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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
auch nach ihrer Cultur, noch Menschen-Opfer gefunden. Tupaia, *) der einzige1773.
Novem-
ber.

Mann, der sich ohne Anstos mit den Neu-Seeländern unterhalten konnte, erfuhr gar
bald, daß sie ein höchstes Wesen erkennen, welche Kenntniß auch, bey allen Völ-
kern der Erde, gleichsam als ein Funke der göttlichen Offenbahrung übrig zu seyn
scheint. Nächst diesem Begriff nehmen die Neu-Seeländer gewisse Unter-Gott-
heiten an, die mit denen auf Tahiti so genau überein kommen, daß das System
ihrer Vielgötterey sehr alt und von den gemeinschaftlichen Vor-Eltern beyder
Nationen herzustammen scheint. Wir bemerkten auf Neu-Seeland keine ein-
zige Ceremonie, die einige Beziehung auf die Religion gehabt hätte; und ich
weis nur von zwey Umständen, die auf eine entfernte Art Aberglauben zu verra-
then scheinen. Eins ist der Name Etui oder Vogel der Gottheit, welchen sie
zuweilen einer Art von Spechten (certhia cincinnata) beylegten.**) Diese Be-
nennung scheint eine Verehrung anzudeuten, dergleichen die Tahitier und die
übrigen Bewohner der Societäts-Inseln den Reyhern und Eisvögeln wiederfah-
ren lassen; doch kann diese Achtung eben so weit nicht gehen, wenigstens haben
wir nie bemerkt, daß sie diesen Vogel mehr als jeden andern beym Leben zu er-
halten gewünscht hätten. Der zweyte Umstand besteht in Tragung eines Amu-
lets von grünen Stein, welches an einer Halsschnur auf der Brust hängt, ohn-
gefähr die Größe eines harten Thalers hat, und einer Menschengestalt gewisser-
maßen ähnlich sieht. Sie nennen es Etighi, welche Benennung zweifelsohne
mit dem tahitischen Eti übereinkommt.+) Daselbst und in den benachbarten In-
seln bedeutet Eti ein hölzernes Menschenbild, das, zum Andenken der Todten,
keinesweges aber zu gottesdienstlicher Verehrung, bey den Gräbern auf einem
Pfahle aufgerichtet wird. Das Neu-Seeländische Tighi scheint aus gleicher Ab-
sicht getragen und auch in aller Absicht nicht höher geschätzt zu werden: Für eine
Kleinigkeit gaben sie es zwar nicht weg, wenn wir aber eine halbe Elle Tuch oder
rothen Kirsey daran wenden wollten, überließen sie es uns ohne Bedenken; denn
diese Zeuge waren ihnen, von allen unsern Tauschwaaren, das schätzbarste und
annehmlichste. Außer dergleichen Figuren tragen sie zuweilen Schnüre mit auf-

*) Hawkesworth Gesch. der engl. See-Reisen, 4. III. Band etc. pag. 62.
**) Der gewöhnliche Name dieses Vogels in der Neu-Seeländischen Sprache ist Kogo.
+) Eigentlich auszusprechen: Eti-ih.

in den Jahren 1772 bis 1775.
auch nach ihrer Cultur, noch Menſchen-Opfer gefunden. Tupaia, *) der einzige1773.
Novem-
ber.

Mann, der ſich ohne Anſtos mit den Neu-Seelaͤndern unterhalten konnte, erfuhr gar
bald, daß ſie ein hoͤchſtes Weſen erkennen, welche Kenntniß auch, bey allen Voͤl-
kern der Erde, gleichſam als ein Funke der goͤttlichen Offenbahrung uͤbrig zu ſeyn
ſcheint. Naͤchſt dieſem Begriff nehmen die Neu-Seelaͤnder gewiſſe Unter-Gott-
heiten an, die mit denen auf Tahiti ſo genau uͤberein kommen, daß das Syſtem
ihrer Vielgoͤtterey ſehr alt und von den gemeinſchaftlichen Vor-Eltern beyder
Nationen herzuſtammen ſcheint. Wir bemerkten auf Neu-Seeland keine ein-
zige Ceremonie, die einige Beziehung auf die Religion gehabt haͤtte; und ich
weis nur von zwey Umſtaͤnden, die auf eine entfernte Art Aberglauben zu verra-
then ſcheinen. Eins iſt der Name Etui oder Vogel der Gottheit, welchen ſie
zuweilen einer Art von Spechten (certhia cincinnata) beylegten.**) Dieſe Be-
nennung ſcheint eine Verehrung anzudeuten, dergleichen die Tahitier und die
uͤbrigen Bewohner der Societaͤts-Inſeln den Reyhern und Eisvoͤgeln wiederfah-
ren laſſen; doch kann dieſe Achtung eben ſo weit nicht gehen, wenigſtens haben
wir nie bemerkt, daß ſie dieſen Vogel mehr als jeden andern beym Leben zu er-
halten gewuͤnſcht haͤtten. Der zweyte Umſtand beſteht in Tragung eines Amu-
lets von gruͤnen Stein, welches an einer Halsſchnur auf der Bruſt haͤngt, ohn-
gefaͤhr die Groͤße eines harten Thalers hat, und einer Menſchengeſtalt gewiſſer-
maßen aͤhnlich ſieht. Sie nennen es Etighi, welche Benennung zweifelsohne
mit dem tahitiſchen Eti uͤbereinkommt.†) Daſelbſt und in den benachbarten In-
ſeln bedeutet Eti ein hoͤlzernes Menſchenbild, das, zum Andenken der Todten,
keinesweges aber zu gottesdienſtlicher Verehrung, bey den Graͤbern auf einem
Pfahle aufgerichtet wird. Das Neu-Seelaͤndiſche Tighi ſcheint aus gleicher Ab-
ſicht getragen und auch in aller Abſicht nicht hoͤher geſchaͤtzt zu werden: Fuͤr eine
Kleinigkeit gaben ſie es zwar nicht weg, wenn wir aber eine halbe Elle Tuch oder
rothen Kirſey daran wenden wollten, uͤberließen ſie es uns ohne Bedenken; denn
dieſe Zeuge waren ihnen, von allen unſern Tauſchwaaren, das ſchaͤtzbarſte und
annehmlichſte. Außer dergleichen Figuren tragen ſie zuweilen Schnuͤre mit auf-

