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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.

Unser Freund Maheine war vielleicht der einzige seines Standes, der nicht so1774.
May.

ganz vergnügt seyn mogte als die übrigen, und das um deswillen, weil man ihm
hier nicht so viel Gunstbezeugungen erwies, als er zu Tahiti genossen hatte. Es
scheint auch hier in der Südsee, wie bey uns, wahr zu seyn, daß ein Prophet
nirgends weniger gilt, als in seinem Vaterlande. Er hatte allhier eine zahl-
reiche Verwandtschaft; aber das nützte ihm zu nichts weiter, als daß alle, die
dazu gehörten, Geschenke von ihm erwarteten, und zwar nicht als eine Gütigkeit,
sondern beynahe als Pflicht. Zu Tahiti hingegen, ward ihm jedes,
noch so geringe Geschenk als eine Freygebigkeit angerechnet, wodurch er sich
Freunde und andre Vortheile zuwege brachte. So lange dem gutherzigen Jun-
gen noch das geringste von denen Seltenheiten übrig blieb, die er auf unserer be-
schwerlichen und zum Theil würklich gefährlichen Reise mit Gefahr seines Lebens
gesammlet hatte; so lange nahm auch das Quälen kein Ende; und ob er gleich
nach und nach alle seine Schätze ohne Rückhaltung dahin gegeben, so schienen
dennoch einige seiner Verwandten laut über seinen Geitz zu klagen. Er, der
ehemals im Stande gewesen war, andern mitzutheilen, mußte nun selbst
wieder bey seinen europäischen Freunden, um ein und anderes bitten, denn die
Habsucht seiner Verwandten hatte ihm kaum noch ein Paar rothe Federn und an-
dre Kleinigkeiten, zum Geschenk für seinen hohen Anverwandten O-Puni, den
König auf Borabora, übrig gelassen. Auf solche Art war es denn kein Wun-
der, daß er sehnlich nach Tahiti zurückzukehren wünschte; er sagte uns auch,
daß, sobald er nur O-Puni und seine übrigen Verwandten auf Borabora be-
suchet haben würde, ihn gewiß nichts abhalten solle, eiligst nach Tahiti und nie
wieder von dannen zu gehen. Dennoch aber würde er gern mit uns nach
England gekommen seyn, wenn wir ihm nur die geringste Hoffnung hätten ma-
chen können, daß wir jemals wieder nach der Südsee zurückkehren würden: Al-
lein, da ihm Capitain Cook ausdrücklich das Gegentheil versichert hatte; so wollte
er dem Vergnügen, unsern Welttheil zu sehen, lieber entsagen, als sich auf
immer von seinem geliebten Vaterlande trennen. Und in Wahrheit, wenn man
bedenkt, was sein Landsmann O-Mai bey uns gelernt hat, so war es für
das Herz und die Sitten unsres unverdorbenen Freundes gewiß am zuträglichsten,
daß er zurückblieb. Die Pracht von London hat er nun freylich nicht kennen

in den Jahren 1772 bis 1775.

Unſer Freund Maheine war vielleicht der einzige ſeines Standes, der nicht ſo1774.
May.

ganz vergnuͤgt ſeyn mogte als die uͤbrigen, und das um deswillen, weil man ihm
hier nicht ſo viel Gunſtbezeugungen erwies, als er zu Tahiti genoſſen hatte. Es
ſcheint auch hier in der Suͤdſee, wie bey uns, wahr zu ſeyn, daß ein Prophet
nirgends weniger gilt, als in ſeinem Vaterlande. Er hatte allhier eine zahl-
reiche Verwandtſchaft; aber das nuͤtzte ihm zu nichts weiter, als daß alle, die
dazu gehoͤrten, Geſchenke von ihm erwarteten, und zwar nicht als eine Guͤtigkeit,
ſondern beynahe als Pflicht. Zu Tahiti hingegen, ward ihm jedes,
noch ſo geringe Geſchenk als eine Freygebigkeit angerechnet, wodurch er ſich
Freunde und andre Vortheile zuwege brachte. So lange dem gutherzigen Jun-
gen noch das geringſte von denen Seltenheiten uͤbrig blieb, die er auf unſerer be-
ſchwerlichen und zum Theil wuͤrklich gefaͤhrlichen Reiſe mit Gefahr ſeines Lebens
geſammlet hatte; ſo lange nahm auch das Quaͤlen kein Ende; und ob er gleich
nach und nach alle ſeine Schaͤtze ohne Ruͤckhaltung dahin gegeben, ſo ſchienen
dennoch einige ſeiner Verwandten laut uͤber ſeinen Geitz zu klagen. Er, der
ehemals im Stande geweſen war, andern mitzutheilen, mußte nun ſelbſt
wieder bey ſeinen europaͤiſchen Freunden, um ein und anderes bitten, denn die
Habſucht ſeiner Verwandten hatte ihm kaum noch ein Paar rothe Federn und an-
dre Kleinigkeiten, zum Geſchenk fuͤr ſeinen hohen Anverwandten O-Puni, den
Koͤnig auf Borabora, uͤbrig gelaſſen. Auf ſolche Art war es denn kein Wun-
der, daß er ſehnlich nach Tahiti zuruͤckzukehren wuͤnſchte; er ſagte uns auch,
daß, ſobald er nur O-Puni und ſeine uͤbrigen Verwandten auf Borabora be-
ſuchet haben wuͤrde, ihn gewiß nichts abhalten ſolle, eiligſt nach Tahiti und nie
wieder von dannen zu gehen. Dennoch aber wuͤrde er gern mit uns nach
England gekommen ſeyn, wenn wir ihm nur die geringſte Hoffnung haͤtten ma-
chen koͤnnen, daß wir jemals wieder nach der Suͤdſee zuruͤckkehren wuͤrden: Al-
lein, da ihm Capitain Cook ausdruͤcklich das Gegentheil verſichert hatte; ſo wollte
er dem Vergnuͤgen, unſern Welttheil zu ſehen, lieber entſagen, als ſich auf
immer von ſeinem geliebten Vaterlande trennen. Und in Wahrheit, wenn man
bedenkt, was ſein Landsmann O-Mai bey uns gelernt hat, ſo war es fuͤr
das Herz und die Sitten unſres unverdorbenen Freundes gewiß am zutraͤglichſten,
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[111/0123] in den Jahren 1772 bis 1775. Unſer Freund Maheine war vielleicht der einzige ſeines Standes, der nicht ſo ganz vergnuͤgt ſeyn mogte als die uͤbrigen, und das um deswillen, weil man ihm hier nicht ſo viel Gunſtbezeugungen erwies, als er zu Tahiti genoſſen hatte. Es ſcheint auch hier in der Suͤdſee, wie bey uns, wahr zu ſeyn, daß ein Prophet nirgends weniger gilt, als in ſeinem Vaterlande. Er hatte allhier eine zahl- reiche Verwandtſchaft; aber das nuͤtzte ihm zu nichts weiter, als daß alle, die dazu gehoͤrten, Geſchenke von ihm erwarteten, und zwar nicht als eine Guͤtigkeit, ſondern beynahe als Pflicht. Zu Tahiti hingegen, ward ihm jedes, noch ſo geringe Geſchenk als eine Freygebigkeit angerechnet, wodurch er ſich Freunde und andre Vortheile zuwege brachte. So lange dem gutherzigen Jun- gen noch das geringſte von denen Seltenheiten uͤbrig blieb, die er auf unſerer be- ſchwerlichen und zum Theil wuͤrklich gefaͤhrlichen Reiſe mit Gefahr ſeines Lebens geſammlet hatte; ſo lange nahm auch das Quaͤlen kein Ende; und ob er gleich nach und nach alle ſeine Schaͤtze ohne Ruͤckhaltung dahin gegeben, ſo ſchienen dennoch einige ſeiner Verwandten laut uͤber ſeinen Geitz zu klagen. Er, der ehemals im Stande geweſen war, andern mitzutheilen, mußte nun ſelbſt wieder bey ſeinen europaͤiſchen Freunden, um ein und anderes bitten, denn die Habſucht ſeiner Verwandten hatte ihm kaum noch ein Paar rothe Federn und an- dre Kleinigkeiten, zum Geſchenk fuͤr ſeinen hohen Anverwandten O-Puni, den Koͤnig auf Borabora, uͤbrig gelaſſen. Auf ſolche Art war es denn kein Wun- der, daß er ſehnlich nach Tahiti zuruͤckzukehren wuͤnſchte; er ſagte uns auch, daß, ſobald er nur O-Puni und ſeine uͤbrigen Verwandten auf Borabora be- ſuchet haben wuͤrde, ihn gewiß nichts abhalten ſolle, eiligſt nach Tahiti und nie wieder von dannen zu gehen. Dennoch aber wuͤrde er gern mit uns nach England gekommen ſeyn, wenn wir ihm nur die geringſte Hoffnung haͤtten ma- chen koͤnnen, daß wir jemals wieder nach der Suͤdſee zuruͤckkehren wuͤrden: Al- lein, da ihm Capitain Cook ausdruͤcklich das Gegentheil verſichert hatte; ſo wollte er dem Vergnuͤgen, unſern Welttheil zu ſehen, lieber entſagen, als ſich auf immer von ſeinem geliebten Vaterlande trennen. Und in Wahrheit, wenn man bedenkt, was ſein Landsmann O-Mai bey uns gelernt hat, ſo war es fuͤr das Herz und die Sitten unſres unverdorbenen Freundes gewiß am zutraͤglichſten, daß er zuruͤckblieb. Die Pracht von London hat er nun freylich nicht kennen 1774. May.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/123>, abgerufen am 26.11.2024.