Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
Junius.
herzigen Tahitier gebracht worden sey, da diese doch schon lange zuvor davon an-
gesteckt gewesen sind und sie sogar zu heilen wissen. *) Ja was noch mehr ist;
das, Gift derselben scheint hier bereits eben so sehr entkräftet und gemildert zu
seyn als es dermalen in Süd-Amerika ist. Dies pflegt aber bey dergleichen
Seuchen nicht ehe zu erfolgen, als bis sie schon eine geraume Zeit gewüthet
haben, doch können hieran das gesunde Clima und die einfache Kost dieser
Insulaner allerdings mit Ursach seyn. Uebrigens bin ich weit entfernt
zu glauben, daß diese Pest aus Europa nach Amerika gekommen sey. Nein!
eben die Ursachen, welche sie in einem Welttheile veranlaßten, konnten sie auch
in jedem andern hervorbringen. -- Die Ausschweifungen unsrer Ma-
trosen mit den Weibern auf Tongatabu und den Marquesas-Inseln, ja
selbst ihr Verkehr mit den unzüchtigen Dirnen auf Oster-Eyland, hatten keine
üblen Folgen. Daraus läßt sich vielleicht schließen, daß diese Inseln zur Zeit
noch nicht angesteckt sind; ich sage vielleicht, denn, so viel Anschein derglei-
chen Folgerungen auch vor sich haben, so können sie dennoch wohl trügen. **)
Dies beweißt Capitain Wallis Beyspiel. Er verließ Tahiti, ohne einen einzigen
venerischen Patienten an Bord zu haben, und gleichwohl war daselbst die Krank-
heit schon zuvor eingerissen! Daß endlich auch unter den Neu-Seeländern diese
Krankheit bereits vorhanden gewesen sey, ehe noch die Europäer Umgang mit
ihnen gehabt haben, ist wohl ebenfalls außer allen Zweifel. ***)

Nachmittags paßirten wir die Insel Maurua und steuerten mit einem
guten Passatwinde nach Westen. Um 6 Uhr des Morgens entdeckten wir die
Insel, welche Capitain Wallis, Lord Howe's-Eyland genannt hat. Sie be-
stehet aus niedrigen Coral-Riefen, und hat einen Landsee in der Mitte. Der
Lage nach muß es eben dieselbe seyn, welche bey den Bewohnern der Socie-
täts-Inseln
unter dem Namen Mopihah bekannt ist. Unsern Beobachtun-
gen zufolge, liegt sie im 16ten Grad 46 Secunden südlicher Breite und unterm
154sten Grad 8 Secunden westlicher Länge. In der Nachbarschaft derselben
hielten sich einige Pelecane und Dölpel (boobies) auf; von Menschen aber
schien sie gänzlich unbewohnt zu seyn.


Am
*) S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. Th. II. Seite 230.
**) Siehe oben Theil I. S. 279.
***) Siehe Theil I. S. 179.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Junius.
herzigen Tahitier gebracht worden ſey, da dieſe doch ſchon lange zuvor davon an-
geſteckt geweſen ſind und ſie ſogar zu heilen wiſſen. *) Ja was noch mehr iſt;
das, Gift derſelben ſcheint hier bereits eben ſo ſehr entkraͤftet und gemildert zu
ſeyn als es dermalen in Suͤd-Amerika iſt. Dies pflegt aber bey dergleichen
Seuchen nicht ehe zu erfolgen, als bis ſie ſchon eine geraume Zeit gewuͤthet
haben, doch koͤnnen hieran das geſunde Clima und die einfache Koſt dieſer
Inſulaner allerdings mit Urſach ſeyn. Uebrigens bin ich weit entfernt
zu glauben, daß dieſe Peſt aus Europa nach Amerika gekommen ſey. Nein!
eben die Urſachen, welche ſie in einem Welttheile veranlaßten, konnten ſie auch
in jedem andern hervorbringen. — Die Ausſchweifungen unſrer Ma-
troſen mit den Weibern auf Tongatabu und den Marqueſas-Inſeln, ja
ſelbſt ihr Verkehr mit den unzuͤchtigen Dirnen auf Oſter-Eyland, hatten keine
uͤblen Folgen. Daraus laͤßt ſich vielleicht ſchließen, daß dieſe Inſeln zur Zeit
noch nicht angeſteckt ſind; ich ſage vielleicht, denn, ſo viel Anſchein derglei-
chen Folgerungen auch vor ſich haben, ſo koͤnnen ſie dennoch wohl truͤgen. **)
Dies beweißt Capitain Wallis Beyſpiel. Er verließ Tahiti, ohne einen einzigen
veneriſchen Patienten an Bord zu haben, und gleichwohl war daſelbſt die Krank-
heit ſchon zuvor eingeriſſen! Daß endlich auch unter den Neu-Seelaͤndern dieſe
Krankheit bereits vorhanden geweſen ſey, ehe noch die Europaͤer Umgang mit
ihnen gehabt haben, iſt wohl ebenfalls außer allen Zweifel. ***)

Nachmittags paßirten wir die Inſel Maurua und ſteuerten mit einem
guten Paſſatwinde nach Weſten. Um 6 Uhr des Morgens entdeckten wir die
Inſel, welche Capitain Wallis, Lord Howe’s-Eyland genannt hat. Sie be-
ſtehet aus niedrigen Coral-Riefen, und hat einen Landſee in der Mitte. Der
Lage nach muß es eben dieſelbe ſeyn, welche bey den Bewohnern der Socie-
taͤts-Inſeln
unter dem Namen Mopihah bekannt iſt. Unſern Beobachtun-
gen zufolge, liegt ſie im 16ten Grad 46 Secunden ſuͤdlicher Breite und unterm
154ſten Grad 8 Secunden weſtlicher Laͤnge. In der Nachbarſchaft derſelben
hielten ſich einige Pelecane und Doͤlpel (boobies) auf; von Menſchen aber
ſchien ſie gaͤnzlich unbewohnt zu ſeyn.


