Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.October.Tahiti, durch die Naselöcher, geblasen wurde. Gemeiniglich waren sie mit allerhand kleinen eingebrannten Figuren geziert, und hatten vier bis fünf Ton- Löcher, da hingegen die Tahitischen Flöten nur drey in allem hatten. Die Auszierungen mit eingebrannten Figuren, fanden wir auch auf ihren Speise- Schalen und anderm hölzernen Hausrath angebracht. Ohnerachtet es beynahe Abend war als wir mit unsern eingekauften und in
Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.October.Tahiti, durch die Naſeloͤcher, geblaſen wurde. Gemeiniglich waren ſie mit allerhand kleinen eingebrannten Figuren geziert, und hatten vier bis fuͤnf Ton- Loͤcher, da hingegen die Tahitiſchen Floͤten nur drey in allem hatten. Die Auszierungen mit eingebrannten Figuren, fanden wir auch auf ihren Speiſe- Schalen und anderm hoͤlzernen Hausrath angebracht. Ohnerachtet es beynahe Abend war als wir mit unſern eingekauften und in
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Tahiti, durch die Naſeloͤcher, geblaſen wurde. Gemeiniglich waren ſie mit
allerhand kleinen eingebrannten Figuren geziert, und hatten vier bis fuͤnf Ton-
Loͤcher, da hingegen die Tahitiſchen Floͤten nur drey in allem hatten. Die
Auszierungen mit eingebrannten Figuren, fanden wir auch auf ihren Speiſe-
Schalen und anderm hoͤlzernen Hausrath angebracht.
1773.
October.
Ohnerachtet es beynahe Abend war als wir mit unſern eingekauften und
aufgefundnen Merkwuͤrdigkeiten an Bord zuruͤck kamen, fanden wir das Schiff
doch noch von einer Menge Eingebohrnen umgeben, die theils in Canots herbey
gekommen waren, theils im Waſſer herum ſchwammen und nicht wenig Lerm
machten. Unter den letztern gab es ſehr viel Frauensperſonen, welche wie Am-
phibia im Waſſer herumgaukelten, und ſich leicht bereden ließen an Bord zu
kommen, nackt als die Natur ſie geſchaffen hatte. Um Keuſchheit war es ihnen
auch eben ſo wenig zu thun als den gemeinen Maͤdchen auf Tahiti und den
Societaͤts-Inſeln, und man kann wohl denken, daß unſere Seeleute ſich den
guten Willen dieſer Schoͤnen zu Nutze machten. Sie ließen uns auch hier
wieder Scenen ſehen, welche der Tempel Cytherens werth geweſen waͤren. Ein
Hemd, ein Stuͤck Zeug, oder ein Paar Naͤgel waren zuweilen hinreichende Lo-
ckungen fuͤr die Dirnen, ſich ohne Schaam preis zu geben. Doch war dieſe Lie-
derlichkeit nichts weniger als allgemein, und ich glaube gewiß, daß nicht eine
einzige verheirathete Perſon ſich einer ehelichen Untreue ſchuldig gemacht habe.
Haͤtten wir von der Verſchiedenheit der Staͤnde hinlaͤngliche Kenntniß
gehabt, ſo wuͤrde ſich wahrſcheinlicher weiſe gefunden haben, daß, wie in Tahiti
ſo auch hier, die liederlichen Frauensperſonen, nur vom niedrigſten Poͤbel waren.
Mit alle dem bleibt es immer ein ſonderbarer Zug in dem Character der ſuͤd-
lichen Inſulaner, daß unverheirathete Perſonen ſich ohne Unterſchied einer
Menge von Liebhabern preis geben duͤrfen! Sollten ſie denn wohl erwarten, daß
Maͤdchen, welche den Trieben der Natur Gehoͤr und freyen Lauf gegeben, beſſere
Weiber wuͤrden als die unſchuldigen und eingezogenern? Doch es iſt umſonſt, fuͤr
die willkuͤrlichen Grillen der Menſchen vernuͤnftige Gruͤnde aufſuchen zu wollen,
vornemlich in Betracht des andern Geſchlechts, wegen deſſen man zu allen Zeiten
und in allen Laͤndern ſo ſehr verſchiedner Meynung geweſen iſt! In einigen
Gegenden von Indien wird kein Mann von Stande eine Jungfer heirathen;
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