1772. August.diese Inseln vermittelst einer päbstlichen Bulle und führte derselben zufolge, vom Jahr 1344 an, den Titel eines Prinzen der glücklichen Inseln ohne jedoch von diesen seinen Staaten würklich Besitz zu nehmen. Hierauf wurden sie im Jahr 1402 abermals von Johann Baron von Bethencourt aus der Normandie besucht. Dieser nahm einige derselben in Besitz und nannte sich König der Kana- rischen Inseln. Sein Enkel aber trat alles Anrecht auf selbige dem Don Hen- rich, Infanten von Portugall ab; und endlich wurden sie den Spaniern über- lassen, welche sie auch noch jetzt besitzen.
Am folgenden Tag um 5 Uhr des Morgens, paßirten wir die Insel Ferro, die deshalb merkwürdig ist, weil einige Geographen die erste Mittags- linie durchs westliche Ende derselben ziehen. Nach einer vom Capitain Cook angestellten astronomischen Beobachtung, liegt diese westliche Spitze der Insel im 27°. 42' nördlicher Breite und im 18°.9' westlicher Länge. An eben dem Tage, als wir ohngefähr unterm 27 sten Grad nördlicher Breite waren, sahen wir verschiedne fliegende Fische, die, von Bonniten und Doraden verfolgt, sich über die Oberfläche des Wassers erhoben. Sie flogen nach allen Richtungen, bald hier bald dorthin und nicht etwa bloß gegen den Wind allein, wie Kalm ausschließenderweise zu glauben scheint. Auch flogen sie nicht immer in gera- den, sondern auch in krummen Linien. Wenn sie im Fluge über die Oberfläche der See die Spitze einer Welle antrafen, so giengen sie durch selbige gerade durch und flogen an der andern Seite weiter fort. Von dieser Zeit an bis wir den heißen Himmels-Strich (zona torrida) verließen, hatten wir fast täglich das Schauspiel unabsehliche Züge und Heere dieser Fische um uns her zu sehen. Zuweilen wurden auch wohl einige auf dem Verdeck gefangen, wenn sie zu ihrem Unglück zu weit geflogen oder sich zu hoch erhoben und abgemattet hatten. Bey dem einförmigen Leben das wir zwischen den Wende-Zirkeln führten, wo Wet- ter, Wind und See stets angenehm und günstig waren, gab jeder kleine Umstand Gelegenheit zu Betrachtungen. Wenn wir zum Beyspiel jene schönen Fische der See, die Bonniten und Doraden, auf der Jagd der kleinern, fliegenden Fische antrafen, und bemerkten, wie diese ihr Element verließen, um in der Luft Sicherheit zu suchen; so war die Anwendung auf den Menschen nur gar zu natürlich. Denn wo ist wohl ein Reich, das nicht dem brausenden Ocean
gliche,
Forſter’s Reiſe um die Welt
1772. Auguſt.dieſe Inſeln vermittelſt einer paͤbſtlichen Bulle und fuͤhrte derſelben zufolge, vom Jahr 1344 an, den Titel eines Prinzen der gluͤcklichen Inſeln ohne jedoch von dieſen ſeinen Staaten wuͤrklich Beſitz zu nehmen. Hierauf wurden ſie im Jahr 1402 abermals von Johann Baron von Bethencourt aus der Normandie beſucht. Dieſer nahm einige derſelben in Beſitz und nannte ſich Koͤnig der Kana- riſchen Inſeln. Sein Enkel aber trat alles Anrecht auf ſelbige dem Don Hen- rich, Infanten von Portugall ab; und endlich wurden ſie den Spaniern uͤber- laſſen, welche ſie auch noch jetzt beſitzen.
