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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
Novem-
ber.
gereiheten Menschen-Zähnen um den Hals; allein auch dieser Zierrath hat keine
abergläubische Bedeutung, sondern gilt blos für ein Kennzeichen der Tapferkeit:
Es sind nemlich die Zähne ihrer im Gefechte erschlagnen Feinde. Von Priester
oder Zauberern wissen sie, so viel wir bemerken konnten, gar nichts, und
dann ist es freylich nicht zu verwundern, daß sie so wenig abergläu-
bisch sind. Sollten sie aber, in der Folge einmal, zu mehreren Bequemlich-
keiten des Lebens gelangen; so ist es leicht möglich, daß einige unter ihnen
verschlagen genug seyn werden, ihres eignen Vortheils wegen, die Religions-
Begriffe der Nation zu erweitern; denn die Geschichte zeigt uns nur zu viel
Beyspiele, daß das heiligste und unschätzbarste Geschenk des Himmels, die Re-
ligion, zum Deckmantel von Betrügereyen ist gemißbraucht worden. --

Da das Schiff nunmehro völlig in Stand gesetzt war, dem rauhen
Wetter der südlichern See-Gegenden Trotz zu bieten, wir auch mit frischem Vorrath
von Trinkwasser und mit genugsamen Brennholz von neuem versorgt waren; so
wurden die Zelte wieder an Bord geschafft, und am 24sten des Morgens die letzten
Anstalten zur Abreise gemacht. Kaum sahen die Indianer, daß wir unsern bisheri-
gen Wohnplatz am Strande verlassen hatten, als sie sich unverzüglich daselbst
einfanden, und mit großer Begierde über den weggeworfnen Schiffs-Zwieback
herfielen, den doch sogar unsre Schweine nicht mehr hatten fressen wollen. Was
die Wilden hiezu verleiten mochte? weiß ich selbst kaum. Hunger konnte es
wenigstens nicht seyn, denn sie hatten solchen Ueberfluß an frischen Fischen, daß
sie, außer ihrem eignen Bedürfniß, auch uns, alle Tage reichlich damit zu ver-
sorgen pflegten. Die Ursach mußte folglich, entweder an der Verschiedenheit
ihres Geschmacks liegen, oder die Liebe zur Abwechselung machte ihnen diese
verdorbne vegetabilische Speise blos um deswillen angenehm, weil sie etwas
neues und seltnes für sie war. Indessen schien es ihnen nicht so ganz allein um
den Zwieback, sondern auch um die wenigen Kleinigkeiten zu thun zu seyn, die
unsre Leute während ihres Aufenthalts am Strande verloren oder weggeworfen
haben mochten. Unter der Zeit, daß sie überaus emsig nach Nägeln, alten Stücken
Zeug und dergleichen Kostbarkeiten umher suchten, kamen andre aus den ent-
ferntesten Gegenden der Bay und brachten eine Menge Waffen und Geräthschaf-
ten zum Verkauf.


Nach-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Novem-
ber.
gereiheten Menſchen-Zaͤhnen um den Hals; allein auch dieſer Zierrath hat keine
aberglaͤubiſche Bedeutung, ſondern gilt blos fuͤr ein Kennzeichen der Tapferkeit:
Es ſind nemlich die Zaͤhne ihrer im Gefechte erſchlagnen Feinde. Von Prieſter
oder Zauberern wiſſen ſie, ſo viel wir bemerken konnten, gar nichts, und
dann iſt es freylich nicht zu verwundern, daß ſie ſo wenig aberglaͤu-
biſch ſind. Sollten ſie aber, in der Folge einmal, zu mehreren Bequemlich-
keiten des Lebens gelangen; ſo iſt es leicht moͤglich, daß einige unter ihnen
verſchlagen genug ſeyn werden, ihres eignen Vortheils wegen, die Religions-
Begriffe der Nation zu erweitern; denn die Geſchichte zeigt uns nur zu viel
Beyſpiele, daß das heiligſte und unſchaͤtzbarſte Geſchenk des Himmels, die Re-
ligion, zum Deckmantel von Betruͤgereyen iſt gemißbraucht worden. —

