1772. Julius.Loughnan aber empfing uns mit einer Gastfreyheit und einem Anstande, der ihm und der Nation Ehre macht.
Die Stadt entspricht bey weiten dem Begriffe nicht, den ihr äußeres An- sehen von der Rhede aus erregt; denn die Straßen sind eng und schlecht gepflastert und schmutzig; die Häuser sind zwar von gehauenen oder gebacknen Steinen, aber innerhalb dunkel. Nur diejenigen sind mit Glasfenstern versehen, welche den engli- schen Kaufleuten oder andern vornehmern Einwohnern gehören, die übrigen haben gemeiniglich Laden von Lattenwerk, welche oben an Hespen befestigt sind, und als Fenster geöfnet, auch erforderlichen Falls ausgehoben werden können. Die untern Zimmer sind mehrentheils zu Wohnungen für Bediente, oder zu Kram- läden und Waarenlagern bestimmt.
Was die Kirchen und Klöster betrift, so sind es schlechte Gebäude, die keine sonderliche Kenntniß der Architectur verrathen. Ihr Inneres ist ohne Ge- schmack, denn das wenige Licht, welches von außen herein fällt, macht dem Auge nichts als eine Menge von Flitter-Zierrathen sichtbar, die in aller Absicht gothisch sind. Das Franciscaner-Kloster ist nett und räumlich; aber ihr Garten schien in keiner guten Ordnung zu seyn.
Die Nonnen von St. Clara empfiengen uns sehr höflich am Gitter ih- res Sprachzimmers, sandten aber hernach einige alte Weiber ab, um ihre verfer- tigte Blumen auszubiethen.
Wir machten hierauf mit Herrn Loughnan einen Spatziergang nach seinem Landhause, welches eine englische Meile von der Stadt auf einer Anhöhe gelegen ist, und fanden daselbst eine angenehme Gesellschaft, von den vornehmsten englischen Kaufleuten auf Madera. Unsre Capitains giengen Abends wieder an Boord; wir aber machten uns Herrn Loughnans höfliches Anerbieten, während unsers kurzen Aufenthalts zu Madera in seinem Hause Platz zu nehmen, mit Vergnügen zu Nutze.
Am folgenden Morgen fiengen wir an, die landeinwärts gelegenen Ge- genden der Insel zu untersuchen, und setzten diese Beschäftigung den folgenden Tag fort. Um 5 Uhr Morgens giengen wir bergauf längst einem Bach, der uns in die innern bergigten Gegenden führte. Um 1 Uhr Nachmittags kamen wir zu einem Castanienwalde, der nicht weit unterhalb der höchsten Bergspitze
Forſter’s Reiſe um die Welt
1772. Julius.Loughnan aber empfing uns mit einer Gaſtfreyheit und einem Anſtande, der ihm und der Nation Ehre macht.
Die Stadt entſpricht bey weiten dem Begriffe nicht, den ihr aͤußeres An- ſehen von der Rhede aus erregt; denn die Straßen ſind eng und ſchlecht gepflaſtert und ſchmutzig; die Haͤuſer ſind zwar von gehauenen oder gebacknen Steinen, aber innerhalb dunkel. Nur diejenigen ſind mit Glasfenſtern verſehen, welche den engli- ſchen Kaufleuten oder andern vornehmern Einwohnern gehoͤren, die uͤbrigen haben gemeiniglich Laden von Lattenwerk, welche oben an Hespen befeſtigt ſind, und als Fenſter geoͤfnet, auch erforderlichen Falls ausgehoben werden koͤnnen. Die untern Zimmer ſind mehrentheils zu Wohnungen fuͤr Bediente, oder zu Kram- laͤden und Waarenlagern beſtimmt.
Was die Kirchen und Kloͤſter betrift, ſo ſind es ſchlechte Gebaͤude, die keine ſonderliche Kenntniß der Architectur verrathen. Ihr Inneres iſt ohne Ge- ſchmack, denn das wenige Licht, welches von außen herein faͤllt, macht dem Auge nichts als eine Menge von Flitter-Zierrathen ſichtbar, die in aller Abſicht gothiſch ſind. Das Franciscaner-Kloſter iſt nett und raͤumlich; aber ihr Garten ſchien in keiner guten Ordnung zu ſeyn.
