Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
in den Jahren 1772 bis 1775.

Am folgenden Morgen kamen die Indianer in größerer Anzahl und mit1773.
Novem-
ber.

mehrern Canots zu uns als Tages zuvor. Unter den neuen Ankömmlingen be-
fand sich auch der Befehlshaber Teiratuh, den wir ehemals schon hatten kennen
lernen, und von dem wir, bey unsrer vorigen Anwesenheit, mit einer langen Re-
de waren bewillkommt worden. Jetzt zog er ziemlich schlecht einher, und schien,
wenn ich so sagen darf, en deshabille zu seyn. Statt bunt geflochtner und mit Hun-
defell verbrämter Matten, die er vormals zu tragen pflegte, hatte er sich ganz
einfach gekleidet, und das Haar nur schlechtweg in einen Zopf aufgebun-
den, ungekämmt und ungesalbt. Der Redner und Befehlshaber schien zu
dem Stande eines gemeinen Fischkrähmers herabgesunken zu seyn; auch er-
kannten wir ihn in diesem Aufzuge nicht gleich wieder, so bald wir uns aber
seiner Physiognomie erinnerten, wiederfuhr ihm alle gebührende Ehre. Man
nöthigte ihn nemlich in die Cajütte, und machte ihm ein Geschenk von Nä-
geln. Das Eisenwerk und das tahitische Zeug welches wir bey uns führ-
ten, waren in feinen Augen so wichtige Artikel, daß er und alle seine Be-
gleiter ohnverzüglich Anstalt machten, ihren Wohnplatz in der Nachbarschaft
aufzuschlagen; vermuthlich um des Handels wegen immer bey der Hand zu seyn,
vielleicht aber auch, um desto mehr Gelegenheit zu haben auf andere Art etwas
an sich zu bringen. Das Schiff lag nahe am Strande, nicht weit von der Ge-
gend, wo die Wasserfässer angefüllt werden sollten. Zu diesem Behuf war auch
schon ein Zelt für die Wasserleute, ein andres für die Holzschläger, und
die Sternwarte für den Astronomen aufgeschlagen. Wir giengen Vor- und
Nachmittags ans Land, mußten uns aber allemal durch ein Labyrinth von
Schlingpflanzen hindurch arbeiten, die von einem Baume zum andern überge-
laufen waren. Maheine oder Ohedidi kam gemeiniglich mit ans Land und
streifte in diesen unwegsamen Wäldern herum, ganz erstaunt über die Ver-
schiedenheit der Vögel, über ihren schönen Gesang und ihr prächtiges Ge-
fieder. In einem unsrer Gärten, wo die Radiese und Rüben in der Blüthe stan-
den, hielt sich vorzüglich eine Menge kleiner Vögel auf, welche den Nectar-
saft aus den Blumen saugten, und sie darüber oft von den Stengeln rissen. Wir
schossen verschiedene davon und Maheine, der in seinem Leben noch nie eine
Flinte in Händen gehabt, erlegte seinen Vogel beym ersten Schusse. Es ge-

A a a 3
in den Jahren 1772 bis 1775.

Am folgenden Morgen kamen die Indianer in groͤßerer Anzahl und mit1773.
Novem-
ber.

mehrern Canots zu uns als Tages zuvor. Unter den neuen Ankoͤmmlingen be-
fand ſich auch der Befehlshaber Teiratuh, den wir ehemals ſchon hatten kennen
lernen, und von dem wir, bey unſrer vorigen Anweſenheit, mit einer langen Re-
de waren bewillkommt worden. Jetzt zog er ziemlich ſchlecht einher, und ſchien,
wenn ich ſo ſagen darf, en deshabillé zu ſeyn. Statt bunt geflochtner und mit Hun-
defell verbraͤmter Matten, die er vormals zu tragen pflegte, hatte er ſich ganz
einfach gekleidet, und das Haar nur ſchlechtweg in einen Zopf aufgebun-
den, ungekaͤmmt und ungeſalbt. Der Redner und Befehlshaber ſchien zu
dem Stande eines gemeinen Fiſchkraͤhmers herabgeſunken zu ſeyn; auch er-
kannten wir ihn in dieſem Aufzuge nicht gleich wieder, ſo bald wir uns aber
ſeiner Phyſiognomie erinnerten, wiederfuhr ihm alle gebuͤhrende Ehre. Man
noͤthigte ihn nemlich in die Cajuͤtte, und machte ihm ein Geſchenk von Naͤ-
geln. Das Eiſenwerk und das tahitiſche Zeug welches wir bey uns fuͤhr-
ten, waren in feinen Augen ſo wichtige Artikel, daß er und alle ſeine Be-
gleiter ohnverzuͤglich Anſtalt machten, ihren Wohnplatz in der Nachbarſchaft
aufzuſchlagen; vermuthlich um des Handels wegen immer bey der Hand zu ſeyn,
vielleicht aber auch, um deſto mehr Gelegenheit zu haben auf andere Art etwas
an ſich zu bringen. Das Schiff lag nahe am Strande, nicht weit von der Ge-
gend, wo die Waſſerfaͤſſer angefuͤllt werden ſollten. Zu dieſem Behuf war auch
ſchon ein Zelt fuͤr die Waſſerleute, ein andres fuͤr die Holzſchlaͤger, und
die Sternwarte fuͤr den Aſtronomen aufgeſchlagen. Wir giengen Vor- und
Nachmittags ans Land, mußten uns aber allemal durch ein Labyrinth von
Schlingpflanzen hindurch arbeiten, die von einem Baume zum andern uͤberge-
laufen waren. Maheine oder Ohedidi kam gemeiniglich mit ans Land und
ſtreifte in dieſen unwegſamen Waͤldern herum, ganz erſtaunt uͤber die Ver-
ſchiedenheit der Voͤgel, uͤber ihren ſchoͤnen Geſang und ihr praͤchtiges Ge-
fieder. In einem unſrer Gaͤrten, wo die Radieſe und Ruͤben in der Bluͤthe ſtan-
den, hielt ſich vorzuͤglich eine Menge kleiner Voͤgel auf, welche den Nectar-
ſaft aus den Blumen saugten, und ſie daruͤber oft von den Stengeln riſſen. Wir
ſchoſſen verſchiedene davon und Maheine, der in ſeinem Leben noch nie eine
Flinte in Haͤnden gehabt, erlegte ſeinen Vogel beym erſten Schuſſe. Es ge-

