1774. Junius.bende, Schalt-Monathe seyn mögten, weil die Namen derselben eine so besondre Aehnlichkeit mit dem ersten und fünften haben. Wenn dem also wäre, so würden sie jedesmal nach Verlauf eines gewissen Zeitraums eingeschoben werden müssen. Jeder Monath besteht aus neun und zwanzig Tagen; während der beyden letzten sagen sie, der Mond sey todt, weil er alsdenn nicht zu sehen ist. Hieraus folgt, daß sie den Anfang des Monaths, nicht von der wahren Zeit der Conjunction, sondern von der ersten Erscheinung des Mondes anrechnen. Der fünf und zwan- zigste ihres dreyzehnten Monathes E-Ununu, traf auf unsern dritten Junius, als den Tag, da wir diese Nachricht einzogen.
Der tahitische Name eines Lehrers, Tahowa, wird auch denen beyge- legt, welche sich auf die Heilkräfte solcher Kräuter verstehen, die hier zu Lande als Mittel gegen mancherley Krankheiten angewendet werden. Doch ist leicht zu erachten, daß diese Wissenschaft nur von geringem Umfange seyn könne, weil sie nur von wenig Krankheiten wissen, folglich auch nur wenig und sehr einfache Arzneymittel bedürfen.
Kaum war unser gelehrter Tutawai in seinem Unterricht so weit gekom- men, als die Anker gelichtet wurden, und wir verließen diese Insel am 4ten Junius des Morgens um 10 Uhr. Der König von Raietea, Uuru, welchem der Eroberer O-Puni den Titel und die äußeren Vorzüge der königlichen Würde gelassen hatte, besuchte uns noch mit einigen seiner Verwandten, da wir eben im Begrif waren abzugehen. O-Rea war mit seiner Familie gleichfalls am Bord, und auch Maheine stellte sich mit den Seinigen ein, um Abschied zu nehmen. Der Auftritt war ungemein rührend. Die guten Leute weinten allerseits recht herzlich, am meisten aber der arme Maheine, der unter der Heftigkeit seines Schmerzes gleichsam zu erliegen schien. Er lief von einer Cajütte zur andern, und umar- mete einen jeden, ohne ein Wort sprechen zu können. Sein schluchzendes Seufzen, seine Blicke und seine Thränen lassen sich nicht beschreiben. Als das Schiff endlich anfieng zu seegeln, mußte er sich von uns losreißen, und in sein Boot herabsteigen, doch bleib er, da alle feine Landslente sich bereits niedergesetzt hat- ten, noch immer aufrecht stehen und sahe uns mit unverwandten Augen nach; endlich aber ließ er das Haupt sinken und verhüllte sein Gesicht in seine Kleidung. Wir waren schon weit über den Felsen-Rief hinaus, als er die Hände noch immer
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Junius.bende, Schalt-Monathe ſeyn moͤgten, weil die Namen derſelben eine ſo beſondre Aehnlichkeit mit dem erſten und fuͤnften haben. Wenn dem alſo waͤre, ſo wuͤrden ſie jedesmal nach Verlauf eines gewiſſen Zeitraums eingeſchoben werden muͤſſen. Jeder Monath beſteht aus neun und zwanzig Tagen; waͤhrend der beyden letzten ſagen ſie, der Mond ſey todt, weil er alsdenn nicht zu ſehen iſt. Hieraus folgt, daß ſie den Anfang des Monaths, nicht von der wahren Zeit der Conjunction, ſondern von der erſten Erſcheinung des Mondes anrechnen. Der fuͤnf und zwan- zigſte ihres dreyzehnten Monathes E-Ununu, traf auf unſern dritten Junius, als den Tag, da wir dieſe Nachricht einzogen.
Der tahitiſche Name eines Lehrers, Tahowa, wird auch denen beyge- legt, welche ſich auf die Heilkraͤfte ſolcher Kraͤuter verſtehen, die hier zu Lande als Mittel gegen mancherley Krankheiten angewendet werden. Doch iſt leicht zu erachten, daß dieſe Wiſſenſchaft nur von geringem Umfange ſeyn koͤnne, weil ſie nur von wenig Krankheiten wiſſen, folglich auch nur wenig und ſehr einfache Arzneymittel beduͤrfen.