Die Nonnen von St. Clara empfiengen uns ſehr hoͤflich am Gitter ih- res Sprachzimmers, ſandten aber hernach einige alte Weiber ab, um ihre verfer- tigte Blumen auszubiethen.
Wir machten hierauf mit Herrn Loughnan einen Spatziergang nach ſeinem Landhauſe, welches eine engliſche Meile von der Stadt auf einer Anhoͤhe gelegen iſt, und fanden daſelbſt eine angenehme Geſellſchaft, von den vornehmſten engliſchen Kaufleuten auf Madera. Unſre Capitains giengen Abends wieder an Boord; wir aber machten uns Herrn Loughnans hoͤfliches Anerbieten, waͤhrend unſers kurzen Aufenthalts zu Madera in ſeinem Hauſe Platz zu nehmen, mit Vergnuͤgen zu Nutze.
Am folgenden Morgen fiengen wir an, die landeinwaͤrts gelegenen Ge- genden der Inſel zu unterſuchen, und ſetzten dieſe Beſchaͤftigung den folgenden Tag fort. Um 5 Uhr Morgens giengen wir bergauf laͤngſt einem Bach, der uns in die innern bergigten Gegenden fuͤhrte. Um 1 Uhr Nachmittags kamen wir zu einem Caſtanienwalde, der nicht weit unterhalb der hoͤchſten Bergſpitze
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="12"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><noteplace="left">1772.<lb/>
Julius.</note><hirendition="#fr"><persName>Loughnan</persName></hi> aber empfing uns mit einer Gaſtfreyheit und einem Anſtande, der<lb/>
ihm und der Nation Ehre macht.</p><lb/><p>Die Stadt entſpricht bey weiten dem Begriffe nicht, den ihr aͤußeres An-<lb/>ſehen von der Rhede aus erregt; denn die Straßen ſind eng und ſchlecht gepflaſtert<lb/>
und ſchmutzig; die Haͤuſer ſind zwar von gehauenen oder gebacknen Steinen, aber<lb/>
innerhalb dunkel. Nur diejenigen ſind mit Glasfenſtern verſehen, welche den engli-<lb/>ſchen Kaufleuten oder andern vornehmern Einwohnern gehoͤren, die uͤbrigen<lb/>
haben gemeiniglich Laden von Lattenwerk, welche oben an Hespen befeſtigt ſind,<lb/>
und als Fenſter geoͤfnet, auch erforderlichen Falls ausgehoben werden koͤnnen.<lb/>
Die untern Zimmer ſind mehrentheils zu Wohnungen fuͤr Bediente, oder zu Kram-<lb/>
laͤden und Waarenlagern beſtimmt.</p><lb/><p>Was die Kirchen und Kloͤſter betrift, ſo ſind es ſchlechte Gebaͤude, die<lb/>
keine ſonderliche Kenntniß der Architectur verrathen. Ihr Inneres iſt ohne Ge-<lb/>ſchmack, denn das wenige Licht, welches von außen herein faͤllt, macht dem<lb/>
Auge nichts als eine Menge von Flitter-Zierrathen ſichtbar, die in aller Abſicht<lb/>
gothiſch ſind. Das Franciscaner-Kloſter iſt nett und raͤumlich; aber ihr Garten<lb/>ſchien in keiner guten Ordnung zu ſeyn.</p><lb/><p>Die Nonnen von <placeName>St. <hirendition="#fr">Clara</hi></placeName> empfiengen uns ſehr hoͤflich am Gitter ih-<lb/>
res Sprachzimmers, ſandten aber hernach einige alte Weiber ab, um ihre verfer-<lb/>
tigte Blumen auszubiethen.</p><lb/><p>Wir machten hierauf mit Herrn <hirendition="#fr"><persName>Loughnan</persName></hi> einen Spatziergang<lb/>
nach ſeinem Landhauſe, welches eine engliſche Meile von der Stadt auf<lb/>
einer Anhoͤhe gelegen iſt, und fanden daſelbſt eine angenehme Geſellſchaft, von<lb/>
den vornehmſten engliſchen Kaufleuten auf <hirendition="#fr"><placeName>Madera</placeName>.</hi> Unſre Capitains giengen<lb/>
Abends wieder an <hirendition="#fr">Boord;</hi> wir aber machten uns Herrn <hirendition="#fr"><persName>Loughnans</persName></hi> hoͤfliches<lb/>
Anerbieten, waͤhrend unſers kurzen Aufenthalts zu <hirendition="#fr"><placeName>Madera</placeName></hi> in ſeinem Hauſe<lb/>
Platz zu nehmen, mit Vergnuͤgen zu Nutze.</p><lb/><p>Am folgenden Morgen fiengen wir an, die landeinwaͤrts gelegenen Ge-<lb/>
genden der Inſel zu unterſuchen, und ſetzten dieſe Beſchaͤftigung den folgenden<lb/>
Tag fort. Um 5 Uhr Morgens giengen wir bergauf laͤngſt einem Bach, der<lb/>
uns in die innern bergigten Gegenden fuͤhrte. Um 1 Uhr Nachmittags kamen<lb/>
wir zu einem Caſtanienwalde, der nicht weit unterhalb der hoͤchſten Bergſpitze<lb/></p></div></body></text></TEI>
[12/0057]
Forſter’s Reiſe um die Welt
Loughnan aber empfing uns mit einer Gaſtfreyheit und einem Anſtande, der
ihm und der Nation Ehre macht.
1772.
Julius.
Die Stadt entſpricht bey weiten dem Begriffe nicht, den ihr aͤußeres An-
ſehen von der Rhede aus erregt; denn die Straßen ſind eng und ſchlecht gepflaſtert
und ſchmutzig; die Haͤuſer ſind zwar von gehauenen oder gebacknen Steinen, aber
innerhalb dunkel. Nur diejenigen ſind mit Glasfenſtern verſehen, welche den engli-
ſchen Kaufleuten oder andern vornehmern Einwohnern gehoͤren, die uͤbrigen
haben gemeiniglich Laden von Lattenwerk, welche oben an Hespen befeſtigt ſind,
und als Fenſter geoͤfnet, auch erforderlichen Falls ausgehoben werden koͤnnen.
Die untern Zimmer ſind mehrentheils zu Wohnungen fuͤr Bediente, oder zu Kram-
laͤden und Waarenlagern beſtimmt.
Was die Kirchen und Kloͤſter betrift, ſo ſind es ſchlechte Gebaͤude, die
keine ſonderliche Kenntniß der Architectur verrathen. Ihr Inneres iſt ohne Ge-
ſchmack, denn das wenige Licht, welches von außen herein faͤllt, macht dem
Auge nichts als eine Menge von Flitter-Zierrathen ſichtbar, die in aller Abſicht
gothiſch ſind. Das Franciscaner-Kloſter iſt nett und raͤumlich; aber ihr Garten
ſchien in keiner guten Ordnung zu ſeyn.
Die Nonnen von St. Clara empfiengen uns ſehr hoͤflich am Gitter ih-
res Sprachzimmers, ſandten aber hernach einige alte Weiber ab, um ihre verfer-
tigte Blumen auszubiethen.
Wir machten hierauf mit Herrn Loughnan einen Spatziergang
nach ſeinem Landhauſe, welches eine engliſche Meile von der Stadt auf
einer Anhoͤhe gelegen iſt, und fanden daſelbſt eine angenehme Geſellſchaft, von
den vornehmſten engliſchen Kaufleuten auf Madera. Unſre Capitains giengen
Abends wieder an Boord; wir aber machten uns Herrn Loughnans hoͤfliches
Anerbieten, waͤhrend unſers kurzen Aufenthalts zu Madera in ſeinem Hauſe
Platz zu nehmen, mit Vergnuͤgen zu Nutze.
Am folgenden Morgen fiengen wir an, die landeinwaͤrts gelegenen Ge-
genden der Inſel zu unterſuchen, und ſetzten dieſe Beſchaͤftigung den folgenden
Tag fort. Um 5 Uhr Morgens giengen wir bergauf laͤngſt einem Bach, der
uns in die innern bergigten Gegenden fuͤhrte. Um 1 Uhr Nachmittags kamen
wir zu einem Caſtanienwalde, der nicht weit unterhalb der hoͤchſten Bergſpitze
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/57>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.