1773. August.und eben dies ist ohne Zweifel auch die nächste Ursache der hiesigen starken Be- völkerung.
Wir wurden mit einem starken Kerl eins, daß er uns die Lebensmittel, welche die gastfreye alte Frau für uns angeschaft hatte, unterwegens nachtra- gen sollte. Zu dem Ende hieng er sie, zu gleichen Theilen, an die Enden ei- ner 4 Fus langen Stange und diese legte er auf die Schulter. Nuna und sein kleiner Bruder Toparri, der ohngefähr vier Jahr alt war, begleiteten uns lustig und guter Dinge, nachdem wir die ganze Familie beym Abschiede mit Co- rallen, Nägeln, Spiegeln und Messern beschenkt hatten.
Eines Berges wegen, den wir ersteigen mußten, war der Anfang un- sers Marsches etwas beschwerlich, und dennoch blieb unsre Mühe hier unbe- lohnt, denn auf dem ganzen Berge fanden wir, außer ein Paar kleinen zwer- gichten Büschen und etwas trocknem Farnkraut, auch nicht eine einzige Pflanze. Dagegen sahen wir, zu unsrer nicht geringen Verwunderung, von dieser trock- nen, unfruchtbaren Höhe, eine Flucht wilder Endten vor uns aufsteigen. Was diese aus ihrem gewöhnlichen Lager im Rohre und von den morastigen Fluß-Ufern hieher gebracht haben konnte? läßt sich so leicht nicht begreifen. Kurz nachher ka- men wir über einen andern Berg, auf welchem das Farnkraut und übrige Buschwerk erst ohnlängst mußte abgebrannt worden seyn, denn unsre Kleider wurden im Anstreifen noch über und über schwarz davon. Im Herabsteigen ge- langten wir endlich in ein fruchtbares Thal, durch welches ein hübscher Bach gegen die See hinaus lief. Die Einwohner hatten ihn hin und wieder mit Steinen aufgedämmt, um dadurch das Wasser auf die Felder zu bringen, die mit Zehrwurzeln (Arum esculentum) bepflanzt waren, weil diese Pflanze einen morastigen und überschwemmten Boden erfordert. Es gab hier zwey Arten davon; die eine hatte große glänzende Blätter und die Wurzel war wohl 4 Schuh lang, aber sehr grob fasericht, die zweyte Art hingegen, hatte kleine sammet- artige Blätter und an dieser war die Wurzel feiner und wohlschmeckender. Doch sind beyde von scharfen und beißendem Geschmack, so lange bis sie verschiedenemal in Wasser abgekocht worden; die Schweine fressen sie indessen auch ohne Wider- willen und ohne Schaden roh. Je weiter wir dem Bache folgten, desto enger ward das Thal und desto steiler und waldichter die Berge zu beyden Seiten.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Auguſt.und eben dies iſt ohne Zweifel auch die naͤchſte Urſache der hieſigen ſtarken Be- voͤlkerung.
Wir wurden mit einem ſtarken Kerl eins, daß er uns die Lebensmittel, welche die gaſtfreye alte Frau fuͤr uns angeſchaft hatte, unterwegens nachtra- gen ſollte. Zu dem Ende hieng er ſie, zu gleichen Theilen, an die Enden ei- ner 4 Fus langen Stange und dieſe legte er auf die Schulter. Nuna und ſein kleiner Bruder Toparri, der ohngefaͤhr vier Jahr alt war, begleiteten uns luſtig und guter Dinge, nachdem wir die ganze Familie beym Abſchiede mit Co- rallen, Naͤgeln, Spiegeln und Meſſern beſchenkt hatten.
