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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
Figur war schlecht gearbeitet, und bewies, daß die Bildhauerkunst hier noch1774.
März.

in der ersten Kindheit sey. Augen, Nase und Mund waren an dem plumpen
ungestalten Kopfe kaum angedeutet. Die Ohren waren nach der Landes-Sitte
ungeheuer lang, und besser als das übrige gearbeitet, ob sich gleich ein europäi-
scher Künstler derselben geschämt haben würde. Den Hals fanden wir unförmig
und kurz; Schultern und Arme aber nur wenig angedeutet. Auf dem Kopfe war
ein hoher runder cylindrischer Stein aufgerichtet, der über 5 Fus im Durch-
schnitt und in der Höhe hatte. Dieser Aufsatz, der dem Kopfputze einiger egypti-
schen Gottheiten gleich sahe, bestand aus einer andern Steinart, denn er war von
röthlicher Farbe; auch war an dessen beyden Seiten ein Loch zu sehen, als hätte
man ihm seine runde Form durch ein Dreh- oder Schleifwerk gegeben. Der Kopf
nebst dem Aufsatz machte die Hälfte der ganzen Säule aus, so weit sie über der
Erde sichtbar war. Wir merkten übrigens nicht, daß die Insulaner diesen Pfei-
lern, Säulen oder Statüen einige Verehrung erwiesen hätten; doch mußten sie
wenigstens Achtung dafür haben, denn es schien ihnen manchmal ganz unan-
genehm zu seyn, wenn wir über den gepflasterten Fusboden oder das Fusgestell
giengen, und die Steinart untersuchten, wovon sie gemacht waren.

Einige von den Insulanern begleiteten uns weiter ins Land nach einem klei-
nen Gebüsche hin, woselbst wir im Pflanzenreich etwas neues anzutreffen hofften.
Der Weg war ungemein rauh, er gieng über lauter volcanische Steine, die un-
ter den Füßen weg rollten und an die wir uns bey jeden Schritt stießen. Die
Eingebohrnen hingegen, die daran gewöhnt waren, hüpften ohne einige Schwü-
rigkeit von Stein zu Stein. Unterwegens erblickten wir etliche schwarze Rat-
ten, die auf allen Inseln der Südsee anzutreffen sind. Das Gebüsch, um des-
sentwillen wir diese Wanderung unternommen, bestand aus einer kleinen Pflan-
zung von Papier-Maulbeerbäumen, aus deren Rinde hier, so wie auf Tahiti,
das Zeug zur Kleidung gemacht wird. Die Stämme waren 2 bis 4 Fus hoch,
und zwischen großen Felsen, woselbst der Regen ein wenig Erde angeschlemmt
hatte, ordentlich in Reihen angepflanzt. Nicht weit von hier standen auch ei-
nige Büsche vom Hibiscus populneus Linnaei, der in allen Südsee-Inseln
angetroffen, und von den Einwohnern zum Gelbfärben gebraucht wird. End-
lich gab es an diesem Fleck noch eine Mimosa, welches das einzige Gewächs ist,

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in den Jahren 1772 bis 1775.
Figur war ſchlecht gearbeitet, und bewies, daß die Bildhauerkunſt hier noch1774.
Maͤrz.

in der erſten Kindheit ſey. Augen, Naſe und Mund waren an dem plumpen
ungeſtalten Kopfe kaum angedeutet. Die Ohren waren nach der Landes-Sitte
ungeheuer lang, und beſſer als das uͤbrige gearbeitet, ob ſich gleich ein europaͤi-
ſcher Kuͤnſtler derſelben geſchaͤmt haben wuͤrde. Den Hals fanden wir unfoͤrmig
und kurz; Schultern und Arme aber nur wenig angedeutet. Auf dem Kopfe war
ein hoher runder cylindriſcher Stein aufgerichtet, der uͤber 5 Fus im Durch-
ſchnitt und in der Hoͤhe hatte. Dieſer Aufſatz, der dem Kopfputze einiger egypti-
ſchen Gottheiten gleich ſahe, beſtand aus einer andern Steinart, denn er war von
roͤthlicher Farbe; auch war an deſſen beyden Seiten ein Loch zu ſehen, als haͤtte
man ihm ſeine runde Form durch ein Dreh- oder Schleifwerk gegeben. Der Kopf
nebſt dem Aufſatz machte die Haͤlfte der ganzen Saͤule aus, ſo weit ſie uͤber der
Erde ſichtbar war. Wir merkten uͤbrigens nicht, daß die Inſulaner dieſen Pfei-
lern, Saͤulen oder Statuͤen einige Verehrung erwieſen haͤtten; doch mußten ſie
wenigſtens Achtung dafuͤr haben, denn es ſchien ihnen manchmal ganz unan-
genehm zu ſeyn, wenn wir uͤber den gepflaſterten Fusboden oder das Fusgeſtell
giengen, und die Steinart unterſuchten, wovon ſie gemacht waren.

Einige von den Inſulanern begleiteten uns weiter ins Land nach einem klei-
nen Gebuͤſche hin, woſelbſt wir im Pflanzenreich etwas neues anzutreffen hofften.
Der Weg war ungemein rauh, er gieng uͤber lauter volcaniſche Steine, die un-
ter den Fuͤßen weg rollten und an die wir uns bey jeden Schritt ſtießen. Die
Eingebohrnen hingegen, die daran gewoͤhnt waren, huͤpften ohne einige Schwuͤ-
rigkeit von Stein zu Stein. Unterwegens erblickten wir etliche ſchwarze Rat-
ten, die auf allen Inſeln der Suͤdſee anzutreffen ſind. Das Gebuͤſch, um deſ-
ſentwillen wir dieſe Wanderung unternommen, beſtand aus einer kleinen Pflan-
zung von Papier-Maulbeerbaͤumen, aus deren Rinde hier, ſo wie auf Tahiti,
das Zeug zur Kleidung gemacht wird. Die Staͤmme waren 2 bis 4 Fus hoch,
und zwiſchen großen Felſen, woſelbſt der Regen ein wenig Erde angeſchlemmt
hatte, ordentlich in Reihen angepflanzt. Nicht weit von hier ſtanden auch ei-
nige Buͤſche vom Hibiscus populneus Linnaei, der in allen Suͤdſee-Inſeln
angetroffen, und von den Einwohnern zum Gelbfaͤrben gebraucht wird. End-
lich gab es an dieſem Fleck noch eine Mimoſa, welches das einzige Gewaͤchs iſt,

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[427/0486] in den Jahren 1772 bis 1775. Figur war ſchlecht gearbeitet, und bewies, daß die Bildhauerkunſt hier noch in der erſten Kindheit ſey. Augen, Naſe und Mund waren an dem plumpen ungeſtalten Kopfe kaum angedeutet. Die Ohren waren nach der Landes-Sitte ungeheuer lang, und beſſer als das uͤbrige gearbeitet, ob ſich gleich ein europaͤi- ſcher Kuͤnſtler derſelben geſchaͤmt haben wuͤrde. Den Hals fanden wir unfoͤrmig und kurz; Schultern und Arme aber nur wenig angedeutet. Auf dem Kopfe war ein hoher runder cylindriſcher Stein aufgerichtet, der uͤber 5 Fus im Durch- ſchnitt und in der Hoͤhe hatte. Dieſer Aufſatz, der dem Kopfputze einiger egypti- ſchen Gottheiten gleich ſahe, beſtand aus einer andern Steinart, denn er war von roͤthlicher Farbe; auch war an deſſen beyden Seiten ein Loch zu ſehen, als haͤtte man ihm ſeine runde Form durch ein Dreh- oder Schleifwerk gegeben. Der Kopf nebſt dem Aufſatz machte die Haͤlfte der ganzen Saͤule aus, ſo weit ſie uͤber der Erde ſichtbar war. Wir merkten uͤbrigens nicht, daß die Inſulaner dieſen Pfei- lern, Saͤulen oder Statuͤen einige Verehrung erwieſen haͤtten; doch mußten ſie wenigſtens Achtung dafuͤr haben, denn es ſchien ihnen manchmal ganz unan- genehm zu ſeyn, wenn wir uͤber den gepflaſterten Fusboden oder das Fusgeſtell giengen, und die Steinart unterſuchten, wovon ſie gemacht waren. 1774. Maͤrz. Einige von den Inſulanern begleiteten uns weiter ins Land nach einem klei- nen Gebuͤſche hin, woſelbſt wir im Pflanzenreich etwas neues anzutreffen hofften. Der Weg war ungemein rauh, er gieng uͤber lauter volcaniſche Steine, die un- ter den Fuͤßen weg rollten und an die wir uns bey jeden Schritt ſtießen. Die Eingebohrnen hingegen, die daran gewoͤhnt waren, huͤpften ohne einige Schwuͤ- rigkeit von Stein zu Stein. Unterwegens erblickten wir etliche ſchwarze Rat- ten, die auf allen Inſeln der Suͤdſee anzutreffen ſind. Das Gebuͤſch, um deſ- ſentwillen wir dieſe Wanderung unternommen, beſtand aus einer kleinen Pflan- zung von Papier-Maulbeerbaͤumen, aus deren Rinde hier, ſo wie auf Tahiti, das Zeug zur Kleidung gemacht wird. Die Staͤmme waren 2 bis 4 Fus hoch, und zwiſchen großen Felſen, woſelbſt der Regen ein wenig Erde angeſchlemmt hatte, ordentlich in Reihen angepflanzt. Nicht weit von hier ſtanden auch ei- nige Buͤſche vom Hibiscus populneus Linnaei, der in allen Suͤdſee-Inſeln angetroffen, und von den Einwohnern zum Gelbfaͤrben gebraucht wird. End- lich gab es an dieſem Fleck noch eine Mimoſa, welches das einzige Gewaͤchs iſt, H h h 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/486>, abgerufen am 26.06.2024.