Da das Schiff nunmehro voͤllig in Stand geſetzt war, dem rauhen
Wetter der ſuͤdlichern See-Gegenden Trotz zu bieten, wir auch mit friſchem Vorrath
von Trinkwaſſer und mit genugſamen Brennholz von neuem verſorgt waren; ſo
wurden die Zelte wieder an Bord geſchafft, und am 24ſten des Morgens die letzten
Anſtalten zur Abreiſe gemacht. Kaum ſahen die Indianer, daß wir unſern bisheri-
gen Wohnplatz am Strande verlaſſen hatten, als ſie ſich unverzuͤglich daſelbſt
einfanden, und mit großer Begierde uͤber den weggeworfnen Schiffs-Zwieback
herfielen, den doch ſogar unſre Schweine nicht mehr hatten freſſen wollen. Was
die Wilden hiezu verleiten mochte? weiß ich ſelbſt kaum. Hunger konnte es
wenigſtens nicht ſeyn, denn ſie hatten ſolchen Ueberfluß an friſchen Fiſchen, daß
ſie, außer ihrem eignen Beduͤrfniß, auch uns, alle Tage reichlich damit zu ver-
ſorgen pflegten. Die Urſach mußte folglich, entweder an der Verſchiedenheit
ihres Geſchmacks liegen, oder die Liebe zur Abwechſelung machte ihnen dieſe
verdorbne vegetabiliſche Speiſe blos um deswillen angenehm, weil ſie etwas
neues und ſeltnes fuͤr ſie war. Indeſſen ſchien es ihnen nicht ſo ganz allein um
den Zwieback, ſondern auch um die wenigen Kleinigkeiten zu thun zu ſeyn, die
unſre Leute waͤhrend ihres Aufenthalts am Strande verloren oder weggeworfen
haben mochten. Unter der Zeit, daß ſie uͤberaus emſig nach Naͤgeln, alten Stuͤcken
Zeug und dergleichen Koſtbarkeiten umher ſuchten, kamen andre aus den ent-
fernteſten Gegenden der Bay und brachten eine Menge Waffen und Geraͤthſchaf-
ten zum Verkauf.


Nach-
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[392/0451] Forſter’s Reiſe um die Welt gereiheten Menſchen-Zaͤhnen um den Hals; allein auch dieſer Zierrath hat keine aberglaͤubiſche Bedeutung, ſondern gilt blos fuͤr ein Kennzeichen der Tapferkeit: Es ſind nemlich die Zaͤhne ihrer im Gefechte erſchlagnen Feinde. Von Prieſter oder Zauberern wiſſen ſie, ſo viel wir bemerken konnten, gar nichts, und dann iſt es freylich nicht zu verwundern, daß ſie ſo wenig aberglaͤu- biſch ſind. Sollten ſie aber, in der Folge einmal, zu mehreren Bequemlich- keiten des Lebens gelangen; ſo iſt es leicht moͤglich, daß einige unter ihnen verſchlagen genug ſeyn werden, ihres eignen Vortheils wegen, die Religions- Begriffe der Nation zu erweitern; denn die Geſchichte zeigt uns nur zu viel Beyſpiele, daß das heiligſte und unſchaͤtzbarſte Geſchenk des Himmels, die Re- ligion, zum Deckmantel von Betruͤgereyen iſt gemißbraucht worden. — 1773. Novem- ber. Da das Schiff nunmehro voͤllig in Stand geſetzt war, dem rauhen Wetter der ſuͤdlichern See-Gegenden Trotz zu bieten, wir auch mit friſchem Vorrath von Trinkwaſſer und mit genugſamen Brennholz von neuem verſorgt waren; ſo wurden die Zelte wieder an Bord geſchafft, und am 24ſten des Morgens die letzten Anſtalten zur Abreiſe gemacht. Kaum ſahen die Indianer, daß wir unſern bisheri- gen Wohnplatz am Strande verlaſſen hatten, als ſie ſich unverzuͤglich daſelbſt einfanden, und mit großer Begierde uͤber den weggeworfnen Schiffs-Zwieback herfielen, den doch ſogar unſre Schweine nicht mehr hatten freſſen wollen. Was die Wilden hiezu verleiten mochte? weiß ich ſelbſt kaum. Hunger konnte es wenigſtens nicht ſeyn, denn ſie hatten ſolchen Ueberfluß an friſchen Fiſchen, daß ſie, außer ihrem eignen Beduͤrfniß, auch uns, alle Tage reichlich damit zu ver- ſorgen pflegten. Die Urſach mußte folglich, entweder an der Verſchiedenheit ihres Geſchmacks liegen, oder die Liebe zur Abwechſelung machte ihnen dieſe verdorbne vegetabiliſche Speiſe blos um deswillen angenehm, weil ſie etwas neues und ſeltnes fuͤr ſie war. Indeſſen ſchien es ihnen nicht ſo ganz allein um den Zwieback, ſondern auch um die wenigen Kleinigkeiten zu thun zu ſeyn, die unſre Leute waͤhrend ihres Aufenthalts am Strande verloren oder weggeworfen haben mochten. Unter der Zeit, daß ſie uͤberaus emſig nach Naͤgeln, alten Stuͤcken Zeug und dergleichen Koſtbarkeiten umher ſuchten, kamen andre aus den ent- fernteſten Gegenden der Bay und brachten eine Menge Waffen und Geraͤthſchaf- ten zum Verkauf. Nach-

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/451>, abgerufen am 22.11.2024.