeiner Vertheidigung uͤbrig ſey; es fand
ſich aber nichts, als ein elendes Zahnſtocher-Etui. Dies machte er auf, und
hielt es ſogleich als ein Terzerol dem ganzen Trupp entgegen, der ſich auch aus
Beſorgniß vor dem unbekannten Dinge alsbald ein paar Schritte weit zuruͤck
zog. Man kann leicht glauben, daß er bey der geringſten Bewegung ſeiner
Feinde gewiß nicht unterlaſſen haben wird, ihnen dies fuͤrchterliche Mordge-
wehr jedesmal mit Drohen entgegen zu halten; da er aber keine Auſtalten zu
ſeiner Rettung gewahr ward, und ſich vor Hitze, Muͤdigkeit und Abmattung
nicht mehr zu laſſen wußte, ſo fieng er bereits, in Verzweiflung auf die fernern
Dienſte ſeines getreuen Zahnſtocher-Etuis, an, ſein Leben aufzugeben, als eine
wohlgebildete junge Frauensperſon ihn in Schutz nahm. Mit fliegendem
Haar trat ſie aus dem Gedraͤnge zu ihm. Unſchuld, Guͤte und zaͤrtliches
Mitleid waren ſo deutlich in ihren Mienen zu leſen, daß er ſich alles Guten
zu ihr verſehen durfte. Sie reichte ihm ein Stuͤck von einer Pompelmuß;
und weil er es mit Begierde und Dank annahm, ſo gab ſie ihm immer mehr,
bis er die ganze Frucht verzehret hatte. Endlich ſtießen die Boote vom Schif-
1774.
Junius.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |