1772. August.Remora (echeneis remora) sahen wir zwar bey ihm, aber mit dem Unter- schiede, daß ersterer sich sorgfältig hütete gefangen zu werden, letzterer hingegen am Cörper des Hayes so fest saß, daß mit ihm zugleich vier Stück aufs Verdeck gezogen wurden. Am folgenden Tage aßen wir etwas vom Hay, und fanden es, gebraten, von ganz erträglichen Geschmack, aber wegen des Fettes unverdaulich.
Zwey Tage nachher ward Henry Smock, einer von den Zimmerleuten vermißt. Er hatte an der Aussenseite des Schiffes etwas zu arbeiten gehabt, und war allem Anschein nach ins Wasser gefallen. Wegen seiner Gutherzigkeit und gesetzten Wesens ward er sogar von seinen Cameraden beklagt; eine sichere Gewährschaft, daß sein Verlust den Seinigen noch schmerzlicher gewesen seyn muß. Hie und da zeigte sich in den Augen der Empfindsamen eine verstohlne Trähne, als ein freywilliger, schätzbarer Tribut für einen vernünftigen Mitmen- schen, der gut und liebreich gesinnt war.
Seitdem wir S. Jago verlassen, hatten wir oft Regen, vornemlich aber regnete es am 21sten ganz ausserordentlich stark. Der Capitain ließ über das ganze Schiff Zelt-Tücher und Decken ausspannen um das Regenwasser aufzu- fangen, und wir bekamen auf diese Weise eine solche Menge davon, daß sieben Fässer damit angefüllt werden konnten. Ob wir gleich keinen Mangel an Was- ser hatten, so war uns doch dieser frische Vorrath sehr willkommen, weil es den Matrosen nun desto reichlicher gegeben werden konnte. Unser Capitain hatte aus vieljähriger Erfahrung angemerkt, daß auf langen See-Reisen eine reichli- che Vertheilung und Genuß von frischen Wasser, zur Erhaltung der Gesundheit ungemein vieles beytrage. Die Ursach hievon läßt sich auch leicht erklären denn, wenn es reichlich getrunken, zum Theil auch zum Waschen des Cörpers und des leinenen Zeuges gebraucht wird, so verdünnet es nicht nur das Blut, sondern durch die Reinlichkeit und öftere Veränderung der Wäsche bleiben auch die Schweißlöcher der Haut stets offen, mithin wird die zur Gesundheit nöthige, unmerkliche Ausdünstung nicht unterbrochen. Solchergestalt wird der Gefahr fauler Krankheiten auf zwiefache Art vorgebeugt, einmahl weil die Ausdünstun- gen des Cörpers nicht wieder durch die Haut eingesaugt werden können, und weil andrer Seits die vom beständigen Schwitzen verlohren gegangene Feuchtig- keiten durch häufiges Trinken wieder ersetzt werden, in dessen Ermangelung die ver-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1772. Auguſt.Remora (echeneis remora) ſahen wir zwar bey ihm, aber mit dem Unter- ſchiede, daß erſterer ſich ſorgfaͤltig huͤtete gefangen zu werden, letzterer hingegen am Coͤrper des Hayes ſo feſt ſaß, daß mit ihm zugleich vier Stuͤck aufs Verdeck gezogen wurden. Am folgenden Tage aßen wir etwas vom Hay, und fanden es, gebraten, von ganz ertraͤglichen Geſchmack, aber wegen des Fettes unverdaulich.
Zwey Tage nachher ward Henry Smock, einer von den Zimmerleuten vermißt. Er hatte an der Auſſenſeite des Schiffes etwas zu arbeiten gehabt, und war allem Anſchein nach ins Waſſer gefallen. Wegen ſeiner Gutherzigkeit und geſetzten Weſens ward er ſogar von ſeinen Cameraden beklagt; eine ſichere Gewaͤhrſchaft, daß ſein Verluſt den Seinigen noch ſchmerzlicher geweſen ſeyn muß. Hie und da zeigte ſich in den Augen der Empfindſamen eine verſtohlne Traͤhne, als ein freywilliger, ſchaͤtzbarer Tribut fuͤr einen vernuͤnftigen Mitmen- ſchen, der gut und liebreich geſinnt war.