Am
*) S. Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen, in 4. Th. II. Seite 230.
**) Siehe oben Theil I. S. 279.
***) Siehe Theil I. S. 179.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
Junius.</note>herzigen <hi rendition="#fr">Tahitier</hi> gebracht worden &#x017F;ey, da die&#x017F;e doch &#x017F;chon lange zuvor davon an-<lb/>
ge&#x017F;teckt gewe&#x017F;en &#x017F;ind und &#x017F;ie &#x017F;ogar zu heilen wi&#x017F;&#x017F;en. <note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#fr"><persName>Hawkesworths</persName></hi> Ge&#x017F;chichte der engl. See-Rei&#x017F;en, in 4. Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> Seite 230.</note> Ja was noch mehr i&#x017F;t;<lb/>
das, Gift der&#x017F;elben &#x017F;cheint hier bereits eben &#x017F;o &#x017F;ehr entkra&#x0364;ftet und gemildert zu<lb/>
&#x017F;eyn als es dermalen in <placeName>Su&#x0364;d-Amerika</placeName> i&#x017F;t. Dies pflegt aber bey dergleichen<lb/>
Seuchen nicht ehe zu erfolgen, als bis &#x017F;ie &#x017F;chon eine geraume Zeit gewu&#x0364;thet<lb/>
haben, doch ko&#x0364;nnen hieran das ge&#x017F;unde Clima und die einfache Ko&#x017F;t die&#x017F;er<lb/>
In&#x017F;ulaner allerdings mit Ur&#x017F;ach &#x017F;eyn. Uebrigens bin ich weit entfernt<lb/>
zu glauben, daß die&#x017F;e Pe&#x017F;t aus <placeName>Europa</placeName> nach <placeName>Amerika</placeName> gekommen &#x017F;ey. Nein!<lb/>
eben die Ur&#x017F;achen, welche &#x017F;ie in <hi rendition="#fr">einem</hi> Welttheile veranlaßten, konnten &#x017F;ie auch<lb/>
in jedem <hi rendition="#fr">andern</hi> hervorbringen. &#x2014; Die Aus&#x017F;chweifungen un&#x017F;rer Ma-<lb/>
tro&#x017F;en mit den Weibern auf <hi rendition="#fr"><placeName>Tongatabu</placeName></hi> und den <hi rendition="#fr"><placeName>Marque&#x017F;as-In&#x017F;eln</placeName></hi>, ja<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ihr Verkehr mit den unzu&#x0364;chtigen Dirnen auf <hi rendition="#fr"><placeName>O&#x017F;ter-Eyland</placeName></hi>, hatten keine<lb/>
u&#x0364;blen Folgen. Daraus la&#x0364;ßt &#x017F;ich vielleicht &#x017F;chließen, daß die&#x017F;e In&#x017F;eln zur Zeit<lb/>
noch nicht ange&#x017F;teckt &#x017F;ind; ich &#x017F;age <hi rendition="#fr">vielleicht</hi>, denn, &#x017F;o viel An&#x017F;chein derglei-<lb/>
chen Folgerungen auch vor &#x017F;ich haben, &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie dennoch wohl tru&#x0364;gen. <note place="foot" n="**)">Siehe oben Theil <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 279.</note><lb/>
Dies beweißt Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Wallis</persName></hi> Bey&#x017F;piel. Er verließ <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi>, ohne einen einzigen<lb/>
veneri&#x017F;chen Patienten an Bord zu haben, und gleichwohl war da&#x017F;elb&#x017F;t die Krank-<lb/>
heit &#x017F;chon zuvor eingeri&#x017F;&#x017F;en! Daß endlich auch unter den <hi rendition="#fr">Neu-Seela&#x0364;ndern</hi> die&#x017F;e<lb/>
Krankheit bereits vorhanden gewe&#x017F;en &#x017F;ey, ehe noch die Europa&#x0364;er Umgang mit<lb/>
ihnen gehabt haben, i&#x017F;t wohl ebenfalls außer allen Zweifel. <note place="foot" n="***)">Siehe Theil <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 179.</note></p><lb/>
        <p>Nachmittags paßirten wir die In&#x017F;el <hi rendition="#fr"><placeName>Maurua</placeName></hi> und &#x017F;teuerten mit einem<lb/>
guten Pa&#x017F;&#x017F;atwinde nach We&#x017F;ten. Um 6 Uhr des Morgens entdeckten wir die<lb/>