A a a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0432" n="373"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi> </fw><lb/>
        <p>Am folgenden Morgen kamen die Indianer in gro&#x0364;ßerer Anzahl und mit<note place="right">1773.<lb/>
Novem-<lb/>
ber.</note><lb/>
mehrern Canots zu uns als Tages zuvor. Unter den neuen Anko&#x0364;mmlingen be-<lb/>
fand &#x017F;ich auch der Befehlshaber <hi rendition="#fr"><persName>Teiratuh</persName>,</hi> den wir ehemals &#x017F;chon hatten kennen<lb/>
lernen, und von dem wir, bey un&#x017F;rer vorigen Anwe&#x017F;enheit, mit einer langen Re-<lb/>
de waren bewillkommt worden. Jetzt zog er ziemlich &#x017F;chlecht einher, und &#x017F;chien,<lb/>
wenn ich &#x017F;o &#x017F;agen darf, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">en deshabillé</hi></hi> zu &#x017F;eyn. Statt bunt geflochtner und mit Hun-<lb/>
defell verbra&#x0364;mter Matten, die er vormals zu tragen pflegte, hatte er &#x017F;ich ganz<lb/>
einfach gekleidet, und das Haar nur &#x017F;chlechtweg in einen Zopf aufgebun-<lb/>
den, ungeka&#x0364;mmt und unge&#x017F;albt. Der Redner und Befehlshaber &#x017F;chien zu<lb/>
dem Stande eines gemeinen Fi&#x017F;chkra&#x0364;hmers herabge&#x017F;unken zu &#x017F;eyn; auch er-<lb/>
kannten wir ihn in die&#x017F;em Aufzuge nicht gleich wieder, &#x017F;o bald wir uns aber<lb/>
&#x017F;einer Phy&#x017F;iognomie erinnerten, wiederfuhr ihm alle gebu&#x0364;hrende Ehre. Man<lb/>
no&#x0364;thigte ihn nemlich in die Caju&#x0364;tte, und machte ihm ein Ge&#x017F;chenk von Na&#x0364;-<lb/>
geln. Das Ei&#x017F;enwerk und das tahiti&#x017F;che Zeug welches wir bey uns fu&#x0364;hr-<lb/>
ten, waren in feinen Augen &#x017F;o wichtige Artikel, daß er und alle &#x017F;eine Be-<lb/>
gleiter ohnverzu&#x0364;glich An&#x017F;talt machten, ihren Wohnplatz in der Nachbar&#x017F;chaft<lb/>
aufzu&#x017F;chlagen; vermuthlich um des Handels wegen immer bey der Hand zu &#x017F;eyn,<lb/>
vielleicht aber auch, um de&#x017F;to mehr Gelegenheit zu haben auf andere Art etwas<lb/>
an &#x017F;ich zu bringen. Das Schiff lag nahe am Strande, nicht weit von der Ge-<lb/>
gend, wo die Wa&#x017F;&#x017F;erfa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er angefu&#x0364;llt werden &#x017F;ollten. Zu die&#x017F;em Behuf war auch<lb/>
&#x017F;chon ein Zelt fu&#x0364;r die Wa&#x017F;&#x017F;erleute, ein andres fu&#x0364;r die Holz&#x017F;chla&#x0364;ger, und<lb/>
die Sternwarte fu&#x0364;r den A&#x017F;tronomen aufge&#x017F;chlagen. Wir giengen Vor- und<lb/>
Nachmittags ans Land, mußten uns aber allemal durch ein Labyrinth von<lb/>
Schlingpflanzen hindurch arbeiten, die von einem Baume zum andern u&#x0364;berge-<lb/>
laufen waren. <hi rendition="#fr"><persName>Maheine</persName></hi> oder <hi rendition="#fr"><persName>Ohedidi</persName></hi> kam gemeiniglich mit ans Land und<lb/>
&#x017F;treifte in die&#x017F;en unweg&#x017F;amen Wa&#x0364;ldern herum, ganz er&#x017F;taunt u&#x0364;ber die Ver-<lb/>
&#x017F;chiedenheit der Vo&#x0364;gel, u&#x0364;ber ihren &#x017F;cho&#x0364;nen Ge&#x017F;ang und ihr pra&#x0364;chtiges Ge-<lb/>
fieder. In einem un&#x017F;rer Ga&#x0364;rten, wo die Radie&#x017F;e und Ru&#x0364;ben in der Blu&#x0364;the &#x017F;tan-<lb/>
