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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.

Da wir während dieser Zeit neben dem Eis-Felde, welches uns im We-1773.
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gewesen, ganz vorbey waren; so steuerten wir nun, wie vorher, wiederum
gerade gen Süden; denn darauf gieng die Haupt-Absicht unsrer Reise. Am
20sten Nachmittags kamen wir zum zweytenmale durch den Antarctischen Zirkel.
Das Wetter war naß und nebligt; -- Eisinseln häufig um uns her; -- der Wind
sehr frisch. Eine Menge antarctischer Sturmvögel, und ein Wallfisch der ohnweit
dem Schiffe das Wasser aufsprüzte, schienen uns beym Eintritt in den kalten
Erdstrich gleichsam zu bewillkommen. Zu Nachts erblickten wir zwey See-
hunde; deren sich seit vierzehn Tagen keine hatten sehen lassen. Einige unsrer
Mitreisenden muthmaßeten hieraus, daß wir Land antreffen würden. Allein diese
Hofnung ward bald wieder vernichtet, indem wir nach wenig Tagen, innerhalb
des antarctischen Zirkels bis auf 67 Grad 12 Minuten südlicher Breite ge-
langten, ohne etwas anders als Eis wahrzunehmen.

Am 23sten Nachmittages waren wir mit Eis-Inseln umgeben und die
See war fast über und über mit kleinen Eis-Stücken bedeckt. Wir legten
also bey; ließen die Boote in See setzen, und Eisschollen an Bord bringen.
Die Vögel waren jezt sehr häufig um uns her; die Officiers schossen auch von
den Booten aus etliche antarctische Sturmvögel, welches uns Gelegenheit
verschafte, Zeichnungen und Beschreibungen davon zu machen. Um diese Zeit
klagten viele von uns über rhevmatische Beschwerden, Kopfweh, geschwollne Drü-
sen, und Schnupfen-Fieber, lauter Zufälle, die dem aus Eis aufgethauten Trinkwas-
ser zugeschrieben wurden. Mein Vater hatte sich seit einigen Tagen, einer Verkäl-
tung wegen, nicht wohl befunden, die heute in einen starken Rhevmatismus ausge-
schlagen und mit einem Fieber begleitet war, welches ihn bettlägerig machte. Bey-
des schien dadurch veranlaßt zu seyn daß er sich, aus Mangel einer bessern Einrich-
tung, in einer so elenden Cajütte behelfen mußte, wo, der beständigen Nässe we-
gen, alles schimmelte und verfaulte. Die Kälte war vornemlich heute so em-
pfindlich, daß er zwischen dem Thermometer in seiner Cajüte und dem auf
dem Verdeck nur zwey und einen halben Grad Unterschied fand.

Sobald wir die Boote wieder eingenommen hatten, segelten wir diese Nacht
und den folgenden Tag über nordwärts, so weit der wiedrige Wind es gestatten
wollte. Am 25sten war das Wetter hell und schön, der Wind verlohr sich in

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in den Jahren 1772 bis 1775.

Da wir waͤhrend dieſer Zeit neben dem Eis-Felde, welches uns im We-1773.
Decem-
ber.

geweſen, ganz vorbey waren; ſo ſteuerten wir nun, wie vorher, wiederum
gerade gen Suͤden; denn darauf gieng die Haupt-Abſicht unſrer Reiſe. Am
20ſten Nachmittags kamen wir zum zweytenmale durch den Antarctiſchen Zirkel.
Das Wetter war naß und nebligt; — Eisinſeln haͤufig um uns her; — der Wind
ſehr friſch. Eine Menge antarctiſcher Sturmvoͤgel, und ein Wallfiſch der ohnweit
dem Schiffe das Waſſer aufſpruͤzte, ſchienen uns beym Eintritt in den kalten
Erdſtrich gleichſam zu bewillkommen. Zu Nachts erblickten wir zwey See-
hunde; deren ſich ſeit vierzehn Tagen keine hatten ſehen laſſen. Einige unſrer
Mitreiſenden muthmaßeten hieraus, daß wir Land antreffen wuͤrden. Allein dieſe
Hofnung ward bald wieder vernichtet, indem wir nach wenig Tagen, innerhalb
des antarctiſchen Zirkels bis auf 67 Grad 12 Minuten ſuͤdlicher Breite ge-
langten, ohne etwas anders als Eis wahrzunehmen.