In&#x017F;el, welche Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Wallis</persName>, <placeName>Lord Howe&#x2019;s-Eyland</placeName></hi> genannt hat. Sie be-<lb/>
&#x017F;tehet aus niedrigen Coral-Riefen, und hat einen Land&#x017F;ee in der Mitte. Der<lb/>
Lage nach muß es eben die&#x017F;elbe &#x017F;eyn, welche bey den Bewohnern der <hi rendition="#fr"><placeName>Socie-<lb/>
ta&#x0364;ts-In&#x017F;eln</placeName></hi> unter dem Namen <hi rendition="#fr"><placeName>Mopihah</placeName></hi> bekannt i&#x017F;t. Un&#x017F;ern Beobachtun-<lb/>
gen zufolge, liegt &#x017F;ie im 16ten Grad 46 Secunden &#x017F;u&#x0364;dlicher Breite und unterm<lb/>
154&#x017F;ten Grad 8 Secunden we&#x017F;tlicher La&#x0364;nge. In der Nachbar&#x017F;chaft der&#x017F;elben<lb/>
hielten &#x017F;ich einige <hi rendition="#fr">Pelecane</hi> und <hi rendition="#fr">Do&#x0364;lpel</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">boobies</hi></hi>) auf; von Men&#x017F;chen aber<lb/>
&#x017F;chien &#x017F;ie ga&#x0364;nzlich unbewohnt zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Am</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0140] Forſter’s Reiſe um die Welt herzigen Tahitier gebracht worden ſey, da dieſe doch ſchon lange zuvor davon an- geſteckt geweſen ſind und ſie ſogar zu heilen wiſſen. *) Ja was noch mehr iſt; das, Gift derſelben ſcheint hier bereits eben ſo ſehr entkraͤftet und gemildert zu ſeyn als es dermalen in Suͤd-Amerika iſt. Dies pflegt aber bey dergleichen Seuchen nicht ehe zu erfolgen, als bis ſie ſchon eine geraume Zeit gewuͤthet haben, doch koͤnnen hieran das geſunde Clima und die einfache Koſt dieſer Inſulaner allerdings mit Urſach ſeyn. Uebrigens bin ich weit entfernt zu glauben, daß dieſe Peſt aus Europa nach Amerika gekommen ſey. Nein! eben die Urſachen, welche ſie in einem Welttheile veranlaßten, konnten ſie auch in jedem andern hervorbringen. — Die Ausſchweifungen unſrer Ma- troſen mit den Weibern auf Tongatabu und den Marqueſas-Inſeln, ja ſelbſt ihr Verkehr mit den unzuͤchtigen Dirnen auf Oſter-Eyland, hatten keine uͤblen Folgen. Daraus laͤßt ſich vielleicht ſchließen, daß dieſe Inſeln zur Zeit noch nicht angeſteckt ſind; ich ſage vielleicht, denn, ſo viel Anſchein derglei- chen Folgerungen auch vor ſich haben, ſo koͤnnen ſie dennoch wohl truͤgen. **) Dies beweißt Capitain Wallis Beyſpiel. Er verließ Tahiti, ohne einen einzigen veneriſchen Patienten an Bord zu haben, und gleichwohl war daſelbſt die Krank- heit ſchon zuvor eingeriſſen! Daß endlich auch unter den Neu-Seelaͤndern dieſe Krankheit bereits vorhanden geweſen ſey, ehe noch die Europaͤer Umgang mit ihnen gehabt haben, iſt wohl ebenfalls außer allen Zweifel. ***) 1774. Junius. Nachmittags paßirten wir die Inſel Maurua und ſteuerten mit einem guten Paſſatwinde nach Weſten. Um 6 Uhr des Morgens entdeckten wir die Inſel, welche Capitain Wallis, Lord Howe’s-Eyland genannt hat. Sie be- ſtehet aus niedrigen Coral-Riefen, und hat einen Landſee in der Mitte. Der Lage nach muß es eben dieſelbe ſeyn, welche bey den Bewohnern der Socie- taͤts-Inſeln unter dem Namen Mopihah bekannt iſt. Unſern Beobachtun- gen zufolge, liegt ſie im 16ten Grad 46 Secunden ſuͤdlicher Breite und unterm 154ſten Grad 8 Secunden weſtlicher Laͤnge. In der Nachbarſchaft derſelben hielten ſich einige Pelecane und Doͤlpel (boobies) auf; von Menſchen aber ſchien ſie gaͤnzlich unbewohnt zu ſeyn. Am *) S. Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen, in 4. Th. II. Seite 230. **) Siehe oben Theil I. S. 279. ***) Siehe Theil I. S. 179.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/140
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/140>, abgerufen am 24.11.2024.