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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
zu zeichnen. Man findet dies Portrait in Capitain Cooks Beschreibung ge-1773.
Septem-
ber.

genwärtiger Reise. Der ganze Cörper dieses Mannes war ungemein ansehnlich
und besonders stark von Gliedern; sein Schenkel war zum Beyspiel vollkommen
so dick als unser stärkster Matrose im Leibe. Seine weitläuftigen Kleidungen nebst
dem zierlichen weißen Turban schickten sich sehr gut zu dieser Figur; und sein edles
freymüthiges Betragen gefiel uns, besonders in Vergleichung mit O-Tuhs
mißtrauischem Wesen, über alle Maaße. Polatehera, seine erste Gemahlin,
war ihm an Größe und Corpulenz vollkommen ähnlich, und in diesem Betracht
dünkte sie uns allen die sonderbarste Figur von einer Frauensperson zu seyn,
die wir je gesehen hatten. Beydes, ihr Anblick und ihr Betragen, waren
ungemein männlich, und der Begriff von Gewalt und Herrschaft schien in ihrer
Gestalt personificirt zu seyn. Als das Schiff Endeavour hier vor Anker lag,
hatte sie einen überzeugenden Beweis davon gegeben. Sie nannte sich da-
mals des Capitain Cooks Schwester *) Tuaheine no Tute, und als man
sie, dieses Namens ohnerachtet, eines Tages nicht ins Fort auf Point
Venus
hineinlassen wollte, schlug sie die Schildwache, welche es ihr zu
wehren suchte, zu Boden, und klagte darauf ihrem adoptirten Bruder die
schimpfliche Begegnung welche ihr wiederfahren wäre. -- Sie waren noch
nicht lange bey uns gewesen, als sie erfuhren, daß wir so gleich unter See-
gel gehen würden. Daher fragten sie uns mit allen erfinnlichen Freund-
schafts-Bezeugungen und mit Thränen in den Augen, ob wir jemahls wieder
nach Tahiti kommen würden? Capitain Cook versprach, in sieben Monaten
wiederum hier zu seyn. Dies stellte sie völlig zufrieden; sie beurlaubten
sich ganz gelassen, und giengen sodann in ihren Booten, die ihnen bis ans
Schiff gefolgt waren, westwärts, nach der Gegend ihres Wohnsitzes zurück.
Mittlerweile kam ein junger Tahitier vom geringsten Stande, wohlgebil-
det und ohngefähr siebenzehn Jahr alt, mit seinem Vater ans Schiff.
Er hatte schon vor einigen Tagen gegen den Capitain gesagt, daß er mitgehn
wolle, no te whennua tei Bretane d. i, "nach dem Lande Britannien."
Seine ganze Equipage bestand aus einem schmalen Stück Zeug, welches um die
Hüften geschürzt war; und in diesem ganz wehrlosen, hülfsbedürftigen Zu-

*) Capitain Cook ist ein ungemein langer aber hagerer Mann.
Forsters Reise u. d. W. erster Th. M m

in den Jahren 1772 bis 1775.
zu zeichnen. Man findet dies Portrait in Capitain Cooks Beſchreibung ge-1773.
Septem-
ber.

genwaͤrtiger Reiſe. Der ganze Coͤrper dieſes Mannes war ungemein anſehnlich
und beſonders ſtark von Gliedern; ſein Schenkel war zum Beyſpiel vollkommen
ſo dick als unſer ſtaͤrkſter Matroſe im Leibe. Seine weitlaͤuftigen Kleidungen nebſt
dem zierlichen weißen Turban ſchickten ſich ſehr gut zu dieſer Figur; und ſein edles
freymuͤthiges Betragen gefiel uns, beſonders in Vergleichung mit O-Tuhs
mißtrauiſchem Weſen, uͤber alle Maaße. Polatehera, ſeine erſte Gemahlin,
war ihm an Groͤße und Corpulenz vollkommen aͤhnlich, und in dieſem Betracht
duͤnkte ſie uns allen die ſonderbarſte Figur von einer Frauensperſon zu ſeyn,
die wir je geſehen hatten. Beydes, ihr Anblick und ihr Betragen, waren
ungemein maͤnnlich, und der Begriff von Gewalt und Herrſchaft ſchien in ihrer
Geſtalt perſonificirt zu ſeyn. Als das Schiff Endeavour hier vor Anker lag,
hatte ſie einen uͤberzeugenden Beweis davon gegeben. Sie nannte ſich da-
mals des Capitain Cooks Schweſter *) Tuaheine no Tute, und als man
ſie, dieſes Namens ohnerachtet, eines Tages nicht ins Fort auf Point
Venus
hineinlaſſen wollte, ſchlug ſie die Schildwache, welche es ihr zu
wehren ſuchte, zu Boden, und klagte darauf ihrem adoptirten Bruder die
ſchimpfliche Begegnung welche ihr wiederfahren waͤre. — Sie waren noch
nicht lange bey uns geweſen, als ſie erfuhren, daß wir ſo gleich unter See-
gel gehen wuͤrden. Daher fragten ſie uns mit allen erfinnlichen Freund-
ſchafts-Bezeugungen und mit Thraͤnen in den Augen, ob wir jemahls wieder
nach Tahiti kommen wuͤrden? Capitain Cook verſprach, in ſieben Monaten
wiederum hier zu ſeyn. Dies ſtellte ſie voͤllig zufrieden; ſie beurlaubten
ſich ganz gelaſſen, und giengen ſodann in ihren Booten, die ihnen bis ans
Schiff gefolgt waren, weſtwaͤrts, nach der Gegend ihres Wohnſitzes zuruͤck.
Mittlerweile kam ein junger Tahitier vom geringſten Stande, wohlgebil-
det und ohngefaͤhr ſiebenzehn Jahr alt, mit ſeinem Vater ans Schiff.
Er hatte ſchon vor einigen Tagen gegen den Capitain geſagt, daß er mitgehn
wolle, no te whennua tei Bretane d. i, „nach dem Lande Britannien.“
Seine ganze Equipage beſtand aus einem ſchmalen Stuͤck Zeug, welches um die
Huͤften geſchuͤrzt war; und in dieſem ganz wehrloſen, huͤlfsbeduͤrftigen Zu-

*) Capitain Cook iſt ein ungemein langer aber hagerer Mann.
Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. M m
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[273/0328] in den Jahren 1772 bis 1775. zu zeichnen. Man findet dies Portrait in Capitain Cooks Beſchreibung ge- genwaͤrtiger Reiſe. Der ganze Coͤrper dieſes Mannes war ungemein anſehnlich und beſonders ſtark von Gliedern; ſein Schenkel war zum Beyſpiel vollkommen ſo dick als unſer ſtaͤrkſter Matroſe im Leibe. Seine weitlaͤuftigen Kleidungen nebſt dem zierlichen weißen Turban ſchickten ſich ſehr gut zu dieſer Figur; und ſein edles freymuͤthiges Betragen gefiel uns, beſonders in Vergleichung mit O-Tuhs mißtrauiſchem Weſen, uͤber alle Maaße. Polatehera, ſeine erſte Gemahlin, war ihm an Groͤße und Corpulenz vollkommen aͤhnlich, und in dieſem Betracht duͤnkte ſie uns allen die ſonderbarſte Figur von einer Frauensperſon zu ſeyn, die wir je geſehen hatten. Beydes, ihr Anblick und ihr Betragen, waren ungemein maͤnnlich, und der Begriff von Gewalt und Herrſchaft ſchien in ihrer Geſtalt perſonificirt zu ſeyn. Als das Schiff Endeavour hier vor Anker lag, hatte ſie einen uͤberzeugenden Beweis davon gegeben. Sie nannte ſich da- mals des Capitain Cooks Schweſter *) Tuaheine no Tute, und als man ſie, dieſes Namens ohnerachtet, eines Tages nicht ins Fort auf Point Venus hineinlaſſen wollte, ſchlug ſie die Schildwache, welche es ihr zu wehren ſuchte, zu Boden, und klagte darauf ihrem adoptirten Bruder die ſchimpfliche Begegnung welche ihr wiederfahren waͤre. — Sie waren noch nicht lange bey uns geweſen, als ſie erfuhren, daß wir ſo gleich unter See- gel gehen wuͤrden. Daher fragten ſie uns mit allen erfinnlichen Freund- ſchafts-Bezeugungen und mit Thraͤnen in den Augen, ob wir jemahls wieder nach Tahiti kommen wuͤrden? Capitain Cook verſprach, in ſieben Monaten wiederum hier zu ſeyn. Dies ſtellte ſie voͤllig zufrieden; ſie beurlaubten ſich ganz gelaſſen, und giengen ſodann in ihren Booten, die ihnen bis ans Schiff gefolgt waren, weſtwaͤrts, nach der Gegend ihres Wohnſitzes zuruͤck. Mittlerweile kam ein junger Tahitier vom geringſten Stande, wohlgebil- det und ohngefaͤhr ſiebenzehn Jahr alt, mit ſeinem Vater ans Schiff. Er hatte ſchon vor einigen Tagen gegen den Capitain geſagt, daß er mitgehn wolle, no te whennua tei Bretane d. i, „nach dem Lande Britannien.“ Seine ganze Equipage beſtand aus einem ſchmalen Stuͤck Zeug, welches um die Huͤften geſchuͤrzt war; und in dieſem ganz wehrloſen, huͤlfsbeduͤrftigen Zu- 1773. Septem- ber. *) Capitain Cook iſt ein ungemein langer aber hagerer Mann. Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. M m

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/328>, abgerufen am 22.11.2024.