1773. Novem- ber.hört mit zu den körperlichen Vorzügen der halb civilisirten Völker, daß ihre Sinne durchaus schärfer sind als die unsrigen, die durch tausend Umstände und Verhältnisse der sogenannten verfeinerten Lebensart, stumpf gemacht und ver- dorben werden. Maheine gab in vorgedachtem Fall ein Beyspiel davon ab, und in Tahiti war es nichts neues, daß uns die Leute in dicken Bäumen kleine Vögel, oder Enten und Wasserhühner im dicksten Schilf zeigten, wo doch keiner von uns das geringste entdecken konnte.
Das angenehme und warme Wetter begünstigte unsre zoologischen Untersuchungen dermaaßen, daß wir gleich vom ersten Ausgang eine Menge Vögel mit an Bord brachten. Ehe wir am folgenden Morgen noch Anstalt machten wieder ans Land zu gehen, lief von unsern dort campirenden Leuten schon Klage ein, daß die Indianer in der Nacht, einen Wächtermantel und einen Beutel mit Linnen, aus dem Wasserzelt weggestohlen hätten. Da die Bucht, in welcher die Wilden sich aufhielten, nur durch einen Hügel von un- serm Wasserplatz abgesondert, mithin ganz in der Nähe war, so begab sich der Capitain unverzüglich zu ihnen, und setzte ihren Anführer Teiratuh, des Dieb- stahls wegen, zur Rede. Dieser schickte auch alsbald nach den gestohlnen Sa- chen, und lieferte sie ohne Wiederrede zurück, betheuerte aber, daß er nicht das mindeste davon gewußt, geschweige denn persönlichen Antheil daran gehabt habe. Bey dieser Erklärung ließen es unsre Leute um so eher bewenden, weil sie auf einer andern Seite wieder Vortheil von den Indianern hatten, und es also nicht gern mit ihnen verderben wollten. Sie versahen uns nemlich, für eine Kleinigkeit an tahitischen Zeuge, täglich mit frischen Fischen, die wir selbst weder so leicht, noch so reichlich zu fangen wußten. Bey dieser Gelegenheit fand man auch eine von den Sauen die Capitain Furneaux in Cannibal-Cove zurückgelassen hatte; und als Teiratuh befragt ward, wo die beyden andern geblieben wären, wies er nach verschiedenen Gegenden der Bay hin, um an- zudeuten, daß man sie hier und dorthin geschlept hätte. Durch solche Tren- nung der Thiere, die sie als Beute unter einander theilen, hindern diese rohen Leute das Fortkommen derselben. Immer nur darauf bedacht für den gegenwärtigen Augenblick zu sorgen, nur das dringendste Bedürfniß zu be-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Novem- ber.hoͤrt mit zu den koͤrperlichen Vorzuͤgen der halb civiliſirten Voͤlker, daß ihre Sinne durchaus ſchaͤrfer ſind als die unſrigen, die durch tauſend Umſtaͤnde und Verhaͤltniſſe der ſogenannten verfeinerten Lebensart, ſtumpf gemacht und ver- dorben werden. Maheine gab in vorgedachtem Fall ein Beyſpiel davon ab, und in Tahiti war es nichts neues, daß uns die Leute in dicken Baͤumen kleine Voͤgel, oder Enten und Waſſerhuͤhner im dickſten Schilf zeigten, wo doch keiner von uns das geringſte entdecken konnte.
