Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.October.dem Todesfall der Maduas (d. i. der Eltern oder vielleicht andrer Verwand- ten in aufsteigender Linie) vorgenommen zu werden pflege. Unserm Astronomen, Herrn Wales, begegnete zwar einstmals ein Mann, dem an beyden Händen kein Finger fehlte, ohnerachtet die Eltern desselben, seinem hohen Alter nach zu ur- theilen, wohl schwerlich mehr am Leben seyn konnten: Allein, ein solcher ein- zelner Fall entscheidet nichts gegen das Ganze, und da es überall Sonderlinge giebt, so könnte ja auch wohl auf Tonga-Tabu einer oder der andere gewisse Ceremonien nicht mit machen wollen, zumal da man in der Süd-See durchge- hends sehr tolerant ist. -- Wir fanden auf dieser Grabstätte auch zwey aus Holz geschnitzte Figuren, die, gleich den E-Tihs auf Tahiti, einer Menschen- gestalt ähnlich seyn sollten; doch bezeigte man ihnen hier eben so wenig als dort, eine Art von Achtung oder Verehrung, sondern man ließ sie sorglos auf der Erde herum liegen und stieß sie nach Gelegenheit mit den Füßen aus einem Winkel in den andern. Dergleichen Begräbnißplätze heißen in der Landes-Sprache Faye- tuca, und sind immer in einer sehr anmuthigen Gegend, auf grünen Grasplätzen, unter schönen, schattenreichen Bäumen angelegt. Herr Hodges zeichnete den, von welchem hier die Rede ist, und man findet in Capitain Cooks Reisebe- schreibung eine getreue Abbildung desselben. Nachdem wir diesen Ort zur Ge- nüge untersucht hatten, so setzten wir unsern Weg weiter fort, der, wie bisher immer zwischen Plantagen hindurch gieng; es kamen uns aber nur wenig Ein- wohner zu Gesicht, indem sie sich mehrentheils nach dem Handlungsplatze herab verfügt hatten, und wenn wir ja welche antrafen, so blieben sie entweder unge- stört bey ihrer Arbeit oder giengen bescheiden neben uns vorbey. Weit ent- fernt es nicht gern zu sehen oder gar hindern zu wollen, daß wir ihr Land so durchstreiften, blieben sie unsertwegen kaum einmal aus Neugier stehen; son- dern grüßten uns vielmehr in einem freundlichen Ton. Wir sprachen in ver- schiednen Häusern ein, fanden sie aber durchgehends leer, jedoch immer mit Mat- ten ausgelegt und mit wohlriechendem Gesträuch umgeben. Zuweilen waren sie von den Baumgärten oder andern Pflanzungen noch durch einen eignen Zaun abgesondert, der so wie die Zäune in Ea-Uwhe, eine besondre Thür hatte, die inwendig verriegelt werden konnte. In solchem Fall war das wohlrie- chende Buschwerk allemal innerhalb der kleinern Verzäunung hingepflanzt. Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.October.dem Todesfall der Maduas (d. i. der Eltern oder vielleicht andrer Verwand- ten in aufſteigender Linie) vorgenommen zu werden pflege. Unſerm Aſtronomen, Herrn Wales, begegnete zwar einſtmals ein Mann, dem an beyden Haͤnden kein Finger fehlte, ohnerachtet die Eltern deſſelben, ſeinem hohen Alter nach zu ur- theilen, wohl ſchwerlich mehr am Leben ſeyn konnten: Allein, ein ſolcher ein- zelner Fall entſcheidet nichts gegen das Ganze, und da es uͤberall Sonderlinge giebt, ſo koͤnnte ja auch wohl auf Tonga-Tabu einer oder der andere gewiſſe Ceremonien nicht mit machen wollen, zumal da man in der Suͤd-See durchge- hends ſehr tolerant iſt. — Wir fanden auf dieſer Grabſtaͤtte auch zwey aus Holz geſchnitzte Figuren, die, gleich den E-Tihs auf Tahiti, einer Menſchen- geſtalt aͤhnlich ſeyn ſollten; doch bezeigte man ihnen hier eben ſo wenig als dort, eine Art von Achtung oder Verehrung, ſondern man ließ ſie ſorglos auf der Erde herum liegen und ſtieß ſie nach Gelegenheit mit den Fuͤßen aus einem Winkel in den andern. Dergleichen Begraͤbnißplaͤtze heißen in der Landes-Sprache Faye- tuca, und ſind immer in einer ſehr anmuthigen Gegend, auf gruͤnen Grasplaͤtzen, unter ſchoͤnen, ſchattenreichen Baͤumen angelegt. Herr Hodges zeichnete den, von welchem hier die Rede iſt, und man findet in Capitain Cooks Reiſebe- ſchreibung eine getreue