Eines Berges wegen, den wir erſteigen mußten, war der Anfang un- ſers Marſches etwas beſchwerlich, und dennoch blieb unſre Muͤhe hier unbe- lohnt, denn auf dem ganzen Berge fanden wir, außer ein Paar kleinen zwer- gichten Buͤſchen und etwas trocknem Farnkraut, auch nicht eine einzige Pflanze. Dagegen ſahen wir, zu unſrer nicht geringen Verwunderung, von dieſer trock- nen, unfruchtbaren Hoͤhe, eine Flucht wilder Endten vor uns aufſteigen. Was dieſe aus ihrem gewoͤhnlichen Lager im Rohre und von den moraſtigen Fluß-Ufern hieher gebracht haben konnte? laͤßt ſich ſo leicht nicht begreifen. Kurz nachher ka- men wir uͤber einen andern Berg, auf welchem das Farnkraut und uͤbrige Buſchwerk erſt ohnlaͤngſt mußte abgebrannt worden ſeyn, denn unſre Kleider wurden im Anſtreifen noch uͤber und uͤber ſchwarz davon. Im Herabſteigen ge- langten wir endlich in ein fruchtbares Thal, durch welches ein huͤbſcher Bach gegen die See hinaus lief. Die Einwohner hatten ihn hin und wieder mit Steinen aufgedaͤmmt, um dadurch das Waſſer auf die Felder zu bringen, die mit Zehrwurzeln (Arum eſculentum) bepflanzt waren, weil dieſe Pflanze einen moraſtigen und uͤberſchwemmten Boden erfordert. Es gab hier zwey Arten davon; die eine hatte große glaͤnzende Blaͤtter und die Wurzel war wohl 4 Schuh lang, aber ſehr grob faſericht, die zweyte Art hingegen, hatte kleine ſammet- artige Blaͤtter und an dieſer war die Wurzel feiner und wohlſchmeckender. Doch ſind beyde von ſcharfen und beißendem Geſchmack, ſo lange bis ſie verſchiedenemal in Waſſer abgekocht worden; die Schweine freſſen ſie indeſſen auch ohne Wider- willen und ohne Schaden roh. Je weiter wir dem Bache folgten, deſto enger ward das Thal und deſto ſteiler und waldichter die Berge zu beyden Seiten.
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Forſter’s Reiſe um die Welt
und eben dies iſt ohne Zweifel auch die naͤchſte Urſache der hieſigen ſtarken Be-
voͤlkerung.
1773.
Auguſt.
Wir wurden mit einem ſtarken Kerl eins, daß er uns die Lebensmittel,
welche die gaſtfreye alte Frau fuͤr uns angeſchaft hatte, unterwegens nachtra-
gen ſollte. Zu dem Ende hieng er ſie, zu gleichen Theilen, an die Enden ei-
ner 4 Fus langen Stange und dieſe legte er auf die Schulter. Nuna und ſein
kleiner Bruder Toparri, der ohngefaͤhr vier Jahr alt war, begleiteten uns
luſtig und guter Dinge, nachdem wir die ganze Familie beym Abſchiede mit Co-
rallen, Naͤgeln, Spiegeln und Meſſern beſchenkt hatten.
Eines Berges wegen, den wir erſteigen mußten, war der Anfang un-
ſers Marſches etwas beſchwerlich, und dennoch blieb unſre Muͤhe hier unbe-
lohnt, denn auf dem ganzen Berge fanden wir, außer ein Paar kleinen zwer-
gichten Buͤſchen und etwas trocknem Farnkraut, auch nicht eine einzige Pflanze.
Dagegen ſahen wir, zu unſrer nicht geringen Verwunderung, von dieſer trock-
nen, unfruchtbaren Hoͤhe, eine Flucht wilder Endten vor uns aufſteigen. Was
dieſe aus ihrem gewoͤhnlichen Lager im Rohre und von den moraſtigen Fluß-Ufern
hieher gebracht haben konnte? laͤßt ſich ſo leicht nicht begreifen. Kurz nachher ka-
men wir uͤber einen andern Berg, auf welchem das Farnkraut und uͤbrige
Buſchwerk erſt ohnlaͤngſt mußte abgebrannt worden ſeyn, denn unſre Kleider
wurden im Anſtreifen noch uͤber und uͤber ſchwarz davon. Im Herabſteigen ge-
langten wir endlich in ein fruchtbares Thal, durch welches ein huͤbſcher Bach
gegen die See hinaus lief. Die Einwohner hatten ihn hin und wieder mit
Steinen aufgedaͤmmt, um dadurch das Waſſer auf die Felder zu bringen, die mit
Zehrwurzeln (Arum eſculentum) bepflanzt waren, weil dieſe Pflanze einen
moraſtigen und uͤberſchwemmten Boden erfordert. Es gab hier zwey Arten
davon; die eine hatte große glaͤnzende Blaͤtter und die Wurzel war wohl 4 Schuh
lang, aber ſehr grob faſericht, die zweyte Art hingegen, hatte kleine ſammet-
artige Blaͤtter und an dieſer war die Wurzel feiner und wohlſchmeckender. Doch
ſind beyde von ſcharfen und beißendem Geſchmack, ſo lange bis ſie verſchiedenemal
in Waſſer abgekocht worden; die Schweine freſſen ſie indeſſen auch ohne Wider-
willen und ohne Schaden roh. Je weiter wir dem Bache folgten, deſto enger
ward das Thal und deſto ſteiler und waldichter die Berge zu beyden Seiten.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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