*) Hawkesworth Geſch. der engl. See-Reiſen, 4. III. Band ꝛc. pag. 62.
**) Der gewoͤhnliche Name dieſes Vogels in der Neu-Seelaͤndiſchen Sprache iſt Kogo.
†) Eigentlich auszuſprechen: Eti-ih.
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[391/0450] in den Jahren 1772 bis 1775. auch nach ihrer Cultur, noch Menſchen-Opfer gefunden. Tupaia, *) der einzige Mann, der ſich ohne Anſtos mit den Neu-Seelaͤndern unterhalten konnte, erfuhr gar bald, daß ſie ein hoͤchſtes Weſen erkennen, welche Kenntniß auch, bey allen Voͤl- kern der Erde, gleichſam als ein Funke der goͤttlichen Offenbahrung uͤbrig zu ſeyn ſcheint. Naͤchſt dieſem Begriff nehmen die Neu-Seelaͤnder gewiſſe Unter-Gott- heiten an, die mit denen auf Tahiti ſo genau uͤberein kommen, daß das Syſtem ihrer Vielgoͤtterey ſehr alt und von den gemeinſchaftlichen Vor-Eltern beyder Nationen herzuſtammen ſcheint. Wir bemerkten auf Neu-Seeland keine ein- zige Ceremonie, die einige Beziehung auf die Religion gehabt haͤtte; und ich weis nur von zwey Umſtaͤnden, die auf eine entfernte Art Aberglauben zu verra- then ſcheinen. Eins iſt der Name Etui oder Vogel der Gottheit, welchen ſie zuweilen einer Art von Spechten (certhia cincinnata) beylegten. **) Dieſe Be- nennung ſcheint eine Verehrung anzudeuten, dergleichen die Tahitier und die uͤbrigen Bewohner der Societaͤts-Inſeln den Reyhern und Eisvoͤgeln wiederfah- ren laſſen; doch kann dieſe Achtung eben ſo weit nicht gehen, wenigſtens haben wir nie bemerkt, daß ſie dieſen Vogel mehr als jeden andern beym Leben zu er- halten gewuͤnſcht haͤtten. Der zweyte Umſtand beſteht in Tragung eines Amu- lets von gruͤnen Stein, welches an einer Halsſchnur auf der Bruſt haͤngt, ohn- gefaͤhr die Groͤße eines harten Thalers hat, und einer Menſchengeſtalt gewiſſer- maßen aͤhnlich ſieht. Sie nennen es Etighi, welche Benennung zweifelsohne mit dem tahitiſchen Eti uͤbereinkommt. †) Daſelbſt und in den benachbarten In- ſeln bedeutet Eti ein hoͤlzernes Menſchenbild, das, zum Andenken der Todten, keinesweges aber zu gottesdienſtlicher Verehrung, bey den Graͤbern auf einem Pfahle aufgerichtet wird. Das Neu-Seelaͤndiſche Tighi ſcheint aus gleicher Ab- ſicht getragen und auch in aller Abſicht nicht hoͤher geſchaͤtzt zu werden: Fuͤr eine Kleinigkeit gaben ſie es zwar nicht weg, wenn wir aber eine halbe Elle Tuch oder rothen Kirſey daran wenden wollten, uͤberließen ſie es uns ohne Bedenken; denn dieſe Zeuge waren ihnen, von allen unſern Tauſchwaaren, das ſchaͤtzbarſte und annehmlichſte. Außer dergleichen Figuren tragen ſie zuweilen Schnuͤre mit auf- 1773. Novem- ber. *) Hawkesworth Geſch. der engl. See-Reiſen, 4. III. Band ꝛc. pag. 62. **) Der gewoͤhnliche Name dieſes Vogels in der Neu-Seelaͤndiſchen Sprache iſt Kogo. †) Eigentlich auszuſprechen: Eti-ih.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/450>, abgerufen am 22.11.2024.