den, hielt &#x017F;ich vorzu&#x0364;glich eine Menge kleiner Vo&#x0364;gel auf, welche den Nectar-<lb/>
&#x017F;aft aus den Blumen <choice><sic>&#x017F;angten</sic><corr>saugten</corr></choice>, und &#x017F;ie daru&#x0364;ber oft von den Stengeln ri&#x017F;&#x017F;en. Wir<lb/>
&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;chiedene davon und <hi rendition="#fr"><persName>Maheine</persName>,</hi> der in &#x017F;einem Leben noch nie eine<lb/>
Flinte in Ha&#x0364;nden gehabt, erlegte &#x017F;einen Vogel beym er&#x017F;ten Schu&#x017F;&#x017F;e. Es ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a a 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0432] in den Jahren 1772 bis 1775. Am folgenden Morgen kamen die Indianer in groͤßerer Anzahl und mit mehrern Canots zu uns als Tages zuvor. Unter den neuen Ankoͤmmlingen be- fand ſich auch der Befehlshaber Teiratuh, den wir ehemals ſchon hatten kennen lernen, und von dem wir, bey unſrer vorigen Anweſenheit, mit einer langen Re- de waren bewillkommt worden. Jetzt zog er ziemlich ſchlecht einher, und ſchien, wenn ich ſo ſagen darf, en deshabillé zu ſeyn. Statt bunt geflochtner und mit Hun- defell verbraͤmter Matten, die er vormals zu tragen pflegte, hatte er ſich ganz einfach gekleidet, und das Haar nur ſchlechtweg in einen Zopf aufgebun- den, ungekaͤmmt und ungeſalbt. Der Redner und Befehlshaber ſchien zu dem Stande eines gemeinen Fiſchkraͤhmers herabgeſunken zu ſeyn; auch er- kannten wir ihn in dieſem Aufzuge nicht gleich wieder, ſo bald wir uns aber ſeiner Phyſiognomie erinnerten, wiederfuhr ihm alle gebuͤhrende Ehre. Man noͤthigte ihn nemlich in die Cajuͤtte, und machte ihm ein Geſchenk von Naͤ- geln. Das Eiſenwerk und das tahitiſche Zeug welches wir bey uns fuͤhr- ten, waren in feinen Augen ſo wichtige Artikel, daß er und alle ſeine Be- gleiter ohnverzuͤglich Anſtalt machten, ihren Wohnplatz in der Nachbarſchaft aufzuſchlagen; vermuthlich um des Handels wegen immer bey der Hand zu ſeyn, vielleicht aber auch, um deſto mehr Gelegenheit zu haben auf andere Art etwas an ſich zu bringen. Das Schiff lag nahe am Strande, nicht weit von der Ge- gend, wo die Waſſerfaͤſſer angefuͤllt werden ſollten. Zu dieſem Behuf war auch ſchon ein Zelt fuͤr die Waſſerleute, ein andres fuͤr die Holzſchlaͤger, und die Sternwarte fuͤr den Aſtronomen aufgeſchlagen. Wir giengen Vor- und Nachmittags ans Land, mußten uns aber allemal durch ein Labyrinth von Schlingpflanzen hindurch arbeiten, die von einem Baume zum andern uͤberge- laufen waren. Maheine oder Ohedidi kam gemeiniglich mit ans Land und ſtreifte in dieſen unwegſamen Waͤldern herum, ganz erſtaunt uͤber die Ver- ſchiedenheit der Voͤgel, uͤber ihren ſchoͤnen Geſang und ihr praͤchtiges Ge- fieder. In einem unſrer Gaͤrten, wo die Radieſe und Ruͤben in der Bluͤthe ſtan- den, hielt ſich vorzuͤglich eine Menge kleiner Voͤgel auf, welche den Nectar- ſaft aus den Blumen saugten, und ſie daruͤber oft von den Stengeln riſſen. Wir ſchoſſen verſchiedene davon und Maheine, der in ſeinem Leben noch nie eine Flinte in Haͤnden gehabt, erlegte ſeinen Vogel beym erſten Schuſſe. Es ge- 1773. Novem- ber. A a a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/432
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/432>, abgerufen am 22.11.2024.