Seitdem wir S. Jago verlaſſen, hatten wir oft Regen, vornemlich aber regnete es am 21ſten ganz auſſerordentlich ſtark. Der Capitain ließ uͤber das ganze Schiff Zelt-Tuͤcher und Decken ausſpannen um das Regenwaſſer aufzu- fangen, und wir bekamen auf dieſe Weiſe eine ſolche Menge davon, daß ſieben Faͤſſer damit angefuͤllt werden konnten. Ob wir gleich keinen Mangel an Waſ- ſer hatten, ſo war uns doch dieſer friſche Vorrath ſehr willkommen, weil es den Matroſen nun deſto reichlicher gegeben werden konnte. Unſer Capitain hatte aus vieljaͤhriger Erfahrung angemerkt, daß auf langen See-Reiſen eine reichli- che Vertheilung und Genuß von friſchen Waſſer, zur Erhaltung der Geſundheit ungemein vieles beytrage. Die Urſach hievon laͤßt ſich auch leicht erklaͤren denn, wenn es reichlich getrunken, zum Theil auch zum Waſchen des Coͤrpers und des leinenen Zeuges gebraucht wird, ſo verduͤnnet es nicht nur das Blut, ſondern durch die Reinlichkeit und oͤftere Veraͤnderung der Waͤſche bleiben auch die Schweißloͤcher der Haut ſtets offen, mithin wird die zur Geſundheit noͤthige, unmerkliche Ausduͤnſtung nicht unterbrochen. Solchergeſtalt wird der Gefahr fauler Krankheiten auf zwiefache Art vorgebeugt, einmahl weil die Ausduͤnſtun- gen des Coͤrpers nicht wieder durch die Haut eingeſaugt werden koͤnnen, und weil andrer Seits die vom beſtaͤndigen Schwitzen verlohren gegangene Feuchtig- keiten durch haͤufiges Trinken wieder erſetzt werden, in deſſen Ermangelung die ver-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Remora (echeneis remora) ſahen wir zwar bey ihm, aber mit dem Unter-
ſchiede, daß erſterer ſich ſorgfaͤltig huͤtete gefangen zu werden, letzterer hingegen
am Coͤrper des Hayes ſo feſt ſaß, daß mit ihm zugleich vier Stuͤck aufs Verdeck
gezogen wurden. Am folgenden Tage aßen wir etwas vom Hay, und fanden es,
gebraten, von ganz ertraͤglichen Geſchmack, aber wegen des Fettes unverdaulich.
1772.
Auguſt.
Zwey Tage nachher ward Henry Smock, einer von den Zimmerleuten
vermißt. Er hatte an der Auſſenſeite des Schiffes etwas zu arbeiten gehabt,
und war allem Anſchein nach ins Waſſer gefallen. Wegen ſeiner Gutherzigkeit
und geſetzten Weſens ward er ſogar von ſeinen Cameraden beklagt; eine ſichere
Gewaͤhrſchaft, daß ſein Verluſt den Seinigen noch ſchmerzlicher geweſen ſeyn
muß. Hie und da zeigte ſich in den Augen der Empfindſamen eine verſtohlne
Traͤhne, als ein freywilliger, ſchaͤtzbarer Tribut fuͤr einen vernuͤnftigen Mitmen-
ſchen, der gut und liebreich geſinnt war.
Seitdem wir S. Jago verlaſſen, hatten wir oft Regen, vornemlich
aber regnete es am 21ſten ganz auſſerordentlich ſtark. Der Capitain ließ uͤber das
ganze Schiff Zelt-Tuͤcher und Decken ausſpannen um das Regenwaſſer aufzu-
fangen, und wir bekamen auf dieſe Weiſe eine ſolche Menge davon, daß ſieben
Faͤſſer damit angefuͤllt werden konnten. Ob wir gleich keinen Mangel an Waſ-
ſer hatten, ſo war uns doch dieſer friſche Vorrath ſehr willkommen, weil es
den Matroſen nun deſto reichlicher gegeben werden konnte. Unſer Capitain hatte
aus vieljaͤhriger Erfahrung angemerkt, daß auf langen See-Reiſen eine reichli-
che Vertheilung und Genuß von friſchen Waſſer, zur Erhaltung der Geſundheit
ungemein vieles beytrage. Die Urſach hievon laͤßt ſich auch leicht erklaͤren
denn, wenn es reichlich getrunken, zum Theil auch zum Waſchen des Coͤrpers
und des leinenen Zeuges gebraucht wird, ſo verduͤnnet es nicht nur das Blut,
ſondern durch die Reinlichkeit und oͤftere Veraͤnderung der Waͤſche bleiben auch
die Schweißloͤcher der Haut ſtets offen, mithin wird die zur Geſundheit noͤthige,
unmerkliche Ausduͤnſtung nicht unterbrochen. Solchergeſtalt wird der Gefahr
fauler Krankheiten auf zwiefache Art vorgebeugt, einmahl weil die Ausduͤnſtun-
gen des Coͤrpers nicht wieder durch die Haut eingeſaugt werden koͤnnen, und
weil andrer Seits die vom beſtaͤndigen Schwitzen verlohren gegangene Feuchtig-
keiten durch haͤufiges Trinken wieder erſetzt werden, in deſſen Ermangelung die ver-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/79>, abgerufen am 16.07.2024.
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