Kaum war unſer gelehrter Tutawai in ſeinem Unterricht ſo weit gekom- men, als die Anker gelichtet wurden, und wir verließen dieſe Inſel am 4ten Junius des Morgens um 10 Uhr. Der Koͤnig von Raietea, Uuru, welchem der Eroberer O-Puni den Titel und die aͤußeren Vorzuͤge der koͤniglichen Wuͤrde gelaſſen hatte, beſuchte uns noch mit einigen ſeiner Verwandten, da wir eben im Begrif waren abzugehen. O-Rea war mit ſeiner Familie gleichfalls am Bord, und auch Maheine ſtellte ſich mit den Seinigen ein, um Abſchied zu nehmen. Der Auftritt war ungemein ruͤhrend. Die guten Leute weinten allerſeits recht herzlich, am meiſten aber der arme Maheine, der unter der Heftigkeit ſeines Schmerzes gleichſam zu erliegen ſchien. Er lief von einer Cajuͤtte zur andern, und umar- mete einen jeden, ohne ein Wort ſprechen zu koͤnnen. Sein ſchluchzendes Seufzen, ſeine Blicke und ſeine Thraͤnen laſſen ſich nicht beſchreiben. Als das Schiff endlich anfieng zu ſeegeln, mußte er ſich von uns losreißen, und in ſein Boot herabſteigen, doch bleib er, da alle feine Landslente ſich bereits niedergeſetzt hat- ten, noch immer aufrecht ſtehen und ſahe uns mit unverwandten Augen nach; endlich aber ließ er das Haupt ſinken und verhuͤllte ſein Geſicht in ſeine Kleidung. Wir waren ſchon weit uͤber den Felſen-Rief hinaus, als er die Haͤnde noch immer
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Forſter’s Reiſe um die Welt
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ſie jedesmal nach Verlauf eines gewiſſen Zeitraums eingeſchoben werden muͤſſen.
Jeder Monath beſteht aus neun und zwanzig Tagen; waͤhrend der beyden letzten
ſagen ſie, der Mond ſey todt, weil er alsdenn nicht zu ſehen iſt. Hieraus folgt,
daß ſie den Anfang des Monaths, nicht von der wahren Zeit der Conjunction,
ſondern von der erſten Erſcheinung des Mondes anrechnen. Der fuͤnf und zwan-
zigſte ihres dreyzehnten Monathes E-Ununu, traf auf unſern dritten Junius, als
den Tag, da wir dieſe Nachricht einzogen.
1774.
Junius.
Der tahitiſche Name eines Lehrers, Tahowa, wird auch denen beyge-
legt, welche ſich auf die Heilkraͤfte ſolcher Kraͤuter verſtehen, die hier zu Lande
als Mittel gegen mancherley Krankheiten angewendet werden. Doch iſt leicht
zu erachten, daß dieſe Wiſſenſchaft nur von geringem Umfange ſeyn koͤnne, weil
ſie nur von wenig Krankheiten wiſſen, folglich auch nur wenig und ſehr einfache
Arzneymittel beduͤrfen.
Kaum war unſer gelehrter Tutawai in ſeinem Unterricht ſo weit gekom-
men, als die Anker gelichtet wurden, und wir verließen dieſe Inſel am 4ten
Junius des Morgens um 10 Uhr. Der Koͤnig von Raietea, Uuru, welchem
der Eroberer O-Puni den Titel und die aͤußeren Vorzuͤge der koͤniglichen Wuͤrde
gelaſſen hatte, beſuchte uns noch mit einigen ſeiner Verwandten, da wir eben im
Begrif waren abzugehen. O-Rea war mit ſeiner Familie gleichfalls am Bord, und
auch Maheine ſtellte ſich mit den Seinigen ein, um Abſchied zu nehmen. Der
Auftritt war ungemein ruͤhrend. Die guten Leute weinten allerſeits recht herzlich,
am meiſten aber der arme Maheine, der unter der Heftigkeit ſeines Schmerzes
gleichſam zu erliegen ſchien. Er lief von einer Cajuͤtte zur andern, und umar-
mete einen jeden, ohne ein Wort ſprechen zu koͤnnen. Sein ſchluchzendes
Seufzen, ſeine Blicke und ſeine Thraͤnen laſſen ſich nicht beſchreiben. Als das
Schiff endlich anfieng zu ſeegeln, mußte er ſich von uns losreißen, und in ſein Boot
herabſteigen, doch bleib er, da alle feine Landslente ſich bereits niedergeſetzt hat-
ten, noch immer aufrecht ſtehen und ſahe uns mit unverwandten Augen nach;
endlich aber ließ er das Haupt ſinken und verhuͤllte ſein Geſicht in ſeine Kleidung.
Wir waren ſchon weit uͤber den Felſen-Rief hinaus, als er die Haͤnde noch immer
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/136>, abgerufen am 22.07.2024.
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