Am folgenden Tag um 5 Uhr des Morgens, paßirten wir die Inſel Ferro, die deshalb merkwuͤrdig iſt, weil einige Geographen die erſte Mittags- linie durchs weſtliche Ende derſelben ziehen. Nach einer vom Capitain Cook angeſtellten aſtronomiſchen Beobachtung, liegt dieſe weſtliche Spitze der Inſel im 27°. 42′ noͤrdlicher Breite und im 18°.9′ weſtlicher Laͤnge. An eben dem Tage, als wir ohngefaͤhr unterm 27 ſten Grad noͤrdlicher Breite waren, ſahen wir verſchiedne fliegende Fiſche, die, von Bonniten und Doraden verfolgt, ſich uͤber die Oberflaͤche des Waſſers erhoben. Sie flogen nach allen Richtungen, bald hier bald dorthin und nicht etwa bloß gegen den Wind allein, wie Kalm ausſchließenderweiſe zu glauben ſcheint. Auch flogen ſie nicht immer in gera- den, ſondern auch in krummen Linien. Wenn ſie im Fluge uͤber die Oberflaͤche der See die Spitze einer Welle antrafen, ſo giengen ſie durch ſelbige gerade durch und flogen an der andern Seite weiter fort. Von dieſer Zeit an bis wir den heißen Himmels-Strich (zona torrida) verließen, hatten wir faſt taͤglich das Schauſpiel unabſehliche Zuͤge und Heere dieſer Fiſche um uns her zu ſehen. Zuweilen wurden auch wohl einige auf dem Verdeck gefangen, wenn ſie zu ihrem Ungluͤck zu weit geflogen oder ſich zu hoch erhoben und abgemattet hatten. Bey dem einfoͤrmigen Leben das wir zwiſchen den Wende-Zirkeln fuͤhrten, wo Wet- ter, Wind und See ſtets angenehm und guͤnſtig waren, gab jeder kleine Umſtand Gelegenheit zu Betrachtungen. Wenn wir zum Beyſpiel jene ſchoͤnen Fiſche der See, die Bonniten und Doraden, auf der Jagd der kleinern, fliegenden Fiſche antrafen, und bemerkten, wie dieſe ihr Element verließen, um in der Luft Sicherheit zu ſuchen; ſo war die Anwendung auf den Menſchen nur gar zu natuͤrlich. Denn wo iſt wohl ein Reich, das nicht dem brauſenden Ocean
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[24/0069]
Forſter’s Reiſe um die Welt
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von dieſen ſeinen Staaten wuͤrklich Beſitz zu nehmen. Hierauf wurden ſie im Jahr
1402 abermals von Johann Baron von Bethencourt aus der Normandie
beſucht. Dieſer nahm einige derſelben in Beſitz und nannte ſich Koͤnig der Kana-
riſchen Inſeln. Sein Enkel aber trat alles Anrecht auf ſelbige dem Don Hen-
rich, Infanten von Portugall ab; und endlich wurden ſie den Spaniern uͤber-
laſſen, welche ſie auch noch jetzt beſitzen.
1772.
Auguſt.
Am folgenden Tag um 5 Uhr des Morgens, paßirten wir die Inſel
Ferro, die deshalb merkwuͤrdig iſt, weil einige Geographen die erſte Mittags-
linie durchs weſtliche Ende derſelben ziehen. Nach einer vom Capitain Cook
angeſtellten aſtronomiſchen Beobachtung, liegt dieſe weſtliche Spitze der Inſel
im 27°. 42′ noͤrdlicher Breite und im 18°.9′ weſtlicher Laͤnge. An eben dem
Tage, als wir ohngefaͤhr unterm 27 ſten Grad noͤrdlicher Breite waren, ſahen
wir verſchiedne fliegende Fiſche, die, von Bonniten und Doraden verfolgt, ſich
uͤber die Oberflaͤche des Waſſers erhoben. Sie flogen nach allen Richtungen,
bald hier bald dorthin und nicht etwa bloß gegen den Wind allein, wie Kalm
ausſchließenderweiſe zu glauben ſcheint. Auch flogen ſie nicht immer in gera-
den, ſondern auch in krummen Linien. Wenn ſie im Fluge uͤber die Oberflaͤche
der See die Spitze einer Welle antrafen, ſo giengen ſie durch ſelbige gerade durch
und flogen an der andern Seite weiter fort. Von dieſer Zeit an bis wir den
heißen Himmels-Strich (zona torrida) verließen, hatten wir faſt taͤglich
das Schauſpiel unabſehliche Zuͤge und Heere dieſer Fiſche um uns her zu ſehen.
Zuweilen wurden auch wohl einige auf dem Verdeck gefangen, wenn ſie zu ihrem
Ungluͤck zu weit geflogen oder ſich zu hoch erhoben und abgemattet hatten. Bey
dem einfoͤrmigen Leben das wir zwiſchen den Wende-Zirkeln fuͤhrten, wo Wet-
ter, Wind und See ſtets angenehm und guͤnſtig waren, gab jeder kleine Umſtand
Gelegenheit zu Betrachtungen. Wenn wir zum Beyſpiel jene ſchoͤnen Fiſche
der See, die Bonniten und Doraden, auf der Jagd der kleinern, fliegenden
Fiſche antrafen, und bemerkten, wie dieſe ihr Element verließen, um in der
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natuͤrlich. Denn wo iſt wohl ein Reich, das nicht dem brauſenden Ocean
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/69>, abgerufen am 16.07.2024.
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