Das angenehme und warme Wetter beguͤnſtigte unſre zoologiſchen Unterſuchungen dermaaßen, daß wir gleich vom erſten Ausgang eine Menge Voͤgel mit an Bord brachten. Ehe wir am folgenden Morgen noch Anſtalt machten wieder ans Land zu gehen, lief von unſern dort campirenden Leuten ſchon Klage ein, daß die Indianer in der Nacht, einen Waͤchtermantel und einen Beutel mit Linnen, aus dem Waſſerzelt weggeſtohlen haͤtten. Da die Bucht, in welcher die Wilden ſich aufhielten, nur durch einen Huͤgel von un- ſerm Waſſerplatz abgeſondert, mithin ganz in der Naͤhe war, ſo begab ſich der Capitain unverzuͤglich zu ihnen, und ſetzte ihren Anfuͤhrer Teiratuh, des Dieb- ſtahls wegen, zur Rede. Dieſer ſchickte auch alsbald nach den geſtohlnen Sa- chen, und lieferte ſie ohne Wiederrede zuruͤck, betheuerte aber, daß er nicht das mindeſte davon gewußt, geſchweige denn perſoͤnlichen Antheil daran gehabt habe. Bey dieſer Erklaͤrung ließen es unſre Leute um ſo eher bewenden, weil ſie auf einer andern Seite wieder Vortheil von den Indianern hatten, und es alſo nicht gern mit ihnen verderben wollten. Sie verſahen uns nemlich, fuͤr eine Kleinigkeit an tahitiſchen Zeuge, taͤglich mit friſchen Fiſchen, die wir ſelbſt weder ſo leicht, noch ſo reichlich zu fangen wußten. Bey dieſer Gelegenheit fand man auch eine von den Sauen die Capitain Furneaux in Cannibal-Cove zuruͤckgelaſſen hatte; und als Teiratuh befragt ward, wo die beyden andern geblieben waͤren, wies er nach verſchiedenen Gegenden der Bay hin, um an- zudeuten, daß man ſie hier und dorthin geſchlept haͤtte. Durch ſolche Tren- nung der Thiere, die ſie als Beute unter einander theilen, hindern dieſe rohen Leute das Fortkommen derſelben. Immer nur darauf bedacht fuͤr den gegenwaͤrtigen Augenblick zu ſorgen, nur das dringendſte Beduͤrfniß zu be-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
hoͤrt mit zu den koͤrperlichen Vorzuͤgen der halb civiliſirten Voͤlker, daß ihre
Sinne durchaus ſchaͤrfer ſind als die unſrigen, die durch tauſend Umſtaͤnde und
Verhaͤltniſſe der ſogenannten verfeinerten Lebensart, ſtumpf gemacht und ver-
dorben werden. Maheine gab in vorgedachtem Fall ein Beyſpiel davon
ab, und in Tahiti war es nichts neues, daß uns die Leute in dicken Baͤumen
kleine Voͤgel, oder Enten und Waſſerhuͤhner im dickſten Schilf zeigten, wo
doch keiner von uns das geringſte entdecken konnte.
1773.
Novem-
ber.
Das angenehme und warme Wetter beguͤnſtigte unſre zoologiſchen
Unterſuchungen dermaaßen, daß wir gleich vom erſten Ausgang eine Menge
Voͤgel mit an Bord brachten. Ehe wir am folgenden Morgen noch Anſtalt
machten wieder ans Land zu gehen, lief von unſern dort campirenden Leuten
ſchon Klage ein, daß die Indianer in der Nacht, einen Waͤchtermantel und
einen Beutel mit Linnen, aus dem Waſſerzelt weggeſtohlen haͤtten. Da die
Bucht, in welcher die Wilden ſich aufhielten, nur durch einen Huͤgel von un-
ſerm Waſſerplatz abgeſondert, mithin ganz in der Naͤhe war, ſo begab ſich der
Capitain unverzuͤglich zu ihnen, und ſetzte ihren Anfuͤhrer Teiratuh, des Dieb-
ſtahls wegen, zur Rede. Dieſer ſchickte auch alsbald nach den geſtohlnen Sa-
chen, und lieferte ſie ohne Wiederrede zuruͤck, betheuerte aber, daß er nicht
das mindeſte davon gewußt, geſchweige denn perſoͤnlichen Antheil daran gehabt
habe. Bey dieſer Erklaͤrung ließen es unſre Leute um ſo eher bewenden, weil
ſie auf einer andern Seite wieder Vortheil von den Indianern hatten, und es
alſo nicht gern mit ihnen verderben wollten. Sie verſahen uns nemlich, fuͤr
eine Kleinigkeit an tahitiſchen Zeuge, taͤglich mit friſchen Fiſchen, die wir ſelbſt
weder ſo leicht, noch ſo reichlich zu fangen wußten. Bey dieſer Gelegenheit
fand man auch eine von den Sauen die Capitain Furneaux in Cannibal-Cove
zuruͤckgelaſſen hatte; und als Teiratuh befragt ward, wo die beyden andern
geblieben waͤren, wies er nach verſchiedenen Gegenden der Bay hin, um an-
zudeuten, daß man ſie hier und dorthin geſchlept haͤtte. Durch ſolche Tren-
nung der Thiere, die ſie als Beute unter einander theilen, hindern dieſe
rohen Leute das Fortkommen derſelben. Immer nur darauf bedacht fuͤr den
gegenwaͤrtigen Augenblick zu ſorgen, nur das dringendſte Beduͤrfniß zu be-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/433>, abgerufen am 16.07.2024.
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