Am 23ſten Nachmittages waren wir mit Eis-Inſeln umgeben und die
See war faſt uͤber und uͤber mit kleinen Eis-Stuͤcken bedeckt. Wir legten
alſo bey; ließen die Boote in See ſetzen, und Eisſchollen an Bord bringen.
Die Voͤgel waren jezt ſehr haͤufig um uns her; die Officiers ſchoſſen auch von
den Booten aus etliche antarctiſche Sturmvoͤgel, welches uns Gelegenheit
verſchafte, Zeichnungen und Beſchreibungen davon zu machen. Um dieſe Zeit
klagten viele von uns uͤber rhevmatiſche Beſchwerden, Kopfweh, geſchwollne Druͤ-
ſen, und Schnupfen-Fieber, lauter Zufaͤlle, die dem aus Eis aufgethauten Trinkwaſ-
ſer zugeſchrieben wurden. Mein Vater hatte ſich ſeit einigen Tagen, einer Verkaͤl-
tung wegen, nicht wohl befunden, die heute in einen ſtarken Rhevmatiſmus ausge-
ſchlagen und mit einem Fieber begleitet war, welches ihn bettlaͤgerig machte. Bey-
des ſchien dadurch veranlaßt zu ſeyn daß er ſich, aus Mangel einer beſſern Einrich-
tung, in einer ſo elenden Cajuͤtte behelfen mußte, wo, der beſtaͤndigen Naͤſſe we-
gen, alles ſchimmelte und verfaulte. Die Kaͤlte war vornemlich heute ſo em-
pfindlich, daß er zwiſchen dem Thermometer in ſeiner Cajuͤte und dem auf
dem Verdeck nur zwey und einen halben Grad Unterſchied fand.

Sobald wir die Boote wieder eingenommen hatten, ſegelten wir dieſe Nacht
und den folgenden Tag uͤber nordwaͤrts, ſo weit der wiedrige Wind es geſtatten
wollte. Am 25ſten war das Wetter hell und ſchoͤn, der Wind verlohr ſich in

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[403/0462] in den Jahren 1772 bis 1775. Da wir waͤhrend dieſer Zeit neben dem Eis-Felde, welches uns im We- geweſen, ganz vorbey waren; ſo ſteuerten wir nun, wie vorher, wiederum gerade gen Suͤden; denn darauf gieng die Haupt-Abſicht unſrer Reiſe. Am 20ſten Nachmittags kamen wir zum zweytenmale durch den Antarctiſchen Zirkel. Das Wetter war naß und nebligt; — Eisinſeln haͤufig um uns her; — der Wind ſehr friſch. Eine Menge antarctiſcher Sturmvoͤgel, und ein Wallfiſch der ohnweit dem Schiffe das Waſſer aufſpruͤzte, ſchienen uns beym Eintritt in den kalten Erdſtrich gleichſam zu bewillkommen. Zu Nachts erblickten wir zwey See- hunde; deren ſich ſeit vierzehn Tagen keine hatten ſehen laſſen. Einige unſrer Mitreiſenden muthmaßeten hieraus, daß wir Land antreffen wuͤrden. Allein dieſe Hofnung ward bald wieder vernichtet, indem wir nach wenig Tagen, innerhalb des antarctiſchen Zirkels bis auf 67 Grad 12 Minuten ſuͤdlicher Breite ge- langten, ohne etwas anders als Eis wahrzunehmen. 1773. Decem- ber. Am 23ſten Nachmittages waren wir mit Eis-Inſeln umgeben und die See war faſt uͤber und uͤber mit kleinen Eis-Stuͤcken bedeckt. Wir legten alſo bey; ließen die Boote in See ſetzen, und Eisſchollen an Bord bringen. Die Voͤgel waren jezt ſehr haͤufig um uns her; die Officiers ſchoſſen auch von den Booten aus etliche antarctiſche Sturmvoͤgel, welches uns Gelegenheit verſchafte, Zeichnungen und Beſchreibungen davon zu machen. Um dieſe Zeit klagten viele von uns uͤber rhevmatiſche Beſchwerden, Kopfweh, geſchwollne Druͤ- ſen, und Schnupfen-Fieber, lauter Zufaͤlle, die dem aus Eis aufgethauten Trinkwaſ- ſer zugeſchrieben wurden. Mein Vater hatte ſich ſeit einigen Tagen, einer Verkaͤl- tung wegen, nicht wohl befunden, die heute in einen ſtarken Rhevmatiſmus ausge- ſchlagen und mit einem Fieber begleitet war, welches ihn bettlaͤgerig machte. Bey- des ſchien dadurch veranlaßt zu ſeyn daß er ſich, aus Mangel einer beſſern Einrich- tung, in einer ſo elenden Cajuͤtte behelfen mußte, wo, der beſtaͤndigen Naͤſſe we- gen, alles ſchimmelte und verfaulte. Die Kaͤlte war vornemlich heute ſo em- pfindlich, daß er zwiſchen dem Thermometer in ſeiner Cajuͤte und dem auf dem Verdeck nur zwey und einen halben Grad Unterſchied fand. Sobald wir die Boote wieder eingenommen hatten, ſegelten wir dieſe Nacht und den folgenden Tag uͤber nordwaͤrts, ſo weit der wiedrige Wind es geſtatten wollte. Am 25ſten war das Wetter hell und ſchoͤn, der Wind verlohr ſich in E e e 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/462>, abgerufen am 22.11.2024.