Abbildung deſſelben. Nachdem wir dieſen Ort zur Ge- nuͤge unterſucht hatten, ſo ſetzten wir unſern Weg weiter fort, der, wie bisher immer zwiſchen Plantagen hindurch gieng; es kamen uns aber nur wenig Ein- wohner zu Geſicht, indem ſie ſich mehrentheils nach dem Handlungsplatze herab verfuͤgt hatten, und wenn wir ja welche antrafen, ſo blieben ſie entweder unge- ſtoͤrt bey ihrer Arbeit oder giengen beſcheiden neben uns vorbey. Weit ent- fernt es nicht gern zu ſehen oder gar hindern zu wollen, daß wir ihr Land ſo durchſtreiften, blieben ſie unſertwegen kaum einmal aus Neugier ſtehen; ſon- dern gruͤßten uns vielmehr in einem freundlichen Ton. Wir ſprachen in ver- ſchiednen Haͤuſern ein, fanden ſie aber durchgehends leer, jedoch immer mit Mat- ten ausgelegt und mit wohlriechendem Geſtraͤuch umgeben. Zuweilen waren ſie von den Baumgaͤrten oder andern Pflanzungen noch durch einen eignen Zaun abgeſondert, der ſo wie die Zaͤune in Ea-Uwhe, eine beſondre Thuͤr hatte, die inwendig verriegelt werden konnte. In ſolchem Fall war das wohlrie- chende Buſchwerk allemal innerhalb der kleinern Verzaͤunung hingepflanzt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0399" n="340"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/> October.</note>dem Todesfall der <hi rendition="#fr">Maduas</hi> (d. i. der Eltern oder vielleicht andrer Verwand-<lb/> ten in aufſteigender Linie) vorgenommen zu werden pflege. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
dem Todesfall der Maduas (d. i. der Eltern oder vielleicht andrer Verwand-
ten in aufſteigender Linie) vorgenommen zu werden pflege. Unſerm Aſtronomen,
Herrn Wales, begegnete zwar einſtmals ein Mann, dem an beyden Haͤnden
kein Finger fehlte, ohnerachtet die Eltern deſſelben, ſeinem hohen Alter nach zu ur-
theilen, wohl ſchwerlich mehr am Leben ſeyn konnten: Allein, ein ſolcher ein-
zelner Fall entſcheidet nichts gegen das Ganze, und da es uͤberall Sonderlinge
giebt, ſo koͤnnte ja auch wohl auf Tonga-Tabu einer oder der andere gewiſſe
Ceremonien nicht mit machen wollen, zumal da man in der Suͤd-See durchge-
hends ſehr tolerant iſt. — Wir fanden auf dieſer Grabſtaͤtte auch zwey aus
Holz geſchnitzte Figuren, die, gleich den E-Tihs auf Tahiti, einer Menſchen-
geſtalt aͤhnlich ſeyn ſollten; doch bezeigte man ihnen hier eben ſo wenig als dort,
eine Art von Achtung oder Verehrung, ſondern man ließ ſie ſorglos auf der Erde
herum liegen und ſtieß ſie nach Gelegenheit mit den Fuͤßen aus einem Winkel
in den andern. Dergleichen Begraͤbnißplaͤtze heißen in der Landes-Sprache Faye-
tuca, und ſind immer in einer ſehr anmuthigen Gegend, auf gruͤnen Grasplaͤtzen,
unter ſchoͤnen, ſchattenreichen Baͤumen angelegt. Herr Hodges zeichnete den,
von welchem hier die Rede iſt, und man findet in Capitain Cooks Reiſebe-
ſchreibung eine getreue Abbildung deſſelben. Nachdem wir dieſen Ort zur Ge-
nuͤge unterſucht hatten, ſo ſetzten wir unſern Weg weiter fort, der, wie bisher
immer zwiſchen Plantagen hindurch gieng; es kamen uns aber nur wenig Ein-
wohner zu Geſicht, indem ſie ſich mehrentheils nach dem Handlungsplatze herab
verfuͤgt hatten, und wenn wir ja welche antrafen, ſo blieben ſie entweder unge-
ſtoͤrt bey ihrer Arbeit oder giengen beſcheiden neben uns vorbey. Weit ent-
fernt es nicht gern zu ſehen oder gar hindern zu wollen, daß wir ihr Land ſo
durchſtreiften, blieben ſie unſertwegen kaum einmal aus Neugier ſtehen; ſon-
dern gruͤßten uns vielmehr in einem freundlichen Ton. Wir ſprachen in ver-
ſchiednen Haͤuſern ein, fanden ſie aber durchgehends leer, jedoch immer mit Mat-
ten ausgelegt und mit wohlriechendem Geſtraͤuch umgeben. Zuweilen waren
ſie von den Baumgaͤrten oder andern Pflanzungen noch durch einen eignen
Zaun abgeſondert, der ſo wie die Zaͤune in Ea-Uwhe, eine beſondre Thuͤr hatte,
die inwendig verriegelt werden konnte. In ſolchem Fall